Kinder sind keine „Gefährder“, sondern Leidtragende der Krise
Der Gesundheitszustand unserer Kinder ist besorgniserregend. Das hat auch mit der offiziellen Kommunikationsstrategie zu tun.
Die aktuelle Epidemie hat Kinder und Jugendliche zum Glück weitgehend verschont, sie wurden, anders als bei anderen Infektionskrankheiten, sehr selten krank. Zumindest körperlich. Paradoxerweise leiden sie dafür psychisch am stärksten unter den Auswirkungen und den Maßnahmen. Kinder- und Jugendpsychiater schlagen seit Langem Alarm, die Stationen in den Kliniken sind überfüllt. Während eine Triage bei den Intensivstationen vermieden werden konnte, findet sie nun in der Kinder- und Jugendpsychiatrie statt. Eine Studie nach der anderen zeigt nun das erschreckende Ausmaß der gesundheitlichen Folgen für die Jüngsten in unserer Gesellschaft. Mehr als die
Hälfte von ihnen hat massive gesundheitliche Probleme entwickelt: Schwere Essstörungen, Depressionen, Angstzustände. Diese werden auch nach dem Ende der Pandemie nicht so bald verschwinden.
Die Warnungen von Psychologen und Psychiatern blieben zu lang ungehört. Weder die Politik noch die Öffentlichkeit hat es interessiert, wie es den Kindern geht. Nun ist der Schaden angerichtet.
Es lief von Anfang an schief: So etwa die Medienkampagne, dass die Kinder Oma und Opa nicht besuchen sollen, damit diese nicht gefährdet würden. Das implizierte, dass die Gefahr von den Kindern ausgehe. Jene, die sich diese Kampagne ausgedacht haben, haben offenbar nicht überlegt, was dies bei den Kindern auslöste. Kinder beziehen nämlich alles Geschehen auf sich. Bei Scheidungen der Eltern etwa suchen sie die Schuld bei sich. Wie gravierend ist es erst, wenn es um Leben und Tod geht? Was bedeutet es für ein Kind, wenn es sich schuldig fühlt, wenn die Oma schwer krank wird oder stirbt? Was bedeutet es für Jugendliche, die im selben Haushalt mit ihren Großeltern leben, und die es daher monatelang nicht wagten, ihre Freunde zu sehen, aus Angst, Oma und Opa dadurch in Lebensgefahr zu bringen?
Selbiges beim Testen: Die Schultests dienen nicht nur dem „sicheren“Schulbetrieb, sondern lassen auch Familiencluster rückverfolgen. Das führt jedoch mitunter dazu, dass sich ein positiv getestetes Kind schuldig fühlt. Schließlich wird ja dann die Klasse geschlossen, die Familie muss in Quarantäne und wird nicht selten angefeindet, weil sie „schuld“ist . Ob das alles bei der – gut gemeinten – Teststrategie bedacht wurde?
Die in dieser Hinsicht problematische Kommunikationsstrategie der Politik setzt sich fort mit dem unsäglichen Babyelefanten: Da wird ein Kind in ein Elefantenkostüm gesteckt, schiebt und strengt sich an, weil es darauf achtet, dass die dicht gedrängt stehenden Erwachsenen den richtigen Abstand wahren.
Dies alles funktioniert nach einem Muster, nämlich der Lastenumkehr: Die Verantwortung für die Gesundheit der Erwachsenen wird den Kindern zugeschoben. Das ist unfair und schädlich für diese. Die Erwachsenen tragen selbst die Verantwortung für ihr Tun und zusätzlich noch für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen. Diese Umkehr der Verantwortung zeigte sich bereits beim Thema Klimawandel: Zuerst wurden von Erwachsenen Weltuntergangsszenarien propagiert und dann Schüler ermuntert, zu demonstrieren und das Klima zu retten.
Kinder werden zur Disziplinierung der Bevölkerung benutzt, ohne an die psychischen Folgen zu denken. Hätte man Psychologen eingebunden, hätten diese wohl vor einer derartigen Kommunikationsstrategie dringend gewarnt.
Es ist überfällig, dass nun endlich auch auf die Gesundheit der Jüngsten geachtet wird. Mit ein paar psychologischen Beratungsstellen wird es allerdings nicht getan sein.
Wir Erwachsene tragen die volle Verantwortung, für unser Tun und für die Zukunft. Auf die Jugend warten ohnehin viele Probleme, die gelöst werden müssen. Eine depressive, psychisch krank gemachte Jugend wird sie nicht meistern können. Nur eine starke, belastbare Jugend, die kreativ und zuversichtlich ist.
Morgen in „Quergeschrieben“: Andrea Schurian
Die Erwachsenen tragen selbst die Verantwortung für ihr Tun und zusätzlich noch für die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen.