Der Bikini, das ewige Streitobjekt
Beachvolleyball. Das Outfit regt wieder auf, diesmal in Katar. Wie Österreichs Topduo das Machtspiel um den Frauenkörper erlebt.
Wien. Nach einem Jahr ohne World Tour fand Beachvolleyball vor dem diesjährigen Auftakt wieder in die Schlagzeilen, allein, es waren keine sportlichen. Das Turnier in einer Woche steigt nämlich in Katar, erstmals werden dort auch die Frauen den Sand betreten. Und eigentlich wollte die islamische Herrscherfamilie diese Premiere trotz 30 °C in sittlicher Kleidung (bedeckte Knie und Schultern) sehen. Nach jahrelangen Diskussionen um zu knappe Outfits ließ nun also „zu viel“Bekleidung die Wogen hochgehen. Denn das deutsche Topduo Julia Sude/Karla Borger sagte lautstark ab, der Weltverband (FIVB) war zur Deeskalation gezwungen. Unter wachsendem Druck nahm Katar die Vorschriften zurück.
„Ich finde es gut, dass die Deutschen sich so eingesetzt haben. Wir akzeptieren die Kultur, aber Frauendiskriminierung ist schwer zu akzeptieren“, sagt Katharina Schützenhöfer. Mit Lena Plesiutschnig bildet sie Österreichs bestes Duo, das in einen Zwiespalt geriet. Denn die FIVB übertrug die Verantwortung den Spielerinnen, auch die Steirerinnen stimmten für die Austragung. „Zur Wahl stand entweder mit der Kleidung oder gar nicht. Wir wollten das Turnier, weil wir nicht wissen wie viele es für die Olympia-Qualifikation noch geben wird“, erklärt Plesiutschnig. Im Gegensatz zu Sude/Borger befindet sich das ÖVV-Duo auf einem Schleudersitz für Tokio 2021.
Eine Frage der Emanzipation
Beachvolleyball ist nicht der einzige Sport, in dem Körper und Outfit von Athletinnen kommentiert und diskutiert werden (Sepp Blatter forderte einst engere Trikots für Fußballerinnen), aber angesichts des Bikinistandards vielleicht der plakativste. „Sex sells“, weiß auch der Sportsoziologe Otmar Weiß: „Eigentlich absurd, weil Sex mit Sport an sich nichts zu tun hat. Aber beim Zuschauersport spielt Ästhetik eine zentrale Rolle, da geht es um Einschaltquoten und Geld.“Dass Frauen dabei im wahrsten Sinne des Wortes anders gesehen werden, ist für den Professor an der Universität Wien eine gesellschaftspolitische Frage, die direkt mit der Emanzipation der Frau zusammenhängt: „Es geht um die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern.“
Im Sport als Körperkommunikation würden Frauen und Männern nach wie vor unterschiedliche Rollen zugewiesen. „Bei Frauen geht es darum, Körper zu sein, also ein Ausdrucksmedium. Für Männer ist es typisch, den Körper zu haben, geht es um die Instrumentalisierung“, erläutert Weiss.
Dieser Diskrepanz sind sich die Beachvolleyballerinnen bewusst. „Ich finde es nicht förderlich, wenn wir als Sexobjekte hingestellt werden“, hält Plesiutschnig fest. Von zentimeterbreiten Hosen ist die FIVB zwar abgekehrt, erlaubt sogar Scharia-konforme Outfits. Doch für alle anderen gilt: Ab 16 °C ist der Bikini Pflicht. „Ob das moralisch der richtige Ansatz ist? Fragwürdig“, meint Schützenhöfer. Zumal der Bikini als gewohntes wie praktisches Arbeitsgewand und LifestyleAusdruck auch ein anderes, positives Signal vermitteln könnte, wie die 27-Jährige betont: „Wir beschäftigen uns mit unseren Körpern und fühlen uns gut damit.“
Sportpolitik im Wüstenstaat
Von der aufgeflammten Diskussion wollen sich Schützenhöfer/ Plesiutschnig wie von der Ungewissheit bei der Turnierplanung jedenfalls auf dem Weg zur anvisierten Olympia-Premiere nicht abbringen lassen. Nachdem sich das Duo einst in Hartberg in der Halle kennengelernt hat, spielen die Junioren-Vizeweltmeisterinnen seit Ende 2017 wieder Seite an Seite. „Wir wissen, was wir aneinander haben und wie gut wir harmonieren“, sagt Schützenhöfer.
Am Freitag reist das Duo nach Katar – zur Sicherheit mit langer Hose und T-Shirt im Gepäck. „Es wird spannend, wie sie vor Ort damit umgehen, ich will mich nicht unwohl fühlen“, so Plesiutschnig. Als Bubble-Event kämen Zuschauer ohnehin nicht in die Verlegenheit, zudem trugen Sportlerinnen auch bei der Leichtathletik-WM 2019 in Doha kurze Outfits. Dass solche Events in autokratischen Staaten ein Umdenken bewirken könnten, wie von Weltverbänden gern vorgebracht, glaubt Sportsoziologe Weiß im Übrigen nicht. „Damit werden herrschende Strukturen verfestigt, es wird genutzt, um Politik zu machen.“