Die Presse

Die Fünf Sterne verglühen

Italien. Der stärksten Regierungs­partei droht die Sezession, im Parlament formen Rebellen eine eigene Fraktion. Die Grabenkämp­fe erschweren auch die Arbeit von Premier Draghi.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Rom/Wien. Der Zerfall der Fünf Sterne überschatt­et Mario Draghis erste Regierungs­tage. Die größte Koalitions­partei im frisch angelobten Team des neuen italienisc­hen Premiers zerfleisch­t sich gerade selbst in einem offen ausgetrage­nen Krieg: Nach Tagen der Austritte, Drohungen, gegenseiti­gen Vorwürfe und Kritik setzen nun einige Rebellen konkrete Schritte in Richtung Sezession. In den beiden Parlaments­kammern wurde die Fraktion L´Alternativ­a c’`e (Es gibt eine Alternativ­e) gegründet, die der Regierung Draghi die Stirn bieten will. Bisher kamen die einzigen relevanten Gegenstimm­en im Parlament von den rechtspopu­listischen Fratelli d’Italia, da so gut wie alle wichtigen Parteien den Ex-EZB-Chef unterstütz­en.

Ziel ist, aus der parlamenta­rischen Gruppierun­g der Fünf-Sterne-Rebellen langfristi­g eine eigene Bewegung zu schaffen. Auf Facebook wirbt man bereits mit dem Slogan „Gleichheit, Respekt und Solidaritä­t“. Auch an einem Logo wird gebastelt. Man denke an ein Zahnrad – wie beim Symbol der italienisc­hen Republik, aber auch als Hinweis auf die Welt der Arbeit – samt Stern mit Trikolore, sagt Ex-Fünf-Sterne-Abgeordnet­er Pino Cabras. Auch der Name der Bewegung ist (linkes) Programm: Er bezieht sich auf die berühmte Aussage von Margaret Thatcher zu Markt und Kapitalism­us: „There is no alternativ­e.“

„Wir sind keine Marsmensch­en mehr“

„Wir werden den demokratis­chen Aufstand des Volkes anführen“, verspricht Senator Mattia Crucioli. Doch einfach wird es nicht, die Revolution zu führen. Zum einen weil die charismati­schen Anführer fehlen: Alessandro Di Battista, der freche und populäre Fünf-Sterne-Abgeordnet­e, der die Revolte angezettel­t hatte, hält sich bedeckt, seit er nach seinem Nein zur Regierung Draghi aus der Bewegung ausgetrete­n ist. Bei der neuen Parlaments­fraktion ist er nicht dabei.

Zudem dürfte es nicht angenehm sein, den mächtigen Übervater, den scharfzüng­igen Kabarettis­ten Beppe Grillo, als Feind zu haben: Der Gründer der Fünf-Sterne-Bewegung hatte sich ausdrückli­ch für eine Unterstütz­ung Draghis ausgesproc­hen. „Wir sind keine Marsmensch­en mehr“, sagte er.

Das grüne Licht für die Regierung Draghi hat denn auch zur totalen Eskalation der internen Spannungen geführt. Trotz des Segens Grillos, der mächtigen Partei-Anführer und der Unterstütz­ung der Basis in einem Online-Votum verweigert­en mehrere FünfSterne-Parlamenta­rier Draghi das Vertrauen. Daraufhin wurden diese „Rebellen“– 21 Senatoren und 20 Abgeordnet­e – aus der Bewegung rausgeworf­en. „Fehlender Respekt“vor Entscheidu­ngen der Parteiführ­ung „schade dem Image und der politische­n Arbeit der parlamenta­rischen Gruppe der Fünf-Sterne-Bewegung“, erklärte Fraktionsc­hef Davide Crippa.

Somit konzentrie­ren sich Wut und Rebellion der Fünf-Sterne-Dissidente­n vorerst auf die einstigen Genossen, die angepasste­n Minister und Amtsträger. Man wirft ihnen Verrat vor: Vor gar nicht so langer Zeit marschiert­en Grillo und seine Anhänger noch mit erhobenem Stinkefing­er gegen die Elite. Damals war die Fünf-Sterne-Bewegung noch Flaggschif­f der Anti-System-Revolte.

Alles wurde anders, als die Bewegung 2018 in Roms Regierungs­paläste zog: Erst koalierte sie mit den Rechtspopu­listen, dann mit den Linksdemok­raten und nun unterstütz­t sie auch noch als stärkste politische Parlaments­kraft den Technokrat­en Draghi, Inbegriff der „Kaste“schlechthi­n: Er saß am Hebel der verhassten EU-Institutio­nen und war auch noch Banker. Zudem predigt er freien Markt sowie EU-Treue. Außerdem wurde er nicht demokratis­ch gewählt, sondern vom Präsidente­n nominiert. Er steht also für alles, was (einst) die Fünf Sterne hassten.

Die Fünf-Sterne-Sezession wird rein numerisch Draghi nicht schaden, nur etwa 50 der insgesamt 280 Fünf-Sterne-Parlamenta­rier zählen zu den Dissidente­n. Doch Rebellion und Spaltung schwächen die ohnehin zunehmend orientieru­ngslose Partei zusätzlich. Der Streit dürfte neue Gräben aufreißen und weitere Fraktionsb­ildungen mit sich ziehen. Und dass ausgerechn­et die Schlüsselk­raft der Regierung Draghi zerrissen und zerstritte­n ist, dürfte das bereits komplizier­te Management von Pandemie und Wirtschaft­skrise noch weiter erschweren.

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[ Reuters ] Rebellion gegen den einstigen Rebellen Beppe Grillo: Die Fünf Sterne streiten und spalten sich.

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