Hände weg von Maurers Stinkefinger
FPÖ darf bildliche Botschaft an Hassposter nicht zweckentfremden.
Wien. Es ist eines der meistgeteilten Bilder der vergangenen Jahre: Die grüne Politikerin Sigrid Maurer sitzt auf einem Sessel, in der rechten Hand hält sie ein Glas Sekt, mit der linken zeigt sie den Stinkefinger. Das im November 2017 von Maurer auf Twitter gepostete Bild wurde von manchen zwar als Botschaft zum damaligen Abschied der Grünen aus dem Parlament gedeutet. Maurer betont aber, das mit dem Zusatz „to the haters with love“online gestellte Foto sei eine Botschaft gegen ihre Hassposter gewesen. Juristisch galt es nun vor allem eines zu klären: Muss Maurer es sich gefallen lassen, dass das Foto in anderem Zusammenhang zur politischen Kritik an ihr verwendet wird?
Die Grünen kamen 2019 ins Parlament zurück. Maurer wurde Klubobfrau – und als solche von der FPÖ ins Visier genommen. Diese veröffentlichte im April 2020 auf Facebook ein Bild einer älteren Dame und daneben Maurers Stinkefinger-Foto. „Schluss mit der Verhöhnung unserer Pensionisten, Frau Maurer!“war daneben zu lesen. Die FPÖ warf Maurer vor, sie empfehle „den von der Coronakrise gebeutelten Pensionisten, ihre Wertgegenstände in die Pfandleihanstalt zu tragen und sich zu verschulden“.
Die Werknutzungsrechte an ihrem Bild hat Maurer inne. Sie beantragte eine Sicherungsverfügung, laut der die Freiheitlichen das Foto nicht verwenden dürfen. Die beiden ersten Instanzen gaben Maurer recht, ebenso nun der Oberste Gerichtshof (OGH).
OGH: Falscher Eindruck erweckt
Zum einen ging es um die Frage, ob es sich um ein zulässiges Bildzitat handelt. Ein solches, so betonte der OGH, müsse „erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen“. Das Recht auf freie Meinungsäußerung sei mit jenem des Rechteinhabers am Bild abzuwägen. Die FPÖ aber gehe zu weit. Maurer habe das Bild im Zusammenhang mit Hasspostings, die sie im Zuge einer Debatte um behauptete sexuelle Übergriffe von Peter Pilz erhielt, gemacht. Die FPÖ aber habe es zu einem anderen Thema verwendet. Damit wird laut dem OGH der Eindruck erweckt, Maurer befürworte „eine herzlose und kalte Politik“, indem sie bedürftige Pensionisten auf die Verpfändung ihrer letzten Habseligkeiten verweise. In Wahrheit habe Maurer zur Wiederöffnung der Pfandleihanstalten aber nur erklärt, es gebe viele Leute, die bei einer Bank keinen Kredit mehr bekommen und so auf die Pfandleihhäuser angewiesen seien.
Blieb die Frage, ob das FPÖ-Sujet zumindest als Parodie zulässig war. Auch bei einer Parodie dürfe aber „der mitgeteilte Tatsachenkern nicht unwahr oder ehrenrührig sein“, betonte der OGH (4 Ob 3/21a). Deswegen könne man die Verwendung des Bildes nicht mit einer Parodie rechtfertigen.
Der OGH schiebe damit der häufigen Verwendung des Stinkefinger-Fotos einen Riegel vor, analysiert Maurers Anwältin, Maria Windhager. Ohne Zustimmung des Rechteinhabers dürfen Fotos nur ausnahmsweise verwendet werden. Eine Rechtfertigung als Bildzitat wäre nur möglich, wenn das Foto einer Person als unmittelbaren Beleg für ihre tatsächlichen Aussagen dient. „Man darf niemandem falsche Aussagen in den Mund legen“, sagt Windhager zur „Presse“.