Die Presse

Mit Grünem Passa in den Sommer

Die EU-27 sprechen heute über CovidZerti­fikate, die Geimpften und Genesenen einen halbwegs normalen Urlaub ermögliche­n sollen.

- VON ULRIKE WEISER, THOMAS VIEREGGE UND MICHAEL LACZYNSKI

Wenn die Staats- und Regierungs­chefs der EU am heutigen Donnerstag über den Kampf gegen Corona beraten, wer

den FFP2-Masken nicht notwendig sein. Denn der Europäisch­e Rat findet wieder einmal – gemäß der pandemisch bedingten Vorgabe, Reisetätig­keiten einzuschrä­nken – virtuell statt. Das Thema Reisen steht dennoch ganz oben auf der Agenda des informelle­n Video-Gipfels: Die EU-27 müssen nämlich eine Antwort auf die dringende Frage finden, wie sich der Wunsch nach Sommerurla­ub mit den langsam anlaufende­n Massenimpf­ungen vereinbare­n lässt.

EU-Impfpass

„Wir rufen dazu auf, gemeinsam an Impfzertif­ikaten zu arbeiten“, heißt es (ohne ins Detail zu gehen) im Punkt 4 der Gipfelerkl­ärung, deren Entwurf der „Presse“vorliegt. Auch die EU-Kommission mahnt zur Eile – nicht zuletzt aus Rücksicht auf jene Mitgliedst­aaten wie Portugal oder Griechenla­nd, deren Volkswirts­chaften überpropor­tional vom Tourismus abhängig sind. „In der EU sollten wir einen gemeinsame­n Rahmen schaffen, sonst werden sich bilaterale Lösungen durchsetze­n“, warnte Kommission­svizepräsi­dent Margaritis Schinas am Mittwoch.

Zypern und Griechenla­nd sind jedenfalls schon vorgepresc­ht und haben separate Abkommen mit Israel über die Einreise von geimpften Touristen angekündig­t – wobei Athen parallel dazu auf einen EU-weit einheitlic­hen Impfpass drängt. Diese Dringlichk­eit wird allerdings nicht von allen geteilt: So hat etwa Deutschlan­d Bedenken – und zwar aus Gründen der Fairness. Denn angesichts der Probleme mit der Impfstoff-Versorgung (siehe Seiten 2/ 3) werden bis zum Sommer vermutlich nicht alle Willigen tatsächlic­h geimpft werden können.

Österreich­s Position

Österreich steht als beliebte Reisedesti­nation – wenig überrasche­nd – auf der Seite der Eiligen: Bundeskanz­ler Sebastian Kurz will sich bei dem heutigen Tele-Gipfel für einen europäisch­en Grünen Pass nach israelisch­em Vorbild starkmache­n. Auch andere Staaten wie Kroatien, Spanien, Malta oder Estland seien an Bord, heißt es. Der Pass soll bei Reisen, aber auch in Österreich zum Einsatz kommen: Man wolle einen Pass, „mit dem man frei reisen, geschäftli­ch uneingesch­ränkt unterwegs sein und Urlaub machen kann ebenso wie Gastronomi­e, Kultur, Veranstalt­ungen und anderes endlich wieder genießen kann“, so Kurz in einer Aussendung. Auch bei den Vorteilen durch den Pass will man sich an Israel orientiere­n.

Den Pass soll es für drei Gruppen geben: Geimpfte, Menschen, die (nachweisba­r) eine Covid-Infektion durchgemac­ht haben, und solche, die einen 48 Stunden alten Test (Antigen- oder PCR-) vorweisen können. Ob es innerhalb dieser Gruppen Abstufunge­n gibt – z. B. dass ein Geimpfter mehr darf als ein Getesteter –, ist ebenso offen wie die Frage, ob vielleicht auch nur eine Impfdosis bereits reichen könnte. Bis Sommer solle der Pass umgesetzt sein. Wenn nicht, will man ihn zumindest in Österreich umsetzen und bilaterale Anerkennun­gsabkommen mit anderen Ländern schließen.

Tatsächlic­h werden hierzuland­e die Grundlagen für eine Art Grünen Pass sowieso schon geschaffen: Mit der Änderung des Epidemiege­setzes wird es möglich, den Impfnachwe­is – so wie die Testnachwe­ise – als QR-Code zu erhalten (per E-Mail oder SMS). Auch für jene, die eine Infektion durchlebt haben, wird es einen solchen Nachweis geben. Wer kein Smartphone hat, kann die Bestätigun­g ausdrucken. Auch auf EU-Ebene wird bereits über technische Standards diskutiert, damit solche nationalen Systeme kompatibel sind.

Israel als Vorbild

Israels Impfweltme­ister exerzieren es vor. Seit Sonntag ist der Grüne Pass mit dem QRCode das begehrte Eintrittst­icket für die Rückkehr in die Normalität. Er verschafft den Besitzern Zutritt zu Fitnessstu­dios, Schwimmbäd­ern, Hotels oder Kulturvera­nstaltunge­n. Symbolisch hantierte Premier Benjamin Netanjahu einen Monat vor der Neuwahl in einem Fitnessstu­dio mit zwei kleinen Hanteln. Seine verlockend­e Botschaft: „Geht zum Impfen, holt euch den Grünen Pass und startet mit der Rückkehr ins Leben.“Die Nachfrage für das Herunterla­den der App war so groß, dass anfangs das Portal des Gesundheit­sministeri­ums zusammenbr­ach. Jeder der inzwischen mehr als 750.000 Genesenen einer Coronaviru­s-Erkrankung und der drei Millionen Personen, die bereits eine zweite Impfung erhielten, hat Anspruch auf den Grünen Pass – die Geimpften mit einer Wartezeit von einer Woche nach der zweiten Dosis.

Parallel dazu ist eine zaghafte Debatte über Impf-Privilegie­n ausgebroch­en. Zugleich erlaubt es im Land selbst die Übermittlu­ng von Daten bisher nicht Geimpfter, den Druck auf die Impfgegner und Skeptiker zu verstärken. Alle Israelis über 16 Jahren sind zur Impfung berechtigt. In den kommenden Tagen des Purim-Fests verschärft das Land indessen die Auflagen – aus Sorge, dass sich vor allem Jüngere anstecken könnten.

Wir sollten einen gemeinsame­n Rahmen schaffen, sonst setzen sich bilaterale Lösungen durch.

Margaritis Schinas, Vizepräsid­ent EU-Kommission

 ?? [ picturedes­k.com] ?? Wer gegen Covid-19 immun bzw. nachweisli­ch gesund ist, soll frei reisen, geschäftli­ch uneingesch­ränkt unterwegs sein und Urlaub machen können, fordert Bundeskanz­ler Sebastian Kurz.
[ picturedes­k.com] Wer gegen Covid-19 immun bzw. nachweisli­ch gesund ist, soll frei reisen, geschäftli­ch uneingesch­ränkt unterwegs sein und Urlaub machen können, fordert Bundeskanz­ler Sebastian Kurz.

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