Bidens Drahtseilakt zwischen Saudis und dem Iran
Analyse. Weil er Saudiarabiens Kronprinzen zunächst von Sanktionen aussparte, geriet der US-Präsident in Kritik. Biden muss bei den Schritten gegen die saudische Führung aber auch sein Vorgehen gegen Teheran miteinkalkulieren.
Wien/Washington. Es war ein harter Schritt, den der neue US-Präsident, Joe Biden, wagte: Ein Geheimdienstbericht wurde freigegeben, der den mächtigen saudischen Kronprinzen, Mohammed bin Salman, als Drahtzieher des Mordes am saudischen Journalisten Jamal Kashoggi bezeichnet. Gegen 76 Personen aus der saudischen Führung wurden US-Sanktionen verhängt. Bin Salman selbst war vorerst aber nicht darunter. Daran wächst nun die Kritik: Biden lasse den Kronprinzen ungestraft davonkommen, schrieben am Montag US-Kommentatoren. Und auch die Verlobte Kashoggis, Hatice Cengiz, forderte am Montag Konsequenzen für bin Salman.
Für Biden ist das Vorgehen gegen die saudische Führung freilich ein Drahtseilakt. Die USA müssen die Balance halten in einem strategischen Umfeld, in dem neben Saudiarabien gewichtige Akteure wie Israel und der Iran aktiv sind. Das saudische Königshaus ist ein enger Verbündeter der USA, wenn es darum geht, ein Gegengewicht zum Iran aufzubauen. Dabei versuchten die Saudis aber auch stets, die Regierungen in Washington zu einem noch härteren Vorgehen gegen den Rivalen Teheran zu drängen. Das unter US-Präsident Barack Obama geschlossene Atomabkommen mit dem Iran sorgte in Saudiarabien für Entsetzen. Präsident Donald Trump stieg schließlich aus dem Vertrag aus. Nun will Obamas einstiger Vizepräsident Biden das Abkommen retten. Das wird aber nicht einfach werden.
Der Iran lehnt Gespräche ab
Am Sonntagabend lehnte Teheran einen EU-Vorschlag eines Treffens mit den USA und anderen Vertragspartnern des Atomabkommens ab. „Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür“, hieß es aus dem Außenamt des Iran. Zuvor müssten die USA ihre Strafmaßnahmen gegen Teheran aufheben. Das ist aber bisher nicht geschehen. Die Regierung Biden geht davon aus, die Wiederbelebung des
Atomvertrages von 2015 sei die beste Garantie dafür, dass Teheran nicht an Nuklearwaffen gelangt. Zugleich will sie aber das Abkommen nachbessern. Die von Trump verhängten Sanktionen gegen den Iran stellen dabei ein wichtiges Druckmittel dar.
Die USA wollen das Raketenprogramm des Iran entschärfen und zugleich Teherans Machtpolitik in der Region Grenzen setzen. Im Irak unterstützt der Iran diverse schiitische Milizen. Diese sind nicht einfach nur ein verlängerter Arm Teherans, sondern auch ein mächtiger innenpolitischer Faktor im Irak mit einer eigenen Agenda. Zugleich sind Raketenangriffe dieser Milizen auf US-Militärstützpunkte im Irak aber auch eine Botschaft Teherans an Washington. Ebenso wie die jüngsten US-Luftangriffe auf schiitische Milizen im irakisch-syrischen Grenzgebiet.
Dort verläuft eine der Nachschublinien für den iranischen Militäreinsatz in Syrien, wo Teheran den Machthaber Bashar al-Assad unterstützt. Israel betrachtet diese
Aktivitäten in seinem Nachbarland mit Argwohn und greift immer wieder iranische Kämpfer in Syrien an. So auch in der Nacht auf Montag: Syriens staatliche Nachrichtenagentur Sanaa meldete, dass israelische Raketen auf Ziele rund um Damaskus abgefeuert worden seien. Israels Premier, Benjamin Netanjahu, machte zugleich den Iran für die Explosion auf einem israelischen Frachter verantwortlich.
Arabische Allianz mit Israel
Die Rivalitäten in der Region sorgen für neue Bündnisse: Auf Trumps Betreiben nahmen die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain Beziehungen zu Israel auf. Am Montag traf der erste Botschafter der Emirate in Tel Aviv ein. Die Golfmonarchien sehen Israel als Verbündeten gegen den Iran. Im Hintergrund gibt es auch Kontakte zwischen dem saudischen Kronprinzen und Israel. Er könnte nun einen diplomatischen Befreiungsschlag versuchen: indem er auch offiziell in die Allianz mit Israel eintritt.