Michael Ludwigs Paarlauf mit Sebastian Kurz
Im Wien-Wahlkampf lieferten sie einander eine erbitterte Auseinandersetzung, nun standen sie gemeinsam auf der Bühne.
Auf den ersten Blick war es eine Überraschung. Da stand Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) an der Seite von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und betonte die Notwendigkeit eines weiteren Lockdowns – wie Kurz. Neben Ludwig stand Hermann Schützenhöfer (ÖVP), Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz, und nickte bei den Worten Ludwigs, während Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) die ungewöhnliche Konstellation von der Seite betrachtete.
Dass neben dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz ein weiterer Landeshauptmann auftritt, ist hier ungewöhnlich, hat aber einen Grund. Der Auftritt Ludwigs signalisierte: Die SPÖ ist mit im Boot und unterstützt die verschärften Maßnahmen der türkis-grünen Bundesregierung. Damit hat Ludwig kein Problem, stellt der Pragmatiker doch Notwendigkeiten gern über politische Befindlichkeiten – wie er bereits mehrfach bewiesen hat. Gleichzeitig thematisierte Ludwig öffentlichkeitswirksam die Unterschiede zur ÖVP: Direkt neben Kanzler Kurz forderte er plötzlich eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, und brandmarkte eine Ablehnung als unsozialen Akt.
Der zweite, bemerkenswerte Punkt: Bei der Bekanntgabe der neuen Corona-Beschränkungen war die SPÖ (während der Verkündung) im Boot – nicht in Form der Virologin und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, sondern in Form von Michael Ludwig. Hier wurden wieder die wahren roten Machtverhältnisse sichtbar.
Ist das nun der Beginn eines Tauwetters zwischen dem roten Wien und dem türkis dominierten Bund? Also zwischen jenen zwei Proponenten, die sich im Wiener Wahlkampf eine erbitterte Auseinandersetzung geliefert hatten – stellvertretend über ÖVPInnenminister Karl Nehammer und SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker? Im Rathaus ist zu hören, dass sich an dem Verhältnis zwischen Kurz und Ludwig nichts geändert hat: „Jetzt geht es nicht um Parteipolitik, sondern um eine effiziente CoronaBekämpfung über Parteigrenzen hinweg.“Nachsatz: „Dass die ÖVP im Wahlkampf ein derartiges WienBashing betrieben hat, hat Ludwig aber nicht vergessen.“Das sei „eine neue Dimension“gewesen, ist im Rathaus zu hören, wo noch einige Genossen über die ÖVP verärgert sind.
Einer dieser Genossen ist Gesundheitsstadtrat Peter Hacker. Und der impulsive SPÖ-Politiker richtete Kanzler Kurz postwendend aus: Ein Lockdown in Wien sei nicht notwendig: „Wir können uns nicht permanent in eine Erdhöhle zurückziehen.“ Über Kurz und Anschober meinte der Gesundheitsstadtrat: „Kanzler und Minister machen auf hysterisch.“
Manche vermuten hinter Ludwigs Entgegenkommen und Hackers Angriffen das beliebte „good cop – bad cop“-Spiel, das Türkis-Grün unter Druck setzen soll, während die SPÖ öffentlich Beliebtheitspunkte wegen Ludwigs amikales Vorgehen sammelt.
Wie so oft im Leben sind die Dinge simpler als sie scheinen. Es sei nahezu unmöglich, Hacker ständig unter Kontrolle zu haben, ist im Rathaus zu hören. Der streitbare Gesundheitsstadtrat habe seine Meinung und tue sie kund, oft ohne Rücksicht auf Verluste, und nicht nur wenn es gegen die ÖVP gehe, ist im Rathaus zu hören: Man müsse sich nur an den Hacker-Sager erinnern, als er Ärzten vorwarf, wegen Corona teilweise hysterisch und ängstlich zu reagieren.