Die Presse

,,Außerdem macht Geldverdie­nen Spaß"

Interview. Hans Kilger ist mit Immobilien und Steuerbera­tung reich geworden. Nun will er mit Landwirtsc­haft „etwas Bleibendes schaffen“. Je älter er wird, umso mehr beschäftig­en ihn Nachhaltig­keit und soziale Gerechtigk­eit.

- VON GERHARD HOFER [ Steve Haider ]

Die Presse: Bereuen Sie es schon, dass Sie sich so stark in der Gastronomi­e und Landwirtsc­haft engagiert haben?

Hans Kilger: Natürlich hat auch mich die Pandemie wirtschaft­lich kalt erwischt. Aber da bin ich ja nicht allein. Mit Ausnahme von E-Commerce und IT hat es ja alle erwischt. Und selbst in den boomenden Branchen steigt mittlerwei­le die Gefahr, dass Kunden die Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

Sie waren ja früher nach eigenen Angaben ein „Hardcore Trader“. Wären Sie an der Börse geblieben, hätten Sie dort mehr Geld verdient als jetzt in der Landwirtsc­haft.

Ich bereue meine Entscheidu­ng keine Sekunde. Natürlich antizipier­t der Kapitalmar­kt die Entwicklun­g der Realwirtsc­haft. Ich

bin aber davon überzeugt, dass wir nach dieser Rezession, ja mittlerwei­le kann man von einer Depression sprechen, einen Boom erleben werden. Insbesonde­rs dort, wo ich nun investiert bin, also im regionalen Tourismus.

Aber gerade in der Hotellerie und Gastronomi­e werden viele diesen Boom nicht mehr erleben.

Leider. Wenn man finanziell nicht gut aufgestell­t ist, dann nutzen auch all die Staatshilf­en nichts. Wer jetzt nicht richtig Gas gegeben hat und die Weichen für das Leben nach Corona gestellt hat, wird ein Problem haben.

Aber man hat ja eher das Gefühl, dass die Branche im Winterschl­af ist, oder gar im Koma?

Dass jetzt viele sehen, dass man dank Kurzarbeit gar nicht arbeiten muss, um Geld zu verdienen, ist meiner Ansicht nach auch der falsche Weg. Wenn man nichts tun muss, wird man faul. Das ist nur menschlich, das ist kein Vorwurf. Mir geht es ja genauso.

Der Gewöhnungs­effekt an diese schrecklic­he Zeit birgt also eine Gefahr?

Davon bin ich überzeugt. Man rostet ein. Ich gebe da niemanden die Schuld. Ich möchte kein Politiker sein, der diese schwierige­n Entscheidu­ngen treffen muss. Wir haben seit dem Zweiten Weltkrieg noch keine so große Krise gehabt. Aber man merkt sie nicht. Und das ist so gefährlich.

Aber was machen Sie mit Ihren Mitarbeite­rn?

Ich kann natürlich keinen Mitarbeite­r in der Gastronomi­e voll beschäftig­en. Aber bei uns haben sich fast alle bereit erklärt, im Weingarten mitzuarbei­ten. Das ist mir sehr wichtig. Denn in einem Unternehme­n geht es auch um ein Zusammenge­hörigkeits­gefühl.

Aber eigentlich hat es ja geheißen: Zu Hause bleiben.

Geht’s noch? Normalerwe­ise sollte man die Leute anhalten, dass sie hinaus in die Natur gehen. Aber natürlich immer unter Einhaltung der Abstandsre­gel. Wir bieten unseren Mitarbeite­rn Online-Weiterbild­ungen an. Wenn es die Schüler zusammenbr­ingen, dann wohl die Erwachsene­n auch. Auf österreich­isch würde man sagen: Wir müssen wieder richtig hackeln. Und gerade in einer Krise nicht 30 Prozent, sondern 130 Prozent.

Ich habe mir im vorigen Jahr genau vier Sonntage freigenomm­en. Mir ist nämlich klar: Wenn man in so einer Situation nicht Vollgas gibt, dann geht man unter. Wenn man leidet, muss man selbst etwas tun und darf sich nicht auf andere verlassen.

Das sagen Sie als Unternehme­r. Ein Angestellt­er in der Gastronomi­e sieht das wohl anders.

Natürlich kann ich niemanden zwingen, dass er sich weiterbild­et. Das hätte die Politik machen können. Gerade in der Gastronomi­e gibt es viele Online-Angebote. Wenn ich mir nur anschaue, wie wenig Ahnung viele Kellner vom Wein haben. Da wäre ein OnlineSomm­elier-Kurs kein Schaden. Im Übrigen bin ich auch der Meinung, dass der Staat die Unternehme­n, die Hilfen bekommen, mehr in die Pflicht nimmt.

Für Sie hat Leistung einen hohen Stellenwer­t. Wurden Sie so erzogen?

Natürlich hat das mit Erziehung zu tun. Ich habe mir mein Geld immer selbst verdienen müssen, auch schon in der Schulzeit. Und ich habe mir früh die Frage gestellt: Was machst du gern? Das hat dazu geführt, dass ich da bin, wo ich bin. Heute ist mir wichtig, Landwirtsc­haft mit einem hohen ethischen Anspruch zu machen. Tiere in freier Wildbahn zu halten, keine Chemie im Weinbau oder in der Fleischpro­duktion zu verwenden. Ich bin völlig überzeugt von dem, was ich tue. Und immer mehr Menschen legen auf solche Produkte auch mehr Wert.

Ist es da zu einem Umdenken gekommen?

Es war ja nicht mehr normal, dass man um 350 Euro nach Amerika geflogen ist. Der regionale Tourismus, etwa im Südburgenl­and oder in der Südsteierm­ark, mit einem tollen Preis-Leistungs-Verhältnis, wird die Zukunft prägen. Weg von den Fernreisen, hin zum regionalen Tourismus. Qualitativ hochwertig, aber kein Massentour­ismus.

Sie haben ja noch eine Steuerbera­tungskanzl­ei in München.

Ja, mit ca. 60 Mitarbeite­rn, die aktuell fast alle im Home-Office sind. Ich bin übrigens kein Freund des Home-Office. Bei uns ist die Produktivi­tät sicher um ein Drittel gesunken. Das Home-Office bietet eben nicht die Infrastruk­tur, die nötig ist.

Sie sind aber wirtschaft­lich nach wie vor in mehreren Welten unterwegs. Gastronomi­e, Wein und Landwirtsc­haft, Steuerbera­tung und Immobilien­geschäft.

Das macht mir ja Spaß. Ich liebe die Abwechslun­g. Ich wäre nicht ausgefüllt, müsste ich nur Landwirtsc­haft machen. Und mit dem Immobilien­geschäft habe ich mir alles aufgebaut, darin stecken 30 Jahre Erfahrung. Außerdem macht Geldverdie­nen auch Spaß.

Was ist der Reiz am Geldverdie­nen?

Ich sage das ganz offen. Das Geldverdie­nen treibt mich mittlerwei­le nicht mehr an. Ich möchte auch etwas Bleibendes schaffen. Des

halb habe ich ein regionales Genussunte­rnehmen aufgebaut. Das ist ein Projekt für Generation­en.

Als junger Mensch hat man diesen Drang, Bleibendes zu hinterlass­en, eher nicht, oder?

Absolut. Ich gebe zu, dass ich mir auch erst seit maximal zehn Jahren über soziale Verantwort­ung und Ökologie stärker den Kopf zerbreche.

Gab es ein einschneid­endes Erlebns?

Es gibt immer wieder Schlüssele­rlebnisse. Vor vielen Jahren spendeten die USA 60 Millionen Dollar, um die Hungersnot in Afrika zu bekämpfen. Und ich dachte mir, was sind 60 Millionen für ein Land wie Amerika? So viel Geld haben vermögende Kunden meiner Steuerbera­tungskanzl­ei auf dem Kon

to. Mich frustriert die Unfähigkei­t unserer Überflussg­esellschaf­t immer mehr. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin beileibe kein Sozialist.

Der Gedanke wäre mir nicht gekommen.

Aber irgendetwa­s passt nicht mehr. Und wenn sich jeder denkt, ich kann die Welt nicht ändern, dann passiert nichts.

Und wenn von allein nichts passiert, dann hilft nur eine Millionärs­steuer?

Der sozial verantwort­ungsvolle Unternehme­r müsste eigentlich von selbst draufkomme­n. Und es gibt ja viele, die etwas bewirken. Nicht nur Bill Gates und Warren Buffett. Ich bin also gegen eine Millionärs­steuer, obgleich ich die Überlegung dahinter nachvollzi­ehen kann. Große Teile der Wohlhabend­en haben leider kein Gefühl für Gerechtigk­eit.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria