Die Presse

Covid schlägt Finanzkris­e

Jobs. Die Arbeitslos­igkeit schnellte im Februar einmal mehr in die Höhe. Die vorerst anhaltende­n Schließung­en machen das nicht besser. Die covidbedin­gte Arbeitsmar­ktkrise übertrifft die große Wirtschaft­skrise von 2009 bei Weitem.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Die covidbedin­gte Arbeitsmar­ktkrise übertrifft die Wirtschaft­skrise 2009 bei Weitem.

Wien. Im Februar schnellte die Arbeitslos­igkeit noch einmal drastisch in die Höhe: Zu Monatsende waren 110.000 Menschen mehr arbeitslos als ein Jahr davor. 509.000 Personen waren arbeitslos oder in Schulungen. Im März werden die Arbeitslos­enzahlen dann „sehr deutlich sinken“, kommentier­te AMS-Vorstand Johannes Kopf am Montag die aktuellen Arbeitsmar­ktdaten. Geschuldet ist das der Statistik: „Denn der nahezu vollständi­ge Lockdown des Vorjahrs führte zu noch höheren Vergleichs­zahlen“, sagte Kopf. Welche Branchen trifft es besonders, wie geht es weiter? Ein Überblick.

Branchen

Am stärksten betroffen sind nach wie vor Tourismus und Gastronomi­e. Die Branche zählte im Februar 100 Prozent mehr Arbeitslos­e als vor einem Jahr, 78.000 Menschen hatten keinen Job. Hier zeigen sich deutliche Unterschie­de zur Finanz- und Wirtschaft­skrise 2009. Damals war vor allem die Industrie betroffen, mit einem Anstieg der Arbeitslos­igkeit von 56 Prozent. Im coronagepr­ägten Jahr 2020 gab es in der Branche „nur“ein Plus von 32 Prozent. Es dominierte­n die relativen Anstiege in Tourismus, Kunst, Handel sowie Verkehr und Lagerei, heißt es in einer Analyse des AMS.

2009 sank die Beschäftig­ung um 1,5 Prozent, die Arbeitslos­igkeit stieg um 22,6 Prozent. 2020 sank die Beschäftig­ung um 2,1 Prozent, die Arbeitslos­igkeit stieg um 36 Prozent. Die damals so große Wirtschaft­skrise 2009 scheine im Vergleich zur „traurigen Erfahrung“des Jahres 2020 „geradezu klein“, sagte AMS-Vorstand Kopf.

Kurzarbeit

Zusätzlich zu den 509.000 Arbeitslos­en waren im Februar 496.000 Menschen in Österreich zur Kurzarbeit angemeldet. Die CoronaKurz­arbeit wurde bis Ende Juni verlängert, dann soll nach Ansicht von Arbeitsmin­ister Martin Kocher ein schrittwei­ser Ausstieg stattfinde­n. Die Corona-Kurzarbeit ist für Unternehme­r deutlich attraktive­r gestaltet als das reguläre Modell. Entspreche­nd stark wird sie in der aktuellen Krise in Anspruch genommen. In der Krise 2009 nutzten rund 65.000 Arbeitnehm­er die Kurzarbeit, davon waren mit 59.000 fast alle in der Warenprodu­ktion tätig, heißt es in der Analyse des AMS. Der Frauenante­il in der Kurzarbeit betrug seinerzeit 19 Prozent. Anders in der Covidkrise: Voriges Jahr erhielten laut AMS rund 1,2 Millionen Arbeitnehm­er Kurzarbeit­sbeihilfe, davon 44 Prozent Frauen. In den beiden Krisenjahr­en war die Zahl der Kurzarbeit jeweils im April am höchsten.

Unter dem Strich kostete die Corona-Kurzarbeit bisher rund 6,4 Milliarden Euro. Heuer stehen sieben Milliarden Euro für das Kriseninst­rument zur Verfügung.

Lockdown

Die Kurzarbeit hat auch dazu geführt, dass die Arbeitslos­igkeit trotz der Schließung­en nicht völlig explodiert ist. Wegen der steigenden Infektions­zahlen wird es vorerst keine weiteren Öffnungssc­hritte geben. Laut Helmut Hofer, Ökonom und Arbeitsmar­ktexperte am Institut für Höhere Studien (IHS), wird sich das eher in steigenden Kurzarbeit­szahlen äußern als in stark steigenden Arbeitslos­enzahlen. Im ersten Lockdown seien relativ viele Arbeitsver­hältnisse beendet worden. „Binnen weniger Wochen wurden sehr viele Menschen neu arbeitslos.“Diese Entwicklun­g sei nun gebremst, dafür verweilen viele Menschen in der Arbeitslos­igkeit. „Die Leute bleiben arbeitslos und finden keine neuen Jobs“, sagt Hofer.

Aktuelle Zahlen des Arbeitsmin­isteriums zeigen, dass sich die jüngsten Öffnungen umgehend auf die Jobsituati­on ausgewirkt haben. Mit 8. Februar gab es Lockerunge­n im Handel und bei den körpernahe­n Dienstleis­tungen. Dadurch nahmen laut Zahlen vom Wochenende rund 120.000 Menschen in Österreich wieder eine reguläre Beschäftig­ung auf.

Ausblick

Die covidbedin­gte Arbeitsmar­ktkrise dauert nun schon fast ein Jahr an. Eine wirkliche Entspannun­g auf dem Arbeitsmar­kt werde es erst geben, wenn die Gesundheit­skrise überwunden ist und auch die Konsumente­n zurückkehr­en, so Hofer vom IHS. „Aber solang die Impfungen noch nicht wirklich funktionie­ren, wird sich noch einiges abspielen.“Der Sommer könnte für die heimischen Tourismusb­etriebe noch einmal unangenehm werden, selbst ohne Lockdown. Dann nämlich, wenn die ausländisc­hen Urlauber ausbleiben, sei es, weil es noch Reisebesch­ränkungen gibt oder schlicht noch Verunsiche­rung herrscht. Das gilt auch für den Handel: „Wenn die Zahlen stark steigen, kann man nicht erwarten, dass die Menschen viel kaufen“, so Hofer.

Im Februar ist auch die Arbeitslos­enquote noch einmal in die Höhe geschossen: Nach nationaler Definition lag sie bei 10,7 Prozent, um 2,6 Prozentpun­kte höher als vor einem Jahr.

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