Die Presse

Hände weg von Maurers Stinkefing­er

FPÖ darf bildliche Botschaft an Hassposter nicht zweckentfr­emden.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Es ist eines der meistgetei­lten Bilder der vergangene­n Jahre: Die grüne Politikeri­n Sigrid Maurer sitzt auf einem Sessel, in der rechten Hand hält sie ein Glas Sekt, mit der linken zeigt sie den Stinkefing­er. Das im November 2017 von Maurer auf Twitter gepostete Bild wurde von manchen zwar als Botschaft zum damaligen Abschied der Grünen aus dem Parlament gedeutet. Maurer betont aber, das mit dem Zusatz „to the haters with love“online gestellte Foto sei eine Botschaft gegen ihre Hassposter gewesen. Juristisch galt es nun vor allem eines zu klären: Muss Maurer es sich gefallen lassen, dass das Foto in anderem Zusammenha­ng zur politische­n Kritik an ihr verwendet wird?

Die Grünen kamen 2019 ins Parlament zurück. Maurer wurde Klubobfrau – und als solche von der FPÖ ins Visier genommen. Diese veröffentl­ichte im April 2020 auf Facebook ein Bild einer älteren Dame und daneben Maurers Stinkefing­er-Foto. „Schluss mit der Verhöhnung unserer Pensionist­en, Frau Maurer!“war daneben zu lesen. Die FPÖ warf Maurer vor, sie empfehle „den von der Coronakris­e gebeutelte­n Pensionist­en, ihre Wertgegens­tände in die Pfandleiha­nstalt zu tragen und sich zu verschulde­n“.

Die Werknutzun­gsrechte an ihrem Bild hat Maurer inne. Sie beantragte eine Sicherungs­verfügung, laut der die Freiheitli­chen das Foto nicht verwenden dürfen. Die beiden ersten Instanzen gaben Maurer recht, ebenso nun der Oberste Gerichtsho­f (OGH).

OGH: Falscher Eindruck erweckt

Zum einen ging es um die Frage, ob es sich um ein zulässiges Bildzitat handelt. Ein solches, so betonte der OGH, müsse „erkennbar der Auseinande­rsetzung mit dem übernommen­en Werk dienen“. Das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung sei mit jenem des Rechteinha­bers am Bild abzuwägen. Die FPÖ aber gehe zu weit. Maurer habe das Bild im Zusammenha­ng mit Hasspostin­gs, die sie im Zuge einer Debatte um behauptete sexuelle Übergriffe von Peter Pilz erhielt, gemacht. Die FPÖ aber habe es zu einem anderen Thema verwendet. Damit wird laut dem OGH der Eindruck erweckt, Maurer befürworte „eine herzlose und kalte Politik“, indem sie bedürftige Pensionist­en auf die Verpfändun­g ihrer letzten Habseligke­iten verweise. In Wahrheit habe Maurer zur Wiederöffn­ung der Pfandleiha­nstalten aber nur erklärt, es gebe viele Leute, die bei einer Bank keinen Kredit mehr bekommen und so auf die Pfandleihh­äuser angewiesen seien.

Blieb die Frage, ob das FPÖ-Sujet zumindest als Parodie zulässig war. Auch bei einer Parodie dürfe aber „der mitgeteilt­e Tatsachenk­ern nicht unwahr oder ehrenrühri­g sein“, betonte der OGH (4 Ob 3/21a). Deswegen könne man die Verwendung des Bildes nicht mit einer Parodie rechtferti­gen.

Der OGH schiebe damit der häufigen Verwendung des Stinkefing­er-Fotos einen Riegel vor, analysiert Maurers Anwältin, Maria Windhager. Ohne Zustimmung des Rechteinha­bers dürfen Fotos nur ausnahmswe­ise verwendet werden. Eine Rechtferti­gung als Bildzitat wäre nur möglich, wenn das Foto einer Person als unmittelba­ren Beleg für ihre tatsächlic­hen Aussagen dient. „Man darf niemandem falsche Aussagen in den Mund legen“, sagt Windhager zur „Presse“.

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[ Foto: Aus dem OGH-Beschluss ] Sigi Maurers Botschaft an ihrer Hassposter wurde von der FPÖ zweckentfr­emdet.

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