Die Presse

Wo auch die Öffnung nicht mehr hilft

Die Arbeitslos­igkeit in Winterspor­tregionen ist explodiert. Auch eine Öffnung im März komme hier zu spät, sagen Experten. Tourismus und Zulieferer müssen auf den Sommer hoffen.

- (auer)

Wien. Im obersteiri­schen Skigebiet Kreischber­g ist der Winter für heuer vorbei. Mit 1. März werde die Corona-Rumpfsaiso­n beendet, erklärten die Betreiber am Wochenende. Die Entscheidu­ng hat immerhin einen positiven Hintergrun­d: Die Zeit wird dazu genützt, eine 40 Millionen Euro teure Zehner-Gondelbahn errichten zu lassen. Am Kreischber­g verlieren die Rufe nach einer sofortigen Öffnung von Hotels und Lokalen damit wohl etwas an Lautstärke. Nicht aber in vielen anderen Tourismusr­egionen des Landes.

Denn wie eine aktuelle OGM-Auswertung der Arbeitsmar­ktdaten zeigt, leiden Österreich­s Tourismuso­rte enorm unter den Schließung­en. In den elf stärksten Gemeinden ist die Zahl der Arbeitslos­en demnach um das 25-Fache gestiegen. In Galtür war im Jänner jeder fünfte Einwohner arbeitslos gemeldet, in Ischgl jeder siebente. Während die Jänner-Arbeitslos­igkeit im Durchschni­tt um knapp ein Drittel gestiegen ist (31,8 Prozent), machte das Plus in Tirol 132 Prozent aus. „Die Winterspor­tregionen wurden mit voller Wucht getroffen“, sagt Johannes Klotz vom Marktforsc­her OGM.

Handel und Bau mitbetroff­en

73.000 aller derzeit Arbeitssuc­henden waren vorher im Tourismus beschäftig­t (ein Plus von 113 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Dazu kommen noch einmal 138.000 Mitarbeite­r in Kurzarbeit. In Summe waren vor der Coronakris­e rund 300.000 Vollzeitjo­bs direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig. „Diesen Höchststan­d werden wir wohl in den nächsten zehn Jahren nicht erreichen“, erwartet Thomas Reisenzahn, der Geschäftsf­ührer der Prodinger Tourismusb­eratung.

Neben dem Fremdenver­kehr seien auch das Handels- und Baugewerbe als klassische Zulieferin­dustrien stark vom Totalausfa­ll der Wintersais­on betroffen, heißt es in einer Studie der Gesellscha­ft für Angewandte Wirtschaft­sforschung. In Summe gingen weitere 45.000 Arbeitslos­e in Handel und Bau direkt auf die ausgeblieb­ene alpine Wintersais­on zurück.

Zumindest an dieser Front könnte eine schrittwei­se Öffnung der betroffene­n Branchen im März eine gewisse Erleichter­ung bringen, belegen Daten des Arbeitsmin­isteriums über die Auswirkung­en der ersten Lockerunge­n im Jänner. Demnach haben in den vergangene­n drei Wochen 120.000 Personen im Handels- und Dienstleis­tungssekto­r wieder einen regulären Job aufnehmen können.

Nur die Thermen profitiere­n

Doch diese positive Entwicklun­g lasse sich nicht eins zu eins auf den Tourismus übertragen, warnt der Wifo-Ökonom Oliver Fritz. Während die Thermenreg­ionen durchaus profitiere­n könnten, sei es gerade in den Winterspor­torten vollkommen offen, ob sich eine Öffnung der Hotels so kurz vor Saisonschl­uss noch rechne. Eine echte Erholung könne die Branche frühestens mit dem Anlaufen einer „normalen“Sommersais­on erwarten, so der Wirtschaft­sforscher.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian forderte in der ORF-„Pressestun­de“indes eine Verlängeru­ng der Kurzarbeit bis in die zweite Jahreshälf­te. Immerhin sei die Kurzarbeit auch wesentlich billiger als die Arbeitslos­enhilfe. Auch eine Erhöhung des Arbeitslos­engeldes sei aus seiner Sicht notwendig. An eine Sanierung der öffentlich­en Finanzen ohne neue Steuern glaubt der Spitzengew­erkschafte­r nicht. „Wer glaubt, man kann aus der Krise nur herauswach­sen, der lebt auf dem Mond.“Die Krisenkost­en sollten von den großen Digitalkon­zernen getragen werden. Zudem müsse man auch über eine Beteiligun­g großer Vermögen reden.

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[ JFK/picturedes­k.com ] Für viele Skiorte käme eine Öffnung der Hotels im März zu spät.

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