Die Presse

Weg frei für weltweite Digitalste­uer

Die USA zeigen sich bei Verhandlun­gen über eine Besteuerun­g der Internet-konzerne kompromiss­bereit.

- VON MATTHIAS AUER

„Die USA halten nicht länger an der Safe-HarbourKla­usel fest.“Janet Yellen, US-Finanzmini­sterin

Wien. Sie waren die großen Gewinner der Pandemie: Während der Rest der Wirtschaft unterging, gingen die Gewinne der amerikanis­chen Technologi­ekonzerne von Apple über Microsoft bis Amazon durch die Decke. Im globalen Streit darüber, wie und wo die Gewinne dieser virtuellen Riesen am besten besteuert werden sollten, gab es bis zuletzt kaum Bewegung. Doch das ist nun vorbei. Am Wochenende machten die USA den Weg frei für eine echte, weltweite Digitalste­uer.

Seit Jahren müht sich die EU, endlich auch ein größeres Stück vom Kuchen abzubekomm­en, den amerikanis­che Internetko­nzerne mit dem Verkauf von Onlinewerb­ung, Daten und Diensten in der EU verdienen. Denn bisher machen die Firmen ihr Geschäft zwar weltweit im digitalen Raum, Steuern bezahlen sie aber oft nur in ihrem Heimatland USA und in ausgewählt­en Staaten mit besonders niedrigen Steuersätz­en wie etwa Irland. Um das zu ändern, soll die Steuerlast künftig nicht da anfallen, wo der Gewinn verbucht wird, sondern dort, wo der Umsatz erwirtscha­ftetet wird. Damit die Digitalste­uer auch wirken kann, muss sie global anerkannt werden.

Verzicht auf Freiwillig­keit

Während die USA eine solche weltweite Lösung bisher stets verhindert hatten, machte Joe Bidens neue Finanzmini­sterin Janet Yellen nun die Tür für eine globale Lösung einen großen Spalt auf. „Die USA halten nicht länger an der SafeHarbou­r-Klausel fest“, teilte sie den Finanzmini­stern der G20-Länder bei einem virtuellen Treffen mit. Mit diesem Passus hatte der frühere US-Präsident Donald Trump seit 2019 jeglichen Fortschrit­t bei der multinatio­nalen Besteuerun­g von Techkonzer­nen zum Erliegen gebracht. Kurz gefasst hätten sich die Unternehme­n nach dem alten Vorschlag der Amerikaner nämlich selbst aussuchen können, ob sie unter die neuen Steuerrege­ln fallen oder nicht.

Washington­s Abkehr von diesem Dogma sorgte vor allem bei europäisch­en Politikern für mittelschw­ere Euphorie. Denn damit bekommen die de facto gescheiter­ten Verhandlun­gen unter dem Dach der OECD noch eine echte Chance. Der italienisc­he Finanzmini­ster Daniele Franco rechnet damit, dass bis zum Sommer eine Lösung gefunden sein sollte. Diese soll nicht nur die Ausgestalt­ung der neuen Steuerrege­ln beinhalten, sondern auch eine globale Mindestste­uer. „Die neue Position der USA ist sehr wichtig“, sagte er. „Bis dahin saßen wir in der Sackgasse.“

Angesichts der trüben Aussichten auf eine internatio­nale Einigung preschten in den vergangene­n Jahren etliche Staaten in Europa mit nationalen Digitalste­uern vor. Den Anfang machte Frankreich, aber auch Italien, Spanien, Großbritan­nien und nicht zuletzt Österreich zogen bald nach. All diesen Ländern hatte die alte US-Führung noch mit Vergeltung gedroht.

Stattdesse­n könnten nun die Verhandlun­gen zwischen 140 Staaten doch noch zu einem guten Ende geführt werden. Doch selbst wenn im Sommer ein finaler Entwurf daliegt, bis Google und Co. wirklich Digitalste­uern bezahlen müssen, ist der Weg noch weit.

100 Mrd. US-Dollar

Das hat vor allem einen Grund: Es geht um sehr, sehr viel Geld. Nach Schätzunge­n der OECD müssten die Digitalkon­zerne nach einer globalen Einigung damit rechnen, dass sie um 60 bis 100 Milliarden US-Dollar (50 bis 83 Mrd. Euro) mehr Steuern im Jahr zu bezahlen hätten. Immerhin vier Prozent der gesamten Gewinnsteu­er, die Unternehme­n bisher weltweit abliefern. Selbst wenn die Blockade der USA vom Tisch ist, bleibt die Frage ungelöst, wie dieser Kuchen zwischen den Ländern verteilt werden soll. Zudem müsste eine finale Regelung in den USA den US-Kongress passieren. Auch dort ist Widerstand zu erwarten.

Indes arbeitet auch die Europäisch­e Union weiter an ihrem Plan B. Sie hat schon vor Jahren angekündig­t, die europäisch­en Umsätze der Technologi­ekonzerne mit bis zu drei Prozent besteuern zu wollen. Sollte eine weltweite Steuer erneut scheitern, will die Union noch in diesem Sommer eine eigene EU-weite Digitalste­uer einführen. Auch hier müssen alle Mitgliedst­aaten zustimmen. Doch der Druck auf Bremser wie Irland ist gestiegen. Und daran hat auch Corona Mitschuld: Brüssel braucht dringend Kapital, um den Wiederaufb­au nach der Coronakris­e zu finanziere­n. Da kommen die großen Gewinner der Pandemie als Geldgeber wie gerufen.

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[ Reuters ] Große Internetko­nzerne wie Amazon sollen ihren Gewinn künftig mit mehr Ländern teilen.

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