„Primär Home-Office ist nicht erstrebenswert“
Interview. Barbara Teiber leitet die größte Teilgewerkschaft GPA. Der „Presse“erklärt sie, warum sie zum Thema Kurzarbeit etwas anders steht als der Arbeitsminister und der AMS-Chef. Zur Finanzierung der Krisenkosten will sie Vermögende zur Kasse bitten.
Die Presse: 2018 sagten Sie, die Regierung sei die Erfüllungsgehilfin von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer. Nun scheint es, dass Regierung und Sozialpartner in der Krise näher zusammengerückt sind. Oder täuscht dieser Eindruck? Barbara Teiber: Ja, die Zusammenarbeit ist stärker. In der Krise hat man auf die Sozialpartnerschaft zurückgegriffen, weil sie Lösungen bringt. Es fragt sich halt, ob die Regierung auch nach der Krise mit der Arbeitnehmerseite Kontakt hält und auf ihre Expertise zurückgreift. Wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht.
Derzeit sind also noch Flitterwochen, aber der Streit steht schon vor der Tür?
Wir bringen ja auch Lösungen zustande. Aber auch beim Home-Office-Gesetz hat es Fouls gegeben. Wir haben uns daran gehalten, dass wir in der Verhandlungsphase nichts nach außen geben. Das Finanzministerium hat sich ewig Zeit gelassen und pochte darauf, dass man mindestens 42 Tage im Jahr im Home-Office sein muss, um Werbungskosten geltend machen zu können. Das wäre für viele nur schwer zu erreichen gewesen. Wir konnten das noch korrigieren.
Ein Recht auf Home-Office hat die Gewerkschaft nicht gefordert. Wir wollten, dass es bei der Freiwilligkeit bleibt. Sonst hätten die Arbeitgeber verlangt, dass sie umgekehrt Beschäftigte ins Home-Office zwingen können. Wir erleben jetzt schon, dass viele Unternehmen, die vor der Pandemie skeptisch waren bezüglich Home-Office, auf einmal umschwenken und großflächig Home-Office wollen. Aber leider mit der Motivation, dass sie Büroflächen einsparen.
Sie können ja nicht verlangen, dass Unternehmen für leere Büros Miete zahlen.
Es geht darum, dass sich Beschäftigte auf dem Arbeitsplatz wohlfühlen können. Das stärkt die Bindung ans Unternehmen. Und ich halte eine Arbeitswelt, in der primär im Home-Office gearbeitet wird, für nicht erstrebenswert. Wir hoffen ja alle, dass die Pandemie erfolgreich bekämpft wird und dann geht es um die Möglichkeit eines vernünftigen Ausmaßes von Home-Office.
Wer profitiert vom Home-Office mehr, die Unternehmen oder die Beschäftigten?
Wenn es im Einvernehmen ist und in einem Ausmaß von ein bis zwei Tagen in der Woche, profitieren beide. Wichtig ist, dass die Arbeitgeber Home-Office nicht nur als Möglichkeit für Einsparungen sehen. Das wäre kurzfristig gedacht.
Ich frage auch, weil eine GPAVertreterin unlängst sinngemäß sagte, es sei kein Problem, wenn der Handel schon um 19 Uhr schließt, weil man sich im HomeOffice den Tag anders strukturieren könne, sprich, tagsüber einkaufen gehen. Wobei ja genau das nicht Sinn der Sache ist.
Ein Stück flexibler sind manche im Home-Office schon. Aus dem Handel erhalten wir die Rückmeldung, dass sich die Kundenströme jetzt mehr über den ganzen Tag verteilen und nicht nur auf die Randzeiten. Aber wir wollen natürlich, dass Arbeitszeiten reguliert bleiben und nicht, dass Arbeit und Privates zu sehr verschwimmen.
Aber wie soll es nun sein – flexibler, so dass man auch tagsüber einkaufen kann? Dann muss man halt abends nacharbeiten.
Es war uns ganz wichtig, dass auch im Home-Office die Arbeitsruhe gilt. Es gab Aussagen der früheren Arbeitsministerin, dass die Nachtruhe die Flexibilität einschränkt. Wegen des Homeschooling arbeiten derzeit viele in der Nacht, weil es nicht anders geht.
Der Arbeitsminister will, dass die Kurzarbeit nach Ende Juni langsam ausläuft. Eine gute Idee? Angesichts der permanenten Hiobsbotschaften bezüglich Impfen bin ich überzeugt, dass wir die Corona-Kurzarbeit jedenfalls über den Juni hinaus brauchen werden.
AMS-Chef Johannes Kopf ist auch für ein Auslaufen. Weil Arbeitskräfte in der Kurzarbeit „gehortet“würden, die in anderen Betrieben gebraucht würden.
Ich schätze den Herrn Kopf sehr, aber damit kann ich wenig anfangen. Es ist ein Unterschied, ob man mit 80 oder 55 Prozent des Einkommens auskommen muss. Bei den vielen Arbeitslosen und den wenigen Stellen kann ich diese Rechnung nicht nachvollziehen.
Ist das dann noch Kurzarbeit – oder nicht eher schon ein bedingungsloses Grundeinkommen? Keinesfalls. Beschäftigte in Kurzarbeit müssen jederzeit damit rechnen, kurzfristig ihre Arbeit wieder anzutreten und in der Regel wird auch während der Kurzarbeit permanent Arbeitsleistung erbracht.
Nach Ansicht der Gewerkschaft sollen die Reichen die Kosten der Krise bezahlen, mit einer Vermögensteuer. Wann ist jemand für Sie reich?
Ich würde meinen, Millionäre sind durchaus reich.
Das heißt, eine Million frei verfügbares Vermögen, abgesehen vom Eigenheim?
Unser Ansatz ist eine Steuer zwischen 0,5 und 1,5 Prozent auf Vermögen von über einer Million Euro. Solang man im Eigenheim wohnt, kann man die Steuer stunden. Sie wird erst fällig, wenn man es veräußert. Der Punkt ist, wir haben ein Rekorddefizit und es stellt sich die Frage, wer es bezahlt. Entweder es zahlen die Arbeitnehmer oder man spart beim Sozialstaat, beides ist schlecht. Oder es zahlen eben die, die viel haben.
Es gab schon einmal eine Vermögensteuer, sie wurde 1993 unter einem SPÖ-Finanzminister abgeschafft. Wegen des Verwaltungsaufwands und weil die Steuer fast nur Firmen traf.
Leider wurde sie abgeschafft. Unser Modell trifft nicht die Firmen.
Alle Ökonomen sagen: Wenn Firmen ausgenommen sind – was sinnvoll ist – und auch selbst bewohnte Immobilien, dann kommt kein nennenswerter Betrag zustande. Wie soll das die Krise finanzieren?
Ein Unternehmen als juristische Person soll nicht belastet werden, aber sehr wohl der Eigentümer/ Aktionär, der den Anteil hält. Wenn die Aktien steigen und die Firma bzw. mein Unternehmensanteil somit zum Stichtag mehr als zwei Mio. Euro wert ist, dann muss ich den neuen Wert für die Berechnung der Steuer heranziehen.
Laut Arbeitsminister Martin Kocher und Wifo-Chef Christoph Badelt reduziert allein das künftige Wachstum das Defizit.
Selbst wenn das stimmt, gibt es Bereiche, für die wir Geld brauchen – die Pflege, den Klimawandel. Die Vermögensungleichheit in Österreich hat mittlerweile ein unanständiges, ungesundes Niveau erreicht. Das tut einer Gesellschaft, einer Demokratie nicht gut. Die Aktienkurse schießen in den Himmel, Arbeitnehmer und SoloSelbstständige verlieren viel Einkommen. Da müssen wir gegensteuern. Andere Länder, auch die Schweiz, heben höhere Vermögensteuern ein als Österreich.
Dafür zahlt man in der Schweiz sehr niedrige Einkommensteuern – man kann also Vermögen aufbauen, dafür wird es dann höher besteuert.
Wenn es stimmt, was der Herr Kocher sagt, kann man durchaus überlegen, im Gegenzug die Einkommensteuer weiter zu senken. Aber zunächst soll die Vermögensteuer zusätzlich kommen.
Wollen Sie Wolfgang Katzian an der Spitze des ÖGB nachfolgen? Diese Frage stellt sich nicht.