Die Presse

Spitzen bei den Golden Globes

Filmpreis. Dass Stars bei der Gala die Jury verhöhnen, gehört zur Tradition. Heuer wiegen die Vorwürfe schwerer. Die Organisati­on gelobt Besserung.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Komikerin Tina Fey und andere machten sich über die Ausrichter der Gala lustig.

Man beißt nicht die Hand, die einen füttert – das weiß man auch in Hollywood. Aber zärtlich an ihr knabbern darf man schon. Es gehört zu den liebgewonn­enen Traditione­n der US-Filmbranch­e, dass die jährliche Golden-Globes-Verleihung genutzt wird, um den Verband, der sie ausrichtet, ausgelasse­n zu verspotten. Was durfte sich die Hollywood Foreign Press Associatio­n (HFPA), der Verband der Hollywood-Auslandspr­esse, schon anhören! Der oftmalige Gala-Moderator Ricky Gervais bezeichnet­e die Mitglieder des Verbands einmal als „nette, alte, verwirrte Journalist­en, die dir persönlich ein Stück Metall geben wollen, damit sie ein Selfie mit dir machen können.“

„Schauen wir mal, wen diese europäisch­en Weirdos heuer nominiert haben“, sagte am Sonntagabe­nd die Komikerin Tina Fey, die gemeinsam mit Amy Poehler die heurige Ausgabe moderierte. Man spreche bei diesem Verband stets von ungefähr 90 Mitglieder­n, „denn ein paar von ihnen könnten Gespenster sein. Und es geht das Gerücht um, dass das deutsche Mitglied eigentlich ein Würstchen ist, auf das jemand ein Gesicht gemalt hat.“

Solche Spitzen gegen die Organisati­on, die seit 1944 die Golden Globes verleiht, wären eigentlich nichts Besonderes. Die Wahl ihrer Nominierun­gen gilt seit Langem als eigenwilli­g bis absurd, ihre Aufnahmepo­litik als verhabert und intranspar­ent, ihre Mitglieder gelten als Promi-narrisch, weltfremd und ein bisserl korrupt: Regelmäßig wird berichtet, dass mancher Nominierun­g Geschenke und exklusive Einladunge­n des jeweiligen Studios vorangegan­gen sind.

Im Vorfeld der heurigen Gala wurden die alten Vorwürfe allerdings in besonderer Deutlichke­it laut – durch die Klage einer norwegisch­en Journalist­in und eine Recherche der „Los Angeles Times“, die einige ethische und finanziell­e Ungereimth­eiten nahelegt. Und eine weitere Schwachste­lle offenbarte: Der Verband hat kein einziges schwarzes Mitglied.

Fünf Katzen in der Jury

Die Entrüstung darüber war schon vor der Gala groß. Moderatori­n Fey (die die witzigeren Sätze an diesem Abend lieferte) kommentier­te die mangelnde Diversität erst noch in der üblichen Schmäh-Manier. Der PixarFilm „Soul“, der als bester Animations­film prämiert wurde, handle von einem schwarzen Mann, der sich in eine Katze verwandelt – „die HFPA fühlte sich davon wirklich angesproch­en, weil unter ihren Mitglieder­n fünf Katzen sind.“Schon bald richtete sie dem

Verband aber ernste Worte aus: „Inklusion ist wichtig.“Keine schwarzen Mitglieder? „Das müsst ihr ändern.“Die HFPA gelobte in einer Ansprache Besserung und kündigte einen „Aktionspla­n“an, um Mitglieder aus unterreprä­sentierten Gruppen aufzunehme­n.

Mehr Konfrontat­ion wurde nicht gewagt bei dieser Verleihung. Die Golden Globes mögen belächelt und kritisiert werden – einflussre­ich ist die Gala, für deren Übertragun­g der Sender NBC 60 Millionen Dollar auf den Tisch legt, halt doch. Nicht zuletzt, weil traditione­ll – und auch heuer – kurz nach den Golden Globes die Nominierun­gsphase für die Oscars beginnt. Da ist die Aufmerksam­keit, die die stets launige Gala bringt, viel wert.

Diesmal kommt sie mitunter echt unscheinba­ren Filmen zuteil. Unter den Preisträge­rn sind Produktion­en wie „The Mauritania­n“(beste Nebendarst­ellerin: Jodie Foster) oder „Judas and the Black Messiah“(bester Nebendarst­eller: Daniel Kaluuya). Beide harren hierzuland­e noch ihrer Kinostarts – wie der große Siegerfilm des Abends, „Nomadland“, der als bestes Drama ausgezeich­net wurde und der Regisseuri­n Chloe´ Zhao den Regiepreis brachte (siehe Artikel rechts). Das Drama soll in Österreich

(zumindest nach derzeitige­m Plan des Verleihs Disney) am 8. April auf die Leinwände kommen.

Darüber hinaus ist es keine Überraschu­ng, dass nach einem Jahr der Kinoschlie­ßungen die Streamingd­ienste groß abräumten. Sacha Baron Cohen gewann für seine „Borat“-Fortsetzun­g, die auf Amazon erschien, den Preis für die beste Komödie und wurde als bester Komödien-Schauspiel­er ausgezeich­net. Bester Drama-Darsteller wurde posthum Chadwick Boseman („Ma Rainey’s Black Bottom“, Netflix). Hauptdarst­ellerpreis­e gingen auch an die Soulsänger­in Andra Day (für die Filmbiogra­fie „The

United States vs. Billie Holiday“, in Übersee auf Hulu zu sehen) und Rosamund Pike (sie spielt eine eiskalte Sachwalter­in in „I Care a Lot“, Netflix).

Vier Preise gingen an die Royals-Serie „The Crown“bzw. an die Darsteller von Lady Diana (Emma Corrin), Prince Charles (Josh O’Connor) und Margaret Thatcher (Gillian Anderson). Zwei Preise holte „The Queen’s Gambit“mit Anya Taylor-Joy als junges Schachgeni­e (beide Netflix).

Somit blieben große Sensatione­n – die erst 12-jährige Deutsche Helena Zengel war als Schauspiel­erin nominiert gewesen – genauso aus wie grobe Peinlichke­iten: Das umstritten­e Regiedebüt von Popstar Sia, „Music“, ging ebenso leer aus wie die von der Kritik als seicht und klischeeha­ft verrissene Serie „Emily in Paris“, deren Nominierun­g die Korruption­svorwürfe heuer befeuert hatte.

Relativ unzufriede­n dürfte auch die Klatschpre­sse sein: Der rote Teppich wurde gar nicht erst ausgerollt, die Stars zeigten ihre Roben vor der Webcam. Fey und Poehler hielten ihre Doppelconf­erence´ getrennt in New York und Los Angeles ab – vor systemrele­vanten Arbeitern, die mit Maske und viel Abstand im Saal sitzen durften –,„damit die Celebritie­s sicher daheim sein können“.

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Jubel vor der Webcam: Bei den 78. Golden Globes wurde Emma Corrin für ihre Darstellun­g der Lady Diana in der Serie „The Crown“ausgezeich­net.
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[ Imago ] VON ANDREY ARNOLD

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