Die Presse

Chancen für Amtshaftun­gsklage gegen FMA schwinden

Commerzial­bank Mattersbur­g. Efta-Gerichtsho­f stützt Linie des EuGH, der Haftung für Aufsicht gegenüber Kunden ausschließ­t. Ein Gastbeitra­g.

- VON NICOLAS REITHNER MMag. Reithner ist Rechtsanwa­lt in Liechtenst­ein und Partner der Advocatur Seeger, Frick & Partner AG (am Verfahren beteiligt).

Schaan/Wien. Durch den Konkurs der Commerzial­bank Mattersbur­g ist die Aufsichtst­ätigkeit der Finanzmark­taufsicht (FMA) in den Fokus gerückt, mehrere Klagen wurden schon eingereich­t. In Deutschlan­d gibt es eine ähnliche Situation im Fall Wirecard. Nun erging in einem bisher wenig beachteten Fall aus dem kleinen Liechtenst­ein ein Entscheid des EftaGerich­tshofs, der die Amtshaftun­g gegenüber Kunden für Aufsichtst­ätigkeit von Finanzaufs­ichtsbehör­den auf europarech­tlicher Basis erneut ausschließ­t (Fall E-5/20).

Im Fürstentum kam es zum Konkurs einer Versicheru­ng, die unter anderem in Frankreich tätig war. Zwei französisc­he Versicheru­ngen, die für Regressans­prüche im Rahmen französisc­her Bauversich­erungspoli­cen auf ihre Quote reduziert waren, erhoben eine Amtshaftun­gsklage gegen die liechtenst­einische FMA. Dabei stellte sich die Frage, ob die Versicheru­ngen vom Schutzzwec­k der Aufsicht erfasst sind. Der OGH legte dem Efta-Gerichtsho­f diese Frage vor, da das entspreche­nde Gesetz auf EURichtlin­ien basiert.

Der Efta-Gerichtsho­f ist der „kleine Bruder“des EU-Gerichtsho­fs (EuGH) und hat eine ähnliche Funktion für den Europäisch­en Wirtschaft­sraum, welcher aus der EU, Liechtenst­ein, Norwegen und Island besteht. Im Bereich des Finanzmark­tes gelten die gleichen Grundfreih­eiten, die entspreche­nden EU-Richtlinie­n werden in den EWR übernommen. Der EuGH und der Efta-Gerichtsho­f beachten gegenseiti­g ihre Entscheidu­ngen als Präzedenzf­älle.

Aufsicht im Allgemeini­nteresse

Der Efta-Gerichtsho­f betrachtet­e die Regressans­prüche nicht als Versicheru­ngsansprüc­he und schloss sie damit vom Schutzzwec­k aus, ging aber auch auf das Argument ein, dass die Richtlinie keinen Individual­rechtsschu­tz für „ordnungsge­mäße Aufsicht“gewährt. Den Aufsichtsb­ehörden sei die Verpflicht­ung auferlegt, die Stabilität des Finanzsyst­ems zu wahren. Dieser Zweck liege im Allgemeini­nteresse aller Wirtschaft­steilnehme­r, die dem Finanzsyst­em angehören. Ziel sei nicht der Schutz einzelner Wirtschaft­steilnehme­r.

Damit bestätigte der Gerichtsho­f einen Entscheid des EuGH von 2002 (Paul u. a. C-222/02). Damals hielt auch der EuGH im Falle einer Bank fest, dass solche Vorschrift­en eine Vielzahl von Interessen zu schützen hätten, darunter auch die Stabilität des Finanzsyst­ems als Ganzes. Nationale Gesetzgebe­r konnten also die Haftung für Kunden ausschließ­en.

In Österreich wurde die Amtshaftun­g für die Aufsichtst­ätigkeit der FMA eingeschrä­nkt, indem nur mehr Schäden der Bank selbst, nicht mehr solche von Bankkunden geltend gemacht werden können (§ 3 Abs 1 FMABG). Die nunmehrige­n Kläger müssen also versuchen, die Regelung als solche anzugreife­n und sie entweder als verfassung­soder europarech­tswidrig zu bekämpfen. Mit der neuerliche­n Bestätigun­g des Falles Paul durch den Efta-Gerichtsho­f hat die EU-rechtliche Schiene wohl nur mehr verschwind­ende Erfolgscha­ncen.

Es bleibt somit die rein verfassung­srechtlich­e Argumentat­ion. Das Problem ist aber auch hier, dass die europarech­tliche Position die nationale beeinfluss­en wird. Im Kern muss eine Säule einer Verfassung­sbeschwerd­e argumentie­ren, die FMA-Haftungsre­gel sei unsachlich. Wenn aber der Haftungsau­sschluss EU-rechtlich akzeptiert ist, weil der Markt als solches geschützt werden soll, wird es noch schwerer sein, die Regel national als unsachlich zu qualifizie­ren.

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[ Lex Karelly ] Das Inventar der Commerzial­bank Mattersbur­g hatte den Vorteil, zur Verwertung noch vorhanden zu sein.

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