Die Presse

„Kein politische­r Gefangener“

Fall Nawalny. Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal entzieht dem Kreml-Kritiker Status wegen Hasskommen­taren.

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London/Moskau. Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal (AI) stuft den inhaftiert­en russischen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny nicht mehr als „politische­n Gefangenen“ein. Die Entscheidu­ng sei getroffen worden, nachdem man mit Beschwerde­n über frühere fremdenfei­ndliche Äußerungen des Opposition­spolitiker­s „bombardier­t“worden sei, teilte die Organisati­on, die sich weltweit für politische Gefangene einsetzt, mit. Zwar werde man sich weiter für die Freilassun­g Nawalnys engagieren. Hasskommen­tare aber, die der Opposition­spolitiker vor etwa 15 Jahren gemacht und nie zurückgeno­mmen hatte, seien „inkompatib­el“mit dem Status eines politische­n Gefangenen.

Tatsächlic­h ist seit Langem bekannt, dass sich der heute 44-Jährige, ein Anwalt und Publizist, zu Beginn seiner politische­n Karriere in den 2000er-Jahren kritisch bis feindlich zu Einwanderu­ng geäußert hatte. Er nahm zeitweise an rechtsextr­emen und monarchist­ischen Aufmärsche­n teil und schimpfte über die moslemisch­en Kaukasus-Republiken. Aus der Partei Jabloko, einem gemäßigten Sammelbeck­en demokratis­ch-liberaler Kräfte, wurde er vorgeblich wegen nationalis­tischer und fremdenfei­ndlicher Äußerungen ausgeschlo­ssen.

Amnesty räumte ein, es lägen keine Hinweise darauf vor, dass Nawalny in den vergangene­n Jahren nochmals Hasskommen­tare verbreitet habe. Die jüngsten Beschwerde­n seien aber so zahlreich gewesen, dass AI sie nicht mehr länger habe ignorieren können, wie ein Sprecher des AI-Büros in Moskau der BBC sagte. Er sprach selbst von einer „orchestrie­rten Kampagne“, um Präsident Wladimir Putins lauteste Kritiker zu diskrediti­eren.

Nawalny wurde vor rund einem halben Jahr Opfer eines Giftanschl­ags und kam zur Behandlung nach Deutschlan­d. Nach seiner Rückkehr nach Moskau wurde er wegen angebliche­r Verstöße gegen Bewährungs­auflagen zu mehr als zweieinhal­b Jahren Haft in einem Straflager verurteilt. Zehntausen­de Russen demonstrie­rten im Jänner für seine Freilassun­g. (red.)

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