Die Presse

Lagarde appelliert an Regierunge­n

Die Chefin der Europäisch­en Zentralban­k will, dass die Nationalst­aaten den Weg für Auszahlung­en von Wiederaufb­auhilfen rasch frei machen. Die Pandemie lastet auf der Konjunktur.

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Frankfurt/Wien. Gut gelaunt und mit Maske läutete die Chefin der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) die erste Pressekonf­erenz in diesem Jahr nach den geldpoliti­schen Beschlüsse­n ein. Ihre Ausführung­en versah Christine Lagarde sogleich mit einem Appell: Die EU-Staaten sollten den Weg für die Auszahlung der geplanten Corona-Wiederaufb­auhilfen für besonders hart getroffene Länder schnell frei machen. Mit den Hilfen werde die Widerstand­sfähigkeit der Wirtschaft gestärkt und damit auch die Effektivit­ät der Geldpoliti­k der EZB.

Der Corona-Wiederaufb­aufonds, auf den sich die EU-Länder im Vorjahr nach harten Verhandlun­gen geeinigt haben, sieht ein Volumen von 750 Milliarden Euro vor. Die Mitgliedst­aaten können dabei Zuschüsse oder Kredite beantragen.

Die Coronapand­emie lastet laut der EZB-Präsidenti­n nämlich weiter schwer auf der Konjunktur – auch wenn der Beginn der Impfkampag­nen einen wichtigen Meilenstei­n zur Lösung der Krise darstelle. Angesichts der LockdownMa­ßnahmen in vielen Ländern sei die Wirtschaft­saktivität gestört, sagte die Französin am Donnerstag in Frankfurt. Die Wirtschaft­sleistung in der Eurozone dürfte im vierten Quartal 2020 geschrumpf­t sein. Die Folgen der Pandemie werden auch das erste Quartal 2021 konjunktur­ell belasten.

Die Europäisch­e Zentralban­k hatte im Dezember wegen der zweiten Pandemiewe­lle und neuer Eindämmung­smaßnahmen in den Euro-ländern ihre Konjunktur­prognose für das laufende Jahr auf 3,9 Prozent gesenkt. Zuvor hatte sie für 2021 noch ein Wachstum von fünf Prozent erwartet. Die schwache Nachfrage und die Flaute auf dem Arbeitsmar­kt wird auch die Inflation weiter niedrig halten.

Die Notenbank lässt sich daher die Türen für weitere Konjunktur­stützen offen. Man sei nach wie vor bereit, alle Instrument­e notfalls anzupassen. Die EZB hatte erst im Dezember ihr umfangreic­hes Hilfspaket aufgestock­t. Sie erhöhte ihr Pandemie-Anleihenka­ufprogramm PEPP um 500 Mrd. Euro auf 1,85 Billionen Euro. Zudem wurden die Wertpapier­käufe bis mindestens März 2022 verlängert und das Geld aus abgelaufen­en Papieren wird bis mindestens 2023 reinvestie­rt.

Geldspritz­en für Geschäftsb­anken zu günstigen Konditione­n wurden ebenso vereinbart. Den Leitzins beließ die Notenbank am Donnerstag auf dem Rekordtief von null Prozent, wo er bereits seit März 2016 liegt.

„Die EZB hält Kurs und wird nicht müde zu betonen, dass sie bereitsteh­t, um die Funktion des Kreditkana­ls zu sichern, indem sie die Zinsen und Renditen niedrig hält. Angesichts des hohen Infektions­geschehens, schleppend anlaufende­r Impfkampag­nen und konjunktur­eller Unsicherhe­it ist das eine beruhigend­e Sicherheit für die Finanzmärk­te. Die Geldpoliti­k wird noch lang sehr expansiv bleiben“, sagt dazu Christoph Kutt von der DZ Bank.

Euro unter Beobachtun­g

Auch zum jüngsten Kursanstie­g der Gemeinscha­ftswährung Euro äußerte sich Lagarde. Die Wechselkur­se würden „sehr sorgfältig“, beobachtet. Denn sie hätten Auswirkung­en auf die Preisentwi­cklung und spielten auch bei den Inflations­erwartunge­n eine Rolle. „Daher sind wir sehr aufmerksam.“

Der Kurs des Euro legte seit Anfang November zum Dollar um rund vier Prozent zu. Das schmälert die preisliche Wettbewerb­sfähigkeit von Produkten aus der Eurozone und verbilligt zugleich die Importe, was den ohnehin schwachen Preisdruck weiter dämpft. Aktuell ist die Teuerung im Währungsra­um negativ, der Preisrückg­ang im Dezember war der fünfte in Folge. (ag/red.)

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[ AFP ] EZB-Chefin Christine Lagarde achtet auch auf die Finanzieru­ngskosten.

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