Wer könnte Brandstetter absetzen?
Amtsenthebung. Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs haben keinen Vorgesetzten, und sie sind besonders geschützt. Wer sich als vertrauensunwürdig erweist, kann zwar suspendiert werden oder sein Amt ganz verlieren. Aber über all diese Fragen entscheid
Wien. „Wolfgang Brandstetter hat erklärt, dass er seine Aufgaben als Verfassungsrichter weiter wahrnehmen wird“, berichtete VfGHPräsident Christoph Grabenwarter am Freitag. Brandstetter wird weiter an der laufenden Session der 14 Richter teilnehmen. Während der Sektionschef für Straflegistik im Justizministerium, Christian Pilnacek, vorläufig suspendiert wurde, ist so eine Maßnahme bei dem von der Staatsanwaltschaft ebenfalls als Beschuldigten geführten Richter gar nicht so einfach möglich. Brandstetter bestreitet, als Justizminister Interna aus einem Strafverfahren verraten zu haben; für ihn gilt, wie auch für Pilnacek, die Unschuldsvermutung. Aber welche Möglichkeiten gäbe es, einen in Misskredit gelangten Verfassungsrichter abzusetzen oder zu suspendieren?
Die Gründe für die Absetzung eines VfGH-Richters sind in § 10 des Verfassungsgerichtshofgesetzes verankert. So verliert man die Funktion, wenn man ein politisches Amt annimmt, wenn man drei aufeinanderfolgende Einladungen zu einer VfGH-Verhandlung ignoriert oder gesundheitlich nicht mehr fit genug ist. Aber man kann den Job am VfGH auch dann verlieren, wenn man sich „durch sein Verhalten im Amt oder außerhalb des Amtes der Achtung und des Vertrauens, die sein Amt erfordert, unwürdig gezeigt oder die Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit gröblich verletzt hat“. Wann jemand unwürdig geworden ist, entscheidet der VfGH selbst. Es ist nicht nötig, dass jemand dafür strafrechtlich verurteilt wurde.
Bevor es zu einer Amtsenthebung kommt, hat der VfGH-Präsident das in Zweifel gezogene Mitglied zu vernehmen. Nachdem man zu der Causa den Generalprokurator angehört hat, kann das Richtergremium selbst das Enthebungsverfahren gegen einen der Ihren einleiten. Für den Beschluss reiche eine einfache Mehrheit der Richter, wie Karl Stöger, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Wien, erläutert. Und im Rahmen dieses Beschlusses könne ein Mitglied bereits vorläufig des Amts enthoben werden.
Zweidrittelmehrheit nötig
Um aber einen VfGH-Richter endgültig abzusetzen, bedarf es einer breiteren Mehrheit. Zwei Drittel der Richter müssen zu dem Schluss kommen, dass ihr Kollege seines Amts unwürdig ist.
Sein Status als Beschuldigter in einem laufenden Verfahren widerspreche nicht den Anforderungen an einen VfGH-Richter, ließ Brandstetter am Freitag über Grabenwarter ausrichten. Dass ein VfGH-Richter von seinen Kollegen abberufen wird, gab es auch noch nie. Für Debatten hatte aber Richter Johannes Schnizer im Jahr 2016 gesorgt. Er hatte in Medien die Meinung vertreten, die FPÖ habe einer Anfechtung der HofburgWahl bereits vor dem Urnengang vorbereitet. Eine heikle Aussage, hatte doch der VfGH zuvor die Wahl aufgehoben. Die FPÖ war verärgert, auch manch Richterkollege war der Meinung, dass Schnizer dem Gerichtshof einen Bärendienst erwiesen habe. Die Situation wurde mit einem offenen Brief kalmiert, in dem sich Schnizer entschuldigte.
Möglich wäre es, dass sich ein Richter beurlauben lässt, bis Vorwürfe geklärt sind. Es gab aber auch schon einen konkreten Anlauf für ein Amtsenthebungsverfahren – initiiert 2001 vom damaligen VfGH-Präsidenten Ludwig Adamovich gegen sich selbst. Das war eine Reaktion darauf, dass der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider (FPÖ) im Zusammenhang mit einem Ortstafelurteil Vorwürfe gegen Adamovich gerichtet hatte. Bereits der Generalprokurator erklärte, dass Adamovich nichts vorzuwerfen sei. Das Richterkollegium schloss sich dem an und leitete kein Amtsenthebungsverfahren ein.