Mit Grünem Passa in den Sommer
Die EU-27 sprechen heute über CovidZertifikate, die Geimpften und Genesenen einen halbwegs normalen Urlaub ermöglichen sollen.
Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU am heutigen Donnerstag über den Kampf gegen Corona beraten, wer
den FFP2-Masken nicht notwendig sein. Denn der Europäische Rat findet wieder einmal – gemäß der pandemisch bedingten Vorgabe, Reisetätigkeiten einzuschränken – virtuell statt. Das Thema Reisen steht dennoch ganz oben auf der Agenda des informellen Video-Gipfels: Die EU-27 müssen nämlich eine Antwort auf die dringende Frage finden, wie sich der Wunsch nach Sommerurlaub mit den langsam anlaufenden Massenimpfungen vereinbaren lässt.
EU-Impfpass
„Wir rufen dazu auf, gemeinsam an Impfzertifikaten zu arbeiten“, heißt es (ohne ins Detail zu gehen) im Punkt 4 der Gipfelerklärung, deren Entwurf der „Presse“vorliegt. Auch die EU-Kommission mahnt zur Eile – nicht zuletzt aus Rücksicht auf jene Mitgliedstaaten wie Portugal oder Griechenland, deren Volkswirtschaften überproportional vom Tourismus abhängig sind. „In der EU sollten wir einen gemeinsamen Rahmen schaffen, sonst werden sich bilaterale Lösungen durchsetzen“, warnte Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas am Mittwoch.
Zypern und Griechenland sind jedenfalls schon vorgeprescht und haben separate Abkommen mit Israel über die Einreise von geimpften Touristen angekündigt – wobei Athen parallel dazu auf einen EU-weit einheitlichen Impfpass drängt. Diese Dringlichkeit wird allerdings nicht von allen geteilt: So hat etwa Deutschland Bedenken – und zwar aus Gründen der Fairness. Denn angesichts der Probleme mit der Impfstoff-Versorgung (siehe Seiten 2/ 3) werden bis zum Sommer vermutlich nicht alle Willigen tatsächlich geimpft werden können.
Österreichs Position
Österreich steht als beliebte Reisedestination – wenig überraschend – auf der Seite der Eiligen: Bundeskanzler Sebastian Kurz will sich bei dem heutigen Tele-Gipfel für einen europäischen Grünen Pass nach israelischem Vorbild starkmachen. Auch andere Staaten wie Kroatien, Spanien, Malta oder Estland seien an Bord, heißt es. Der Pass soll bei Reisen, aber auch in Österreich zum Einsatz kommen: Man wolle einen Pass, „mit dem man frei reisen, geschäftlich uneingeschränkt unterwegs sein und Urlaub machen kann ebenso wie Gastronomie, Kultur, Veranstaltungen und anderes endlich wieder genießen kann“, so Kurz in einer Aussendung. Auch bei den Vorteilen durch den Pass will man sich an Israel orientieren.
Den Pass soll es für drei Gruppen geben: Geimpfte, Menschen, die (nachweisbar) eine Covid-Infektion durchgemacht haben, und solche, die einen 48 Stunden alten Test (Antigen- oder PCR-) vorweisen können. Ob es innerhalb dieser Gruppen Abstufungen gibt – z. B. dass ein Geimpfter mehr darf als ein Getesteter –, ist ebenso offen wie die Frage, ob vielleicht auch nur eine Impfdosis bereits reichen könnte. Bis Sommer solle der Pass umgesetzt sein. Wenn nicht, will man ihn zumindest in Österreich umsetzen und bilaterale Anerkennungsabkommen mit anderen Ländern schließen.
Tatsächlich werden hierzulande die Grundlagen für eine Art Grünen Pass sowieso schon geschaffen: Mit der Änderung des Epidemiegesetzes wird es möglich, den Impfnachweis – so wie die Testnachweise – als QR-Code zu erhalten (per E-Mail oder SMS). Auch für jene, die eine Infektion durchlebt haben, wird es einen solchen Nachweis geben. Wer kein Smartphone hat, kann die Bestätigung ausdrucken. Auch auf EU-Ebene wird bereits über technische Standards diskutiert, damit solche nationalen Systeme kompatibel sind.
Israel als Vorbild
Israels Impfweltmeister exerzieren es vor. Seit Sonntag ist der Grüne Pass mit dem QRCode das begehrte Eintrittsticket für die Rückkehr in die Normalität. Er verschafft den Besitzern Zutritt zu Fitnessstudios, Schwimmbädern, Hotels oder Kulturveranstaltungen. Symbolisch hantierte Premier Benjamin Netanjahu einen Monat vor der Neuwahl in einem Fitnessstudio mit zwei kleinen Hanteln. Seine verlockende Botschaft: „Geht zum Impfen, holt euch den Grünen Pass und startet mit der Rückkehr ins Leben.“Die Nachfrage für das Herunterladen der App war so groß, dass anfangs das Portal des Gesundheitsministeriums zusammenbrach. Jeder der inzwischen mehr als 750.000 Genesenen einer Coronavirus-Erkrankung und der drei Millionen Personen, die bereits eine zweite Impfung erhielten, hat Anspruch auf den Grünen Pass – die Geimpften mit einer Wartezeit von einer Woche nach der zweiten Dosis.
Parallel dazu ist eine zaghafte Debatte über Impf-Privilegien ausgebrochen. Zugleich erlaubt es im Land selbst die Übermittlung von Daten bisher nicht Geimpfter, den Druck auf die Impfgegner und Skeptiker zu verstärken. Alle Israelis über 16 Jahren sind zur Impfung berechtigt. In den kommenden Tagen des Purim-Fests verschärft das Land indessen die Auflagen – aus Sorge, dass sich vor allem Jüngere anstecken könnten.
Wir sollten einen gemeinsamen Rahmen schaffen, sonst setzen sich bilaterale Lösungen durch.
Margaritis Schinas, Vizepräsident EU-Kommission