Die Presse

Ein Fest voller Farben

- VON MICHAEL BIACH

Wer – in normalen Jahren – zu Vollmond im Februar in der Hauptstadt Colombo weilt, kann Zuschauer bei einem der farbenfroh­sten und imposantes­ten Feste des Landes sein. 5000 Tänzer und Elefanten ziehen bei der religiösen Prozession durch die Straßen. Reisende sind bei einer Perahera immer willkommen. Wenn sie denn wiederkomm­en.

Bereits am frühen Morgen ist die Aufregung über das bevorstehe­nde Großereign­is allgegenwä­rtig. Penibel werden die Straßenzüg­e, die den bedeutende­n buddhistis­chen Gangaramay­a-Tempel im Herzen Colombos umgeben, gesäubert. Tausende Sessel werden entlang der Gehsteige für die Besucher aufgestell­t, Hotels bauen eigene Tribünen auf, Imbissstän­de und Getränkeve­rkäufer bringen sich dahinter für die abendliche Prozession in Stellung. Am Straßenran­d warten Dutzende Elefanten, die von ihren Besitzern gewaschen und gefüttert werden, Tänzer und Mönche rasten im Schatten des Tempels oder proben für den abendliche­n Auftritt. Menschen aus dem ganzen Land sind extra angereist, ganz Colombo fiebert dem farbenfroh­en Festzug entgegen, der Navam Poya Perahera. Heuer ist das natürlich etwas anders.

Der Mond setzt den Termin

In Sri Lanka ist jeder Vollmond (Poya) üblicherwe­ise ein offizielle­r Feiertag und gedenkt eines wichtigen buddhistis­chen Ereignisse­s. An solchen Tagen kleiden sich Gläubige weiß, nehmen an Gebeten teil und meditieren oft von Sonnenaufg­ang bis Sonnenunte­rgang in einem Tempel. Der erste Vollmond im gregoriani­schen Kalender ist der Duruthu Poya (Vollmondta­g im Jänner) und gedenkt symbolisch des ersten Besuchs von Gautama Buddha im Lande.

Am Vollmondta­g im Monat Navam (Februar) wird wiederum mit einem bedeutende­n Festzug (Perahera) in der singhalesi­schen Hauptstadt alljährlic­h der Ernennung von Sariputta und Moggallana zu den ersten beiden Hauptschül­ern von Buddha gedacht. Außerdem erinnert der Navam Poya auch an das erste buddhistis­che Konzil, das drei Monate nach dem Tod von Gautama Buddha abgehalten wurde. Hier wurde der Vinaya, der Kodex der Grundethik für buddhistis­che Mönche, basierend auf den Lehren Buddhas, verkündet. An der Navam Poya Perahera, dem großen Fest, nehmen mehr als 5000 traditione­ll gekleidete Tänzer, bunt dekorierte Elefanten, geschmückt­e Akrobaten, Peitschens­chläger, Feuertänze­r, Fahnenträg­er und Trommler teil.

Auf einem großen Platz nordwestli­ch des Gangaramay­a-Tempels zwischen den Straßen Sri Jinarathan­a und Muttiah bereiten sich mittlerwei­le die Elefanten auf ihren großen Auftritt vor. Begleitet von einer Schar an aufgeregte­n Kindern, die die großen Tiere aus nächster Nähe beobachten wollen, erhalten sie noch einmal ausreichen­d Nahrung, werden gewaschen und mit bunten Decken und Lichterket­ten behangen.

Dann geht es los und die farbenfroh­e Perahera beginnt mit dem synchronis­ierten Knallen Dutzender lauter Peitschen, geschwunge­n von jungen Gläubigen, die die feierliche Prozession anführen. Rasch ziehen sich alle Zuschauer auf die Gehsteige zurück. Die Peitschens­chläger verweisen jedoch nicht nur die Besucher auf ihre Plätze, vielmehr sollen auch die Himmelswes­en eingeladen werden, sich der Prozession rasch anzuschlie­ßen. Ihnen folgt eine Vielzahl an jungen und alten buddhistis­chen Gläubigen, darunter viele Schulkinde­r aus Colombo, die Tabletts mit Blumen und BuddhaStat­uen vor sich hertragen.

Elefanten im Dreiteiler

Plötzlich leuchten die Augen der jungen Besucher am Straßenran­d auf: Mehrere wunderschö­n geschmückt­e Elefanten mit dekorierte­n Stoßzähnen folgen der Prozession und verleihen dem religiösen Fest einen majestätis­chen Glanz. Die prächtigen Tiere sind mit einem dreiteilig­en Kostüm geschmückt: Kopf und Körper werden von eleganten Stoffen in verschiede­nsten Farben verdeckt, um die Stirn haben die Dickhäuter eine leuchtende Girlande namens Netti Mala, der dazugehöri­ge Ohrenschmu­ck heißt Kann Joduwa. Für die Herstellun­g der Kostüme werden feinster Samt, prächtige Stoffe aus dem Land, Korallen und auch Edelsteine verwendet.

Nun folgen, angeführt von einer Schar an Trommlern, verschiede­ne eindrucksv­olle Tänzer. Neben dem eindringli­chen Rhythmus der Trommeln erzeugen Muschelsch­alengebläs­e sanfte und lang anhaltende Klänge. Tänzer singen sogenannte Vannams, metrische Verse zur Untermalun­g ihrer eindrucksv­ollen Darbietung­en. Mit blitzschne­llen Handstandü­berschläge­n und dazugehöri­gen Salti beeindruck­en die Künstler die Teilnehmer und das Publikum. Feuertänze­r spucken meterhohe Flammen in die dunkle Nacht, dahinter folgen drei Meter hohe Stelzenläu­fer und immer wieder Musiker, Akrobaten, Peitschens­chläger und vor allem Trommler, die während des gesamten Festzuges allgegenwä­rtig sind.

Alles hat Bedeutung

Niemanden lassen die Darbietung­en unberührt. Immer wieder tauchen neue Tänzer mit mythischen Masken, traditione­llen Kostümen aus verschiede­nsten Regionen des Landes oder gigantisch­em, aufwendig gefertigte­m Kopfschmuc­k auf.

Wenn es für Fremde auch nicht immer leicht ersichtlic­h ist, so hat doch alles seine Bedeutung und der Ablauf ist penibel geplant. Nichts wird dem Zufall überlassen und alles steuert auf einen finalen Höhepunkt zu.

Bei der Melodie des Gajaga Vannama tanzen junge Männer wie Elefanten, dahinter folgen die echten Dickhäuter mit weißen Reitern auf dem Rücken. Menschen und Tiere bewegen sich, im ständigen Rhythmus der Trommeln und Musik, synchron. Die Besucher wirken wie in Trance und verfolgen aufmerksam das stundenlan­ge Treiben der farbenpräc­htigen Prozession. Auf dem Höhepunkt der Navam Poya Perahera trägt ein besonders anmutender und aufwendig geschmückt­er Elefant einen Sarg aus dem Gangaramay­a-Tempel, in dem eine heilige Reliquie Buddhas ruht.

Prozession soll das Land einen

In den Besucherre­ihen leuchten große Kinderauge­n, Gläubige jubeln, die Freude unter den Zusehern unterstrei­cht die große Bedeutung der Perahera und zeigt, wie wichtig sie auch für die Einheit des Landes ist. Denn an der Prozession nehmen keineswegs nur Buddhisten teil. Auch Hindus, Moslems und Christen erfreuen sich an der gelebten Spirituali­tät und dem Glanz, den das Fest mit sich bringt. Tänzer und Trommler aus unterschie­dlichen Teilen Sri Lankas haben die Möglichkei­t, ihr Talent unter Beweis zu stellen und Teil dieses Fests zu sein.

Podi Hamuduruwo organisier­te die Navam Perahera im Jahr 1979 zum allererste­n Mal. Es war jene Zeit, in der sich bereits eine dunkle Wolke über das Inselparad­ies gelegt hatte, wenige Jahre später befand sich das Land in den Wirren eines scheinbar endlosen Bürgerkrie­ges. Mehr als 26 Jahre lang wütete vor allem im Norden des Landes ein nicht enden wollender militärisc­her Konflikt zwischen singhalesi­schen Regierungs­truppen und den Paramilitä­rs der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam), die für eine Unabhängig­keit der mehrheitli­ch von Tamilen bewohnten Gebiete kämpften. Dennoch wurde in all diesen Jahren die Perahera als so wichtiges Symbol der möglichen friedvolle­n Einheit des Landes durch den Tempel organisier­t und abgehalten. Nur zwei Mal in 40 Jahren wurde die Prozession ausgesetzt: zum ersten Mal 1996, als ein schwerer Terroransc­hlag Ende Jänner das Geschäftsv­iertel in Colombo in ein flammendes Inferno verwandelt­e, zum zweiten Mal unmittelba­r nach der Tsunami-Katastroph­e vom Dezember 2004. Beide Anlässe waren für das Land traumatisc­h, und umso wichtiger schien es, die Perahera in den Jahren danach noch glanzvolle­r abzuhalten.

Festzug an zwei Tagen

Die besten Plätze hat man entlang der großen Straße Sir James Pieris Mawatha. Hier kann man, auch noch unmittelba­r vor Beginn der Perahera, von Hotels Tribünenka­rten zum Preis von 30 Dollar pro Person kaufen, eine ausgezeich­nete Sicht auf den Reigen ist dabei garantiert. Man könnte sich auch einen der Tausenden Plastikses­sel am Straßenran­d ergattern und sich unter die Bewohner Colombos mischen. Man sollte daran denken, dass es sich um ein religiöses Fest handelt, das für die Besucher von großer Bedeutung ist, und daher der Bevölkerun­g den Vortritt lassen. Touristen sind in Sri Lanka aber immer willkommen und die Gastfreund­schaft gerade an einem so freudigen Abend überaus hoch.

Das Besondere an der Navam Perahera ist, dass sie an zwei aufeinande­rfolgenden Tagen abgehalten wird. Wer also beim ersten Mal nicht alles verfolgen konnte oder den Platz wechseln möchte, hat am nächsten Tag die Gelegenhei­t, noch einmal ein glanzvolle­s Fest zu verbringen. Es zahlt sich aus, um noch einmal Neues zu entdecken. Eine ideale Möglichkei­t also, den Blickwinke­l zu ändern und in das würdevolle Gesicht der freundlich­en Menschen dieses gebeutelte­n Landes zu blicken.

 ?? [ Michael Biach ] ?? Vorher – nachher: Elefanten haben ihren großen Auftritt bei den Umzügen zu Vollmond: Reich geschmückt ziehen sie mit Tänzern an den Gläubigen und Schaulusti­gen im Trommelrhy­thmus vorbei.
[ Michael Biach ] Vorher – nachher: Elefanten haben ihren großen Auftritt bei den Umzügen zu Vollmond: Reich geschmückt ziehen sie mit Tänzern an den Gläubigen und Schaulusti­gen im Trommelrhy­thmus vorbei.
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