Ein Fest voller Farben
Wer – in normalen Jahren – zu Vollmond im Februar in der Hauptstadt Colombo weilt, kann Zuschauer bei einem der farbenfrohsten und imposantesten Feste des Landes sein. 5000 Tänzer und Elefanten ziehen bei der religiösen Prozession durch die Straßen. Reisende sind bei einer Perahera immer willkommen. Wenn sie denn wiederkommen.
Bereits am frühen Morgen ist die Aufregung über das bevorstehende Großereignis allgegenwärtig. Penibel werden die Straßenzüge, die den bedeutenden buddhistischen Gangaramaya-Tempel im Herzen Colombos umgeben, gesäubert. Tausende Sessel werden entlang der Gehsteige für die Besucher aufgestellt, Hotels bauen eigene Tribünen auf, Imbissstände und Getränkeverkäufer bringen sich dahinter für die abendliche Prozession in Stellung. Am Straßenrand warten Dutzende Elefanten, die von ihren Besitzern gewaschen und gefüttert werden, Tänzer und Mönche rasten im Schatten des Tempels oder proben für den abendlichen Auftritt. Menschen aus dem ganzen Land sind extra angereist, ganz Colombo fiebert dem farbenfrohen Festzug entgegen, der Navam Poya Perahera. Heuer ist das natürlich etwas anders.
Der Mond setzt den Termin
In Sri Lanka ist jeder Vollmond (Poya) üblicherweise ein offizieller Feiertag und gedenkt eines wichtigen buddhistischen Ereignisses. An solchen Tagen kleiden sich Gläubige weiß, nehmen an Gebeten teil und meditieren oft von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in einem Tempel. Der erste Vollmond im gregorianischen Kalender ist der Duruthu Poya (Vollmondtag im Jänner) und gedenkt symbolisch des ersten Besuchs von Gautama Buddha im Lande.
Am Vollmondtag im Monat Navam (Februar) wird wiederum mit einem bedeutenden Festzug (Perahera) in der singhalesischen Hauptstadt alljährlich der Ernennung von Sariputta und Moggallana zu den ersten beiden Hauptschülern von Buddha gedacht. Außerdem erinnert der Navam Poya auch an das erste buddhistische Konzil, das drei Monate nach dem Tod von Gautama Buddha abgehalten wurde. Hier wurde der Vinaya, der Kodex der Grundethik für buddhistische Mönche, basierend auf den Lehren Buddhas, verkündet. An der Navam Poya Perahera, dem großen Fest, nehmen mehr als 5000 traditionell gekleidete Tänzer, bunt dekorierte Elefanten, geschmückte Akrobaten, Peitschenschläger, Feuertänzer, Fahnenträger und Trommler teil.
Auf einem großen Platz nordwestlich des Gangaramaya-Tempels zwischen den Straßen Sri Jinarathana und Muttiah bereiten sich mittlerweile die Elefanten auf ihren großen Auftritt vor. Begleitet von einer Schar an aufgeregten Kindern, die die großen Tiere aus nächster Nähe beobachten wollen, erhalten sie noch einmal ausreichend Nahrung, werden gewaschen und mit bunten Decken und Lichterketten behangen.
Dann geht es los und die farbenfrohe Perahera beginnt mit dem synchronisierten Knallen Dutzender lauter Peitschen, geschwungen von jungen Gläubigen, die die feierliche Prozession anführen. Rasch ziehen sich alle Zuschauer auf die Gehsteige zurück. Die Peitschenschläger verweisen jedoch nicht nur die Besucher auf ihre Plätze, vielmehr sollen auch die Himmelswesen eingeladen werden, sich der Prozession rasch anzuschließen. Ihnen folgt eine Vielzahl an jungen und alten buddhistischen Gläubigen, darunter viele Schulkinder aus Colombo, die Tabletts mit Blumen und BuddhaStatuen vor sich hertragen.
Elefanten im Dreiteiler
Plötzlich leuchten die Augen der jungen Besucher am Straßenrand auf: Mehrere wunderschön geschmückte Elefanten mit dekorierten Stoßzähnen folgen der Prozession und verleihen dem religiösen Fest einen majestätischen Glanz. Die prächtigen Tiere sind mit einem dreiteiligen Kostüm geschmückt: Kopf und Körper werden von eleganten Stoffen in verschiedensten Farben verdeckt, um die Stirn haben die Dickhäuter eine leuchtende Girlande namens Netti Mala, der dazugehörige Ohrenschmuck heißt Kann Joduwa. Für die Herstellung der Kostüme werden feinster Samt, prächtige Stoffe aus dem Land, Korallen und auch Edelsteine verwendet.
Nun folgen, angeführt von einer Schar an Trommlern, verschiedene eindrucksvolle Tänzer. Neben dem eindringlichen Rhythmus der Trommeln erzeugen Muschelschalengebläse sanfte und lang anhaltende Klänge. Tänzer singen sogenannte Vannams, metrische Verse zur Untermalung ihrer eindrucksvollen Darbietungen. Mit blitzschnellen Handstandüberschlägen und dazugehörigen Salti beeindrucken die Künstler die Teilnehmer und das Publikum. Feuertänzer spucken meterhohe Flammen in die dunkle Nacht, dahinter folgen drei Meter hohe Stelzenläufer und immer wieder Musiker, Akrobaten, Peitschenschläger und vor allem Trommler, die während des gesamten Festzuges allgegenwärtig sind.
Alles hat Bedeutung
Niemanden lassen die Darbietungen unberührt. Immer wieder tauchen neue Tänzer mit mythischen Masken, traditionellen Kostümen aus verschiedensten Regionen des Landes oder gigantischem, aufwendig gefertigtem Kopfschmuck auf.
Wenn es für Fremde auch nicht immer leicht ersichtlich ist, so hat doch alles seine Bedeutung und der Ablauf ist penibel geplant. Nichts wird dem Zufall überlassen und alles steuert auf einen finalen Höhepunkt zu.
Bei der Melodie des Gajaga Vannama tanzen junge Männer wie Elefanten, dahinter folgen die echten Dickhäuter mit weißen Reitern auf dem Rücken. Menschen und Tiere bewegen sich, im ständigen Rhythmus der Trommeln und Musik, synchron. Die Besucher wirken wie in Trance und verfolgen aufmerksam das stundenlange Treiben der farbenprächtigen Prozession. Auf dem Höhepunkt der Navam Poya Perahera trägt ein besonders anmutender und aufwendig geschmückter Elefant einen Sarg aus dem Gangaramaya-Tempel, in dem eine heilige Reliquie Buddhas ruht.
Prozession soll das Land einen
In den Besucherreihen leuchten große Kinderaugen, Gläubige jubeln, die Freude unter den Zusehern unterstreicht die große Bedeutung der Perahera und zeigt, wie wichtig sie auch für die Einheit des Landes ist. Denn an der Prozession nehmen keineswegs nur Buddhisten teil. Auch Hindus, Moslems und Christen erfreuen sich an der gelebten Spiritualität und dem Glanz, den das Fest mit sich bringt. Tänzer und Trommler aus unterschiedlichen Teilen Sri Lankas haben die Möglichkeit, ihr Talent unter Beweis zu stellen und Teil dieses Fests zu sein.
Podi Hamuduruwo organisierte die Navam Perahera im Jahr 1979 zum allerersten Mal. Es war jene Zeit, in der sich bereits eine dunkle Wolke über das Inselparadies gelegt hatte, wenige Jahre später befand sich das Land in den Wirren eines scheinbar endlosen Bürgerkrieges. Mehr als 26 Jahre lang wütete vor allem im Norden des Landes ein nicht enden wollender militärischer Konflikt zwischen singhalesischen Regierungstruppen und den Paramilitärs der LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam), die für eine Unabhängigkeit der mehrheitlich von Tamilen bewohnten Gebiete kämpften. Dennoch wurde in all diesen Jahren die Perahera als so wichtiges Symbol der möglichen friedvollen Einheit des Landes durch den Tempel organisiert und abgehalten. Nur zwei Mal in 40 Jahren wurde die Prozession ausgesetzt: zum ersten Mal 1996, als ein schwerer Terroranschlag Ende Jänner das Geschäftsviertel in Colombo in ein flammendes Inferno verwandelte, zum zweiten Mal unmittelbar nach der Tsunami-Katastrophe vom Dezember 2004. Beide Anlässe waren für das Land traumatisch, und umso wichtiger schien es, die Perahera in den Jahren danach noch glanzvoller abzuhalten.
Festzug an zwei Tagen
Die besten Plätze hat man entlang der großen Straße Sir James Pieris Mawatha. Hier kann man, auch noch unmittelbar vor Beginn der Perahera, von Hotels Tribünenkarten zum Preis von 30 Dollar pro Person kaufen, eine ausgezeichnete Sicht auf den Reigen ist dabei garantiert. Man könnte sich auch einen der Tausenden Plastiksessel am Straßenrand ergattern und sich unter die Bewohner Colombos mischen. Man sollte daran denken, dass es sich um ein religiöses Fest handelt, das für die Besucher von großer Bedeutung ist, und daher der Bevölkerung den Vortritt lassen. Touristen sind in Sri Lanka aber immer willkommen und die Gastfreundschaft gerade an einem so freudigen Abend überaus hoch.
Das Besondere an der Navam Perahera ist, dass sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen abgehalten wird. Wer also beim ersten Mal nicht alles verfolgen konnte oder den Platz wechseln möchte, hat am nächsten Tag die Gelegenheit, noch einmal ein glanzvolles Fest zu verbringen. Es zahlt sich aus, um noch einmal Neues zu entdecken. Eine ideale Möglichkeit also, den Blickwinkel zu ändern und in das würdevolle Gesicht der freundlichen Menschen dieses gebeutelten Landes zu blicken.