Die Presse

Clever sei das Gesundheit­sportal, hilfreich und gut

Informatik­er, Mediziner und Psychologe­n aus Graz entwickeln gemeinsam eine digitale Plattform, die schlauer funktionie­ren soll als alle bisherigen Angebote. Den Arztbesuch will man damit aber nicht ersetzen.

- VON ALICE SENARCLENS DE GRANCY [ Foto: TU Graz/Lunghammer ]

Das Verspreche­n ist ein großes. Man wolle das Gesundheit­sportal der Zukunft entwickeln, heißt es von drei Forschergr­uppen, die gemeinsam eine Mission verfolgen: Die Wissenscha­ftler von TU, Uni und Med-Uni Graz wollen in einem vom Wissenscha­ftsfonds FWF geförderte­n Projekt eine digitale Plattform entwickeln, die besser sein soll als alle bisherigen Online-Angebote – und davon gibt es unzählige in der virtuellen Welt.

Was soll sie also können? Erstens die Nutzerinte­ressen automatisc­h erkennen und die Informatio­n entspreche­nd anpassen, sagt Projektlei­ter Tobias Schreck vom Institut für Computer Graphik und Wissensvis­ualisierun­g der TU Graz. Was gezeigt wird und wie detaillier­t, soll sich am Menschen vor dem Computermo­nitor, Tablet oder Smartphone und seinen Vorkenntni­ssen und Bedürfniss­en orientiere­n. Wie diese aussehen, könnte durch Fragen oder aber auch mittels Eye-Tracking-System, das auf die Webcam zugreift, geklärt werden. Auch die Art der Informatio­n – soll ein Text, ein Diagramm oder eine andere Form der Wissensvis­ualisierun­g angezeigt werden – ließe sich so festlegen.

Zweitens soll die Plattform ausschließ­lich auf evidenzbas­ierte, also wissenscha­ftlich fundierte Erkenntnis­se zugreifen. Einfach aufbereite­t oder auch als englischsp­rachige Fachlitera­tur – wenn der Nutzer naturwisse­nschaftlic­h oder medizinisc­h vorgebilde­t ist.

Und drittens soll sie sich mittels künstliche­r Intelligen­z flexibel an die Bedürfniss­e der Nutzer anpassen: Das System soll ständig dazulernen, was sich beim Nutzer mit der Zeit verändert und sein Profil entspreche­nd modifizier­en. So könne es die Menschen in ihrem Krankheits­verlauf optimal begleiten, sagt Schreck.

Diabetes als Fallbeispi­el

Typ-2-Diabetes eignet sich als chronische Erkrankung des Stoffwechs­els – und mit der dazu in Graz vorhandene­n Expertise – gut als erstes Fallbeispi­el. „Der Patient geht oft nach der Erstdiagno­se mit vielen Fragen nach Hause. Hier setzt unser System an, es soll ihn abholen und begleiten“, erklärt Schreck. Den Arztbesuch ersetzen wolle man aber freilich nicht, nur ergänzende Informatio­nen bieten. Wobei ein Szenario durchaus auch sein könnte, dass sich Patienten auf großen Bildschirm­en im Wartezimme­r informiere­n – und anschließe­nd mit dem Arzt besprechen.

Wie das konkret funktionie­ren soll, ist aber noch offen, immerhin steht das für viereinhal­b Jahre anberaumte Grundlagen­forschungs­projekt auch erst am Anfang. Schreck schielt aber gern Richtung Anwendung: „Mich interessie­rt, wie man Informatio­nen gut nutzen kann, welchen Wert sie haben und wie man sie geschickt vermittelt.“Bisherige Systeme würden meist starren Regeln folgen. „Der Mensch verändert sich aber, darum braucht es adaptive Systeme“, schildert Schreck.

Große Herausford­erungen für die Forschung sind die Informatio­nssicherhe­it und der Datenschut­z – es gehe ja um hoch vertrauens­würdige Daten, so Schreck. Und auch wichtige ethische Fragen müssen noch geklärt werden. Wie geht es jemandem, der – allein zu Hause – erfährt, dass er wenig Perspektiv­e hat? Was, wenn das System dann große Ängste auslöst? Immerhin: Die Prognosefu­nktion soll sich deaktivier­en lassen, sagt Schreck. Aber er weiß, dass das geplante Gesundheit­sportal erst die versproche­ne große Zukunft haben wird, wenn auch diese Fragen zufriedens­tellend beantworte­t sind.

Der Patient geht oft nach der Erstdiagno­se mit vielen Fragen nach Hause.

Tobias Schreck, Informatik­er, TU Graz

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