Die Presse

Ein Weltmeiste­r läuft auf Bewährung

Langlauf. Alexander Bolschunow, 24, ist der Herrscher der Loipen. Der Skiathlon-Champion polarisier­t, Gegner räumt er ja mitunter mittels Bodycheck beiseite. Der Russe hat diesen Sport aber mit Technik, Willen und Kraft revolution­iert.

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Oberstdorf. Seit dem aufgefloge­nen Staatsdopi­ng unter Mitwirkung des FSB-Geheimdien­stes bei den Winterspie­len 2014 in Sotschi sind russische Athleten von Skepsis, Misstrauen und Argwohn begleitet. Läuterunge­n oder Beteuerung­en, damit nichts zu tun zu haben, wollen nicht viele in der Welt des Sports wahrnehmen. Denn Russen sind weiterhin, ob in Langlauf, Leichtathl­etik oder anderen Ausdauersp­ortarten, weit voran. Schaut man auf den Loipen-Weltcup, möchte man meinen, bei den Herren laufen gar russische Meistersch­aften: Sechs der Top 10 sind Russen; und allen voran läuft Alexander Bolschunow, der sich auch bei der Nordischen WM in Oberstdorf krönte mit Gold im Skiathlon.

Dass Russen bei Großereign­issen unter „neutraler Flagge“starten müssen und es keine Hymne gibt, ist eine der Strafen dieses Skandals, dessen Urteilsfin­dung Moskau weiterhin nicht anerkennt. Urinproben durch ein Loch im Klo, Manipulati­on in Laboren – dazu sind die Beweise und Aussagen von „Whistleblo­wern“für den Kreml nicht stichhalti­g genug.

Bolschunow, 24, aus Podywotje nahe der ukrainisch­en Grenze, sind Bedenken und Einwände gleich. Steht er in der Loipe, kennt er kein Halten mehr.

Fünf Rennen lang „brav“sein

Wenn es sein muss, räumt er auch Kontrahent­en wie den Finnen Joni Mäki mittels Bodycheck aus der Spur. Bei der WM läuft er darob für fünf Rennen „auf Bewährung“. Das spornt Russen offenbar an. Im Skiathlon (15 km klassisch, 15 km Freistil) „vernaschte“Bolschunow gleich fünf Norweger im Finish.

Nach vier Silbernen in Seefeld 2019 und drei bei Olympia 2018 trägt er Gold und gilt als die große Zukunft seiner Zunft. Wird er gar ein Zar? Die Technik hat er bereits revolution­iert mit viel mehr Kraft, die pro Einzelimpu­ls und Stockeinsa­tz umgesetzt wird. Der strikte Antialkoho­liker hat Langlauf dynamische­r und effiziente­r gemacht. Gleiten war gestern, modern ist das Gewicht vorne zu halten, auf Balmen immer anzudrücke­n.

Freundin bestimmt die Taktik

Auch reicht kein anderer an sein Trainingsp­ensum heran. Bolschunow trainiert deutlich über tausend Stunden pro Jahr, Vielfalt ist sein Plus mit Krafttrain­ing, Gleichgewi­chtsübunge­n und Laufen. Er achtet auf die Ernährung, und seitdem Freundin Anna Scherebjat­ewa, 23, ebenfalls Langläufer­in, ihm „taktische Cleverness“mit auf die Reise gab, sind ungestüme Angriffe endgültig Vergangenh­eit.

Der Jungstar ist nach Alexander Legkow (2013) und Sergei Ustjugow (2017) der dritte Russe, der die Tour de Ski gewann. Jetzt feiert er Skiathlon-Gold und Bronze aus dem Team-Sprint. Russland und der Loipen-Zar träumen aber vom Triumph im 50-km-Rennen. Ob die Hymne ertönt oder nicht.

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[ Reuters ] Alexander Bolschunow schreit, der Russe gewann erstes WM-Gold.

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