Weg frei für weltweite Digitalsteuer
Die USA zeigen sich bei Verhandlungen über eine Besteuerung der Internet-konzerne kompromissbereit.
„Die USA halten nicht länger an der Safe-HarbourKlausel fest.“Janet Yellen, US-Finanzministerin
Wien. Sie waren die großen Gewinner der Pandemie: Während der Rest der Wirtschaft unterging, gingen die Gewinne der amerikanischen Technologiekonzerne von Apple über Microsoft bis Amazon durch die Decke. Im globalen Streit darüber, wie und wo die Gewinne dieser virtuellen Riesen am besten besteuert werden sollten, gab es bis zuletzt kaum Bewegung. Doch das ist nun vorbei. Am Wochenende machten die USA den Weg frei für eine echte, weltweite Digitalsteuer.
Seit Jahren müht sich die EU, endlich auch ein größeres Stück vom Kuchen abzubekommen, den amerikanische Internetkonzerne mit dem Verkauf von Onlinewerbung, Daten und Diensten in der EU verdienen. Denn bisher machen die Firmen ihr Geschäft zwar weltweit im digitalen Raum, Steuern bezahlen sie aber oft nur in ihrem Heimatland USA und in ausgewählten Staaten mit besonders niedrigen Steuersätzen wie etwa Irland. Um das zu ändern, soll die Steuerlast künftig nicht da anfallen, wo der Gewinn verbucht wird, sondern dort, wo der Umsatz erwirtschaftetet wird. Damit die Digitalsteuer auch wirken kann, muss sie global anerkannt werden.
Verzicht auf Freiwilligkeit
Während die USA eine solche weltweite Lösung bisher stets verhindert hatten, machte Joe Bidens neue Finanzministerin Janet Yellen nun die Tür für eine globale Lösung einen großen Spalt auf. „Die USA halten nicht länger an der SafeHarbour-Klausel fest“, teilte sie den Finanzministern der G20-Länder bei einem virtuellen Treffen mit. Mit diesem Passus hatte der frühere US-Präsident Donald Trump seit 2019 jeglichen Fortschritt bei der multinationalen Besteuerung von Techkonzernen zum Erliegen gebracht. Kurz gefasst hätten sich die Unternehmen nach dem alten Vorschlag der Amerikaner nämlich selbst aussuchen können, ob sie unter die neuen Steuerregeln fallen oder nicht.
Washingtons Abkehr von diesem Dogma sorgte vor allem bei europäischen Politikern für mittelschwere Euphorie. Denn damit bekommen die de facto gescheiterten Verhandlungen unter dem Dach der OECD noch eine echte Chance. Der italienische Finanzminister Daniele Franco rechnet damit, dass bis zum Sommer eine Lösung gefunden sein sollte. Diese soll nicht nur die Ausgestaltung der neuen Steuerregeln beinhalten, sondern auch eine globale Mindeststeuer. „Die neue Position der USA ist sehr wichtig“, sagte er. „Bis dahin saßen wir in der Sackgasse.“
Angesichts der trüben Aussichten auf eine internationale Einigung preschten in den vergangenen Jahren etliche Staaten in Europa mit nationalen Digitalsteuern vor. Den Anfang machte Frankreich, aber auch Italien, Spanien, Großbritannien und nicht zuletzt Österreich zogen bald nach. All diesen Ländern hatte die alte US-Führung noch mit Vergeltung gedroht.
Stattdessen könnten nun die Verhandlungen zwischen 140 Staaten doch noch zu einem guten Ende geführt werden. Doch selbst wenn im Sommer ein finaler Entwurf daliegt, bis Google und Co. wirklich Digitalsteuern bezahlen müssen, ist der Weg noch weit.
100 Mrd. US-Dollar
Das hat vor allem einen Grund: Es geht um sehr, sehr viel Geld. Nach Schätzungen der OECD müssten die Digitalkonzerne nach einer globalen Einigung damit rechnen, dass sie um 60 bis 100 Milliarden US-Dollar (50 bis 83 Mrd. Euro) mehr Steuern im Jahr zu bezahlen hätten. Immerhin vier Prozent der gesamten Gewinnsteuer, die Unternehmen bisher weltweit abliefern. Selbst wenn die Blockade der USA vom Tisch ist, bleibt die Frage ungelöst, wie dieser Kuchen zwischen den Ländern verteilt werden soll. Zudem müsste eine finale Regelung in den USA den US-Kongress passieren. Auch dort ist Widerstand zu erwarten.
Indes arbeitet auch die Europäische Union weiter an ihrem Plan B. Sie hat schon vor Jahren angekündigt, die europäischen Umsätze der Technologiekonzerne mit bis zu drei Prozent besteuern zu wollen. Sollte eine weltweite Steuer erneut scheitern, will die Union noch in diesem Sommer eine eigene EU-weite Digitalsteuer einführen. Auch hier müssen alle Mitgliedstaaten zustimmen. Doch der Druck auf Bremser wie Irland ist gestiegen. Und daran hat auch Corona Mitschuld: Brüssel braucht dringend Kapital, um den Wiederaufbau nach der Coronakrise zu finanzieren. Da kommen die großen Gewinner der Pandemie als Geldgeber wie gerufen.