Dritthöchste Zahl an Kirchenaustritten
Katholische Kirche. Die offizielle Statistik für 2020 weist trotz Ausbleibens größerer Skandale eine unvermindert hohe Zahl an Austritten aus. Die Zahl der Mitglieder ist gegenüber 2019 um 1,5 Prozent, die der Kleriker um 2,5 Prozent gesunken.
Österreich. Nachhaltige Entspannung sieht anders aus. Zwar ist im abgelaufenen Jahr 2020 die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche in Österreich deutlich um 13,7 Prozent zurückgegangen. Das geht aus der am Mittwoch von der Bischofskonferenz selbst publizierten Statistik hervor. Aber: Gleichzeitig wurde die dritthöchste Zahl seit Beginn der Aufzeichnungen registriert. Denn der Rückgang bezieht sich auf das Jahr 2019, als rund um Vorwürfe wegen der Amtsführung des heutigen St. Pöltner Bischofs Alois Schwarz bei den Austritten der zweithöchste Wert verzeichnet wurde.
Rückgänge gab es auch bei der Zahl der Messbesucher, bei Taufen, kirchlichen Eheschließungen, Begräbnissen – und der Zahl der Priester. Die ist um 2,5 Prozent zurückgegangen. Zum Vergleich: Die Zahl der Katholiken hat sich „nur“um 1,5 Prozent verringert.
Wien. Alle Jahre wieder: Die katholische Kirche Österreichs legt regelmäßig im Jänner Kennzahlen der Öffentlichkeit vor. Auf großes Interesse stoßen dabei regelmäßig die Daten über die Austritte – insgesamt ein Prozess der Transparenz, der der Organisation wohl nicht immer leichtfallen wird. Und der bei anderen Organisationen (Parteien) unüblich ist. Am Mittwoch war es wieder so weit. „Zahl der Kirchenaustritte 2020 gesunken“, titelte da die Katholische Presseagentur.
1 Rückgang beim Rückgang der Mitglieder der katholischen Kirche: Was bedeutet das?
Dass es natürlich dennoch einen Rückgang bei der Zahl der Katholiken gibt. Im Vorjahr haben sich 58.535 Katholiken von ihrer Kirche beim Magistrat oder im Gemeindeamt abgemeldet. Abgesehen von theologischen und seelsorglichen Aspekten bedeutet nüchtern betrachtet jeder einzelne Austritt auch eine versiegende Einnahmequelle.
Der Kirchenbeitrag macht grundsätzlich ein Prozent des Einkommens aus, das versteuert werden muss (gleichzeitig gibt es verschiedene Ermäßigungen für Kinder, neue Wohnung etc.). Und er hat eine sehr hohe Bedeutung für die Budgets der Diözesen: Immerhin bewegt sich der Anteil des Kirchenbeitrags an den Einnahmen bei drei Vierteln. 2019 (die aktuellste verfügbare Zahl) haben die Mitglieder knapp 481 Millionen Euro an Beiträgen geleistet.
2 Was ist angesichts der neuen Zahlen zuerst die gute Nachricht für die katholische Kirche?
Die gute Nachricht für die katholische Kirche: Die Zahl der Kirchenaustritte ist im soeben abgelaufenen Jahr 2020 im Vergleich zu 2019 um beachtliche 13,7 Prozent zurückgegangen. Im von der Coronakrise geprägten Jahr hätte man wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation auch mit einem deutlicheren Aderlass rechnen können.
Jedenfalls gab es mit Stichtag 31. Dezember 2020 in Österreich 4,91 Millionen Katholiken. 2019 waren es laut amtlicher Statistik der Bischofskonferenz noch 4,98 Millionen Katholiken. Das entspricht einem Rückgang in der Höhe von rund 1,5 Prozent. Für eine Großorganisation ist das eher wenig. Die katholische Kirche bleibt auch mit ihren quasi amtlichen 4,9 Millionen Mitgliedern weit vor Vereinen wie ÖAMTC (2,3 Millionen, steigende Tendenz) und ÖGB (1,2 Millionen, zuletzt stagnierende Tendenz; 1981 aber noch bei geringerer Beschäftigtenzahl 1,7 Millionen Mitglieder).
3 Was ist angesichts der neuen Zahlen nun die schlechte Nachricht für die katholische Kirche?
Die schlechte Nachricht: Die Zahl der Austritte hat im Vorjahr immerhin den dritthöchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen erreicht und die Kurve geht seit Jahrzehnten talwärts. Außerdem bezieht sich der Vergleich beim Rückgang auf das zweithöchste Jahr: 2019 bedeutete mit 67.800 Austritten einen neuen drastischen Ausreißer nach oben. Grund waren die monatelangen öffentlichen Debatten um den von Klagenfurt nach St. Pölten versetzten Bischof Alois Schwarz: Vorwürfen aus Kirchenkreisen von zu großer Nähe zu einer Mitarbeiterin und wirtschaftlichen Fehlentscheidungen folgte eine päpstliche Visitation; deren Ergebnis ist bis heute übrigens nicht öffentlich gemacht worden.
Den bisherigen Hochpunkt bei der Zahl der Austritte markiert das Jahr 2010 mit 85.960 Abmeldungen. Damals hat das Bekanntwerden von (sexueller) Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, begangen von Priestern, Ordensleuten, Laienmitarbeitern, diese Welle verursacht.
Darüber hinaus hätte aber gerade das Corona-Jahr im für die Kirche günstigeren Fall auch zu einer Rückbesinnung auf Glauben und Gemeinschaft, zu mehr Wiedereintritten und deutlich weniger Austritten führen können. Fand aber nicht statt.
4 Und wie ist das jetzt mit dem Priestermangel, wo es doch ohnedies weniger Katholiken gibt?
Zeitgleich zu den Austrittszahlen wurde am Mittwoch auch die Kirchenstatistik für 2019 veröffentlicht. Weiter im Abwärtstrend ist laut Statistik die Zahl der Kirchgänger an den Sonntagen. Dabei wurde die nächste „Schallmauer“nach unten durchbrochen. Erstmals wurden an einem der Zählsonntage in Österreich unter einer halben Million Messbesucher registriert: zwischen 497.000 und 533.000 Kirchgänger. 2018 waren es noch 502.000 bis 554.000. Zurückgegangen sind auch die Taufen (deutlich), Firmungen, Begräbnisse. Und bei den Priestern? Es überrascht nicht, dass es auch hier einen Rückgang gibt – um 2,5 Prozent. Zur Erinnerung: Die Katholikenzahl verringerte sich „nur“um 1,5 Prozent.