Was Angela Merkel „das Herz bricht“
Deutschland. Die deutsche Kanzlerin skizzierte am Donnerstag in Berlin ihre Coronapolitik und das künftige Verhältnis zu den USA.
Berlin. Angela Merkel macht sich gern rar. In seuchenfreien Zeiten gab es nur einen einzigen Termin im Jahr, die Sommer-Pressekonferenz, an dem die deutsche Kanzlerin den Hauptstadtjournalisten stundenlang bei eingeschalteten Mikrofonen zu allen möglichen Themen Rede und Antwort stand.
Doch die „Jahrhundertkatastrophe“änderte auch den Kommunikationsstil der Kanzlerin. Die Nation hat nun öfter Redebedarf. Zuletzt regte sich Kritik am schleppenden Impfstart und in einigen Bundesländern an den bis 14. Februar geschlossenen Schulen. Und diese Krise unterscheidet sich von der vorherigen auch dadurch, dass das Gegenmittel nur dann wirkt, wenn es die Bevölkerung schluckt, also die Coronamaßnahmen breit akzeptiert werden.
Merkel warb dafür am Donnerstag in einer Pressekonferenz mit dem Hinweis auf die ansteckendere Coronavariante B.1.1.7. Die Mutante sei nicht mehr wegzukriegen. Man müsse ihre Ausbreitung „so schnell wie möglich verlangsamen, nicht erst, wenn es zu spät ist und die Zahlen schon hoch sind“.
Gastronomie weiter zu?
Die Kanzlerin deutete an, dass die Gastronomie auch nach dem 14. Februar geschlossen bleiben könnte. Priorität hätten Schulen und Kindergärten. Auch für Einzelhandel und Dienstleister wie Friseure stellte sie eine Öffnung in Aussicht.
Merkel gewährte zudem seltene Einblicke in ihr Seelenleben. Über die vielen Corona-Opfer in den Alten- und Pflegeheimen sagte sie: „Mir bricht das Herz, wenn ich sehe, wie viele Menschen in Einsamkeit gestorben sind.“Das sei für sie emotional das Schwierigste. Sie unterstützt eine öffentliche Form der Trauer um die Coronatoten. Die Infektionszahlen sinken zwar, zuletzt zählte Deutschland aber wieder mehr als 1000 Tote pro Tag. Merkel: „Das ist furchtbar.“
Dasselbe Adjektiv wählte die Kanzlerin, als sie das gemeinsame Vorgehen der EU bei der Impfstoffbeschaffung verteidigte. „Es wäre ganz, ganz furchtbar, wenn wir uns in Deutschland impfen lassen könnten“und das in anderen kleineren EU-Ländern nicht der Fall wäre. Wobei die Kritik weniger auf das Wählen einer europäischen Strategie zielt als auf deren Ausgestaltung. Im Umgang mit B.1.1.7 drohte die Kanzlerin implizit vor allem in Richtung Tschechien und der Schweiz mit Grenzkontrollen als „Ultima Ratio“(Seite 2).
Keine weitere Amtszeit
Wegen Merkels hoher Popularität werfen Kommentatoren immer wieder die Frage auf, ob sie nicht bei der Wahl im Herbst 2021 doch noch einmal antreten könnte. Sie schloss das erneut kategorisch aus.
Ihre Nachfolgerin als CDUChefin, Annegret Kramp-Karrenbauer, hatte darunter gelitten, dass sie sich im Schatten Merkels profilieren musste. Droht das nun auch dem künftigen CDU-Chef, Armin Laschet? Sie sehe da „überhaupt kein Problem“, erklärte die Kanzlerin. Künftige Kanzlerkandidaten warnte sie: „Es wird niemals eine Wahl aus Dankbarkeit geben.“
Nicht nur die CDU hat einen neuen Chef, sondern auch der historisch wichtigste Verbündete der Deutschen. Mit dem neuen USPräsidenten, Joe Biden, war Merkel nach seiner Wahl bereits in Kontakt. „Die Zusammenarbeit“mit den USA beruhe nun „wieder auf einem breiteren Fundament gemeinsamer Überzeugungen“. Zugleich warnte Merkel vor der Illusion, dass es künftig nur „Übereinstimmung“mit den USA geben werde.
Ein Streitthema ist der Bau der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2. Die Kanzlerin stellte sich einerseits hinter das Projekt – „meine Einstellung hat sich noch nicht geändert“. Zugleich kündigte sie an, mit den USA zu reden, wie viel Energieabhängigkeit von Russland „akzeptabel“sei. Dann müsse aber „alles auf den Tisch“. Denn auch die USA importieren russisches Öl.