,,Außerdem macht Geldverdienen Spaß"
Interview. Hans Kilger ist mit Immobilien und Steuerberatung reich geworden. Nun will er mit Landwirtschaft „etwas Bleibendes schaffen“. Je älter er wird, umso mehr beschäftigen ihn Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit.
Die Presse: Bereuen Sie es schon, dass Sie sich so stark in der Gastronomie und Landwirtschaft engagiert haben?
Hans Kilger: Natürlich hat auch mich die Pandemie wirtschaftlich kalt erwischt. Aber da bin ich ja nicht allein. Mit Ausnahme von E-Commerce und IT hat es ja alle erwischt. Und selbst in den boomenden Branchen steigt mittlerweile die Gefahr, dass Kunden die Rechnungen nicht mehr bezahlen können.
Sie waren ja früher nach eigenen Angaben ein „Hardcore Trader“. Wären Sie an der Börse geblieben, hätten Sie dort mehr Geld verdient als jetzt in der Landwirtschaft.
Ich bereue meine Entscheidung keine Sekunde. Natürlich antizipiert der Kapitalmarkt die Entwicklung der Realwirtschaft. Ich
bin aber davon überzeugt, dass wir nach dieser Rezession, ja mittlerweile kann man von einer Depression sprechen, einen Boom erleben werden. Insbesonders dort, wo ich nun investiert bin, also im regionalen Tourismus.
Aber gerade in der Hotellerie und Gastronomie werden viele diesen Boom nicht mehr erleben.
Leider. Wenn man finanziell nicht gut aufgestellt ist, dann nutzen auch all die Staatshilfen nichts. Wer jetzt nicht richtig Gas gegeben hat und die Weichen für das Leben nach Corona gestellt hat, wird ein Problem haben.
Aber man hat ja eher das Gefühl, dass die Branche im Winterschlaf ist, oder gar im Koma?
Dass jetzt viele sehen, dass man dank Kurzarbeit gar nicht arbeiten muss, um Geld zu verdienen, ist meiner Ansicht nach auch der falsche Weg. Wenn man nichts tun muss, wird man faul. Das ist nur menschlich, das ist kein Vorwurf. Mir geht es ja genauso.
Der Gewöhnungseffekt an diese schreckliche Zeit birgt also eine Gefahr?
Davon bin ich überzeugt. Man rostet ein. Ich gebe da niemanden die Schuld. Ich möchte kein Politiker sein, der diese schwierigen Entscheidungen treffen muss. Wir haben seit dem Zweiten Weltkrieg noch keine so große Krise gehabt. Aber man merkt sie nicht. Und das ist so gefährlich.
Aber was machen Sie mit Ihren Mitarbeitern?
Ich kann natürlich keinen Mitarbeiter in der Gastronomie voll beschäftigen. Aber bei uns haben sich fast alle bereit erklärt, im Weingarten mitzuarbeiten. Das ist mir sehr wichtig. Denn in einem Unternehmen geht es auch um ein Zusammengehörigkeitsgefühl.
Aber eigentlich hat es ja geheißen: Zu Hause bleiben.
Geht’s noch? Normalerweise sollte man die Leute anhalten, dass sie hinaus in die Natur gehen. Aber natürlich immer unter Einhaltung der Abstandsregel. Wir bieten unseren Mitarbeitern Online-Weiterbildungen an. Wenn es die Schüler zusammenbringen, dann wohl die Erwachsenen auch. Auf österreichisch würde man sagen: Wir müssen wieder richtig hackeln. Und gerade in einer Krise nicht 30 Prozent, sondern 130 Prozent.
Ich habe mir im vorigen Jahr genau vier Sonntage freigenommen. Mir ist nämlich klar: Wenn man in so einer Situation nicht Vollgas gibt, dann geht man unter. Wenn man leidet, muss man selbst etwas tun und darf sich nicht auf andere verlassen.
Das sagen Sie als Unternehmer. Ein Angestellter in der Gastronomie sieht das wohl anders.
Natürlich kann ich niemanden zwingen, dass er sich weiterbildet. Das hätte die Politik machen können. Gerade in der Gastronomie gibt es viele Online-Angebote. Wenn ich mir nur anschaue, wie wenig Ahnung viele Kellner vom Wein haben. Da wäre ein OnlineSommelier-Kurs kein Schaden. Im Übrigen bin ich auch der Meinung, dass der Staat die Unternehmen, die Hilfen bekommen, mehr in die Pflicht nimmt.
Für Sie hat Leistung einen hohen Stellenwert. Wurden Sie so erzogen?
Natürlich hat das mit Erziehung zu tun. Ich habe mir mein Geld immer selbst verdienen müssen, auch schon in der Schulzeit. Und ich habe mir früh die Frage gestellt: Was machst du gern? Das hat dazu geführt, dass ich da bin, wo ich bin. Heute ist mir wichtig, Landwirtschaft mit einem hohen ethischen Anspruch zu machen. Tiere in freier Wildbahn zu halten, keine Chemie im Weinbau oder in der Fleischproduktion zu verwenden. Ich bin völlig überzeugt von dem, was ich tue. Und immer mehr Menschen legen auf solche Produkte auch mehr Wert.
Ist es da zu einem Umdenken gekommen?
Es war ja nicht mehr normal, dass man um 350 Euro nach Amerika geflogen ist. Der regionale Tourismus, etwa im Südburgenland oder in der Südsteiermark, mit einem tollen Preis-Leistungs-Verhältnis, wird die Zukunft prägen. Weg von den Fernreisen, hin zum regionalen Tourismus. Qualitativ hochwertig, aber kein Massentourismus.
Sie haben ja noch eine Steuerberatungskanzlei in München.
Ja, mit ca. 60 Mitarbeitern, die aktuell fast alle im Home-Office sind. Ich bin übrigens kein Freund des Home-Office. Bei uns ist die Produktivität sicher um ein Drittel gesunken. Das Home-Office bietet eben nicht die Infrastruktur, die nötig ist.
Sie sind aber wirtschaftlich nach wie vor in mehreren Welten unterwegs. Gastronomie, Wein und Landwirtschaft, Steuerberatung und Immobiliengeschäft.
Das macht mir ja Spaß. Ich liebe die Abwechslung. Ich wäre nicht ausgefüllt, müsste ich nur Landwirtschaft machen. Und mit dem Immobiliengeschäft habe ich mir alles aufgebaut, darin stecken 30 Jahre Erfahrung. Außerdem macht Geldverdienen auch Spaß.
Was ist der Reiz am Geldverdienen?
Ich sage das ganz offen. Das Geldverdienen treibt mich mittlerweile nicht mehr an. Ich möchte auch etwas Bleibendes schaffen. Des
halb habe ich ein regionales Genussunternehmen aufgebaut. Das ist ein Projekt für Generationen.
Als junger Mensch hat man diesen Drang, Bleibendes zu hinterlassen, eher nicht, oder?
Absolut. Ich gebe zu, dass ich mir auch erst seit maximal zehn Jahren über soziale Verantwortung und Ökologie stärker den Kopf zerbreche.
Gab es ein einschneidendes Erlebns?
Es gibt immer wieder Schlüsselerlebnisse. Vor vielen Jahren spendeten die USA 60 Millionen Dollar, um die Hungersnot in Afrika zu bekämpfen. Und ich dachte mir, was sind 60 Millionen für ein Land wie Amerika? So viel Geld haben vermögende Kunden meiner Steuerberatungskanzlei auf dem Kon
to. Mich frustriert die Unfähigkeit unserer Überflussgesellschaft immer mehr. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin beileibe kein Sozialist.
Der Gedanke wäre mir nicht gekommen.
Aber irgendetwas passt nicht mehr. Und wenn sich jeder denkt, ich kann die Welt nicht ändern, dann passiert nichts.
Und wenn von allein nichts passiert, dann hilft nur eine Millionärssteuer?
Der sozial verantwortungsvolle Unternehmer müsste eigentlich von selbst draufkommen. Und es gibt ja viele, die etwas bewirken. Nicht nur Bill Gates und Warren Buffett. Ich bin also gegen eine Millionärssteuer, obgleich ich die Überlegung dahinter nachvollziehen kann. Große Teile der Wohlhabenden haben leider kein Gefühl für Gerechtigkeit.