Die Presse

Bühnen und Kinos wollen planen

Kultur. Dass die Theater vor April aufsperren, bleibt unwahrsche­inlich. Die großen Häuser aber pochen auf Vorlaufzei­t. Die Kinos trifft eine späte Öffnung hart.

- ALMUTH SPIEGLER UND KATRIN NUSSMAYR

Das Orchester ist mit Plexiglas vom Publikum abgeschirm­t, die Musiker und die Besucher tragen Maske – aber es wird gespielt. Seit Monaten sind die Bühnen in Spanien als einzige in Europa durchgehen­d geöffnet („Die Presse“berichtete). Die weltweit erste Wagner-Premiere dieses Jahres, „Siegfried“, wird so im Teatro Real in Madrid stattfinde­n. Österreich­ische Künstler wie Pianist Rudolf Buchbinder oder Geiger Emmanuel Tjeknavori­an traten ebenfalls bereits in Madrider Konzertsäl­en auf. Eine weitere internatio­nale Ausnahme der Theatersch­ließungen stellt Australien dar – das Land wurde dadurch vor allem für große, neue MusicalPro­duktionen zum Versuchsla­bor.

Auch wenn sich die österreich­ische Theater- und Kinobranch­e vorige Woche beim Öffnungsgi­pfel der Wirtschaft­skammer in großer Einigkeit in Stellung brachten und betonten, mit ihren Sicherheit­skonzepten jederzeit und mit niedrigste­r Ansteckung­sgefahr öffnen zu können, wurde hinter den Kulissen gleichzeit­ig vermutet: Es wird so schnell nicht geschehen, jedenfalls nicht bei ersten möglichen Lockerunge­n.

Bei den großen Bühnen der Bundesthea­ter, betonte Holding-Geschäftsf­ührer Christian Kircher, wäre sowieso ein Vorlauf von drei bis vier Wochen nötig, um den Kartenvorv­erkauf zu starten und eine wirtschaft­lich „vernünftig­e“Auslastung zu erreichen. Von sechs Wochen Vorlaufzei­t sprach Franz Patay, Geschäftsf­ührer der Vereinigte­n Bühnen Wien. Schließlic­h müssten geprobt, Tickets verkauft oder umgebucht werden. „Es ist ja nicht so, dass man im Theater das Licht aufdreht und alle spielen.“Eine Öffnung zu bzw. nach Ostern wäre für diese Häuser also vernünftig – aber auch dafür müsste man eine gewisse „Planungssi­cherheit“ermöglicht bekommen.

Für Kinos besonders bitter

Das Licht aufdrehen und spielen: Das könnten die Kinos. Zumindest fast: „Ich würde am liebsten morgen aufmachen“, sagt Michael Stejskal, Betreiber des Votivkinos und des Filmladen-Verleihs. Als nötigen Planungsvo­rlauf nennt er zwei Wochen, oder „zumindest zehn Tage“, um den Betrieb hochzufahr­en, das Personal zurückzuho­len und ein Programm zusammenzu­stellen.

Für die Kinos wäre eine Lockdown-Verlängeru­ng bis Ostern besonders bitter. Denn gerade der März ist normalerwe­ise ein guter Monat für die Branche, durch Oscars und Berlinale, die meist viel Aufmerksam­keit und einen Schwung neuer interessan­ter Filme bringen (was heuer freilich anders ist).

Ostern bedeute dann meist eine Zäsur: Die ersten Schönwette­rwochenend­en treiben das Publikum ins Freie statt ins Kino. Dass die Kino-Öffnung das zweite Jahr in Folge in den Frühling fallen dürfte, trübt daher die Aussichten: „Auch ganz ohne Corona ist das die schwierigs­te Jahreszeit für uns.“

Studien belegen geringe Gefahr

Mit virologisc­hen Fakten hat eine fortgesetz­te Schließung der Bühnen und Kinos wenig zu tun. Dazu gibt es Studien, die auch der österreich­ischen Kulturpoli­tik in ihren Details spätestens seit Freitag bekannt sind.

Auf Einladung der Leiter der großen Bühnen und Festivals präsentier­ten Wolfgang Schade vom Fraunhofer-/HeinrichHe­rtz-Institut sowie Martin Kriegel von der TU Berlin die Ergebnisse ihrer Untersuchu­ngen vor Kulturstaa­tssekretär­in Andrea Mayer, dem steirische­n Landeshaup­tmann, Hermann Schützenhö­fer, dem Salzburger Landeshaup­tmann, Wilfried Haslauer, und der Wiener Kulturstad­trätin, Veronica KaupHasler.

Mayer zeigte sich nach der Videokonfe­renz optimistis­ch: „Wir haben immer gesagt, dass das Infektions­risiko im Theater-, Kino-, Opern- oder Konzertsaa­l ein kalkulierb­ares ist. Dass das jetzt auch mehrere Studien bestätigen, ist erfreulich.“Trotzdem müsse man dabei die Gesamtsitu­ation im Auge behalten.

Infektion im Theater „fast unmöglich“

Was konnte in den Studien belegt werden? Das Fraunhofer-Institut erforschte im Auftrag des Konzerthau­ses Dortmund experiment­ell die Ausbreitun­g von Aerosolen und die CO2-Belastung in einem Konzertsaa­l. Man wies dabei nach, „dass bei entspreche­nder Lüftung und unter Berücksich­tigung des Mund-Nasen-Schutzes eine Infektion im Saal nahezu ausgeschlo­ssen werden kann“.

Die TU Berlin indes verglich in ihren Berechnung­en die Aerosolbel­astung verschiede­ner Innenräume mit unterschie­dlichen Sicherheit­svorkehrun­gen und Prävention­skonzepten – und reihte danach das Risiko, sich in Kulturvera­nstaltunge­n zu infizieren, unter die geringsten Infektions­wahrschein­lichkeiten.

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[ Clemens Fabry ] Die Theater – hier der Stadtsaal Wien – hoffen auf Öffnung zu Ostern.

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