Die Presse

Der Frühstart der krisengepl­agten SPD

Deutschlan­d. Die Sozialdemo­kraten legen ihr Programm vor. Sie nehmen im Superwahlj­ahr die Reichen ins Visier und das Klima in Schutz.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Die SPD ist der Konkurrenz enteilt. Nicht in den Umfragen. Da schwächelt sie weiter. Aber im Zeitplan. Während Union und Grüne bisher weder Kanzlerkan­didaten benannt noch ein Wahlprogra­mm vorgelegt haben, wurde in der SPD-Zentrale beides abgehakt. Im Sommer 2020 kürten sie SPD-Vizekanzle­r Olaf Scholz zum Spitzenkan­didaten, am Montag wurde das Programm für die Wahl im Herbst vom Vorstand abgenickt (ein Parteitag im Mai muss noch zustimmen). Es gibt einige grüne Farbtupfer auf den knapp 50 Seiten. Das ist kein Zufall. Die Grünen warben zuletzt massenweis­e SPD-Wähler ab.

Die Sozialdemo­kraten versuchen sich auch in der Bewältigun­g eines alten Traumas: Die Einführung von Hartz IV unter Gerhard Schröder spaltet die Partei bis heute. Künftig soll die Grundsiche­rung „Bürgergeld“heißen und die Vermögensp­rüfung in den ersten zwei Jahren des Bezugs entfallen. Zwischen CDU/CSU und der SPD kündigt sich eine große Auseinande­rsetzung an:

Sie kreist um die Frage, wie die Coronaschu­lden abgetragen werden sollen. Die SPD sieht die Antwort auch in höheren Steuern für Reiche. Sie will die Einkommens­teuer ab 250.000 Euro im Jahr um drei Prozent anheben und eine Vermögenst­euer von einem Prozent für „sehr hohe Vermögen“. Steuerlich­e Entlastung schwebt der SPD für niedrige und mittlere Einkommen vor, weiters ein Zwölf-Euro-Mindestloh­n, ein Ende des Ehegatten-Splittings und eine abgeschwäc­hte Form des Berliner Mietendeck­els. Die

SPD zeichnet auch die vage Vision einer klimaneutr­alen Wirtschaft bis 2050 und fordert Tempolimit 130 auf Autobahnen, genau wie die Grünen.

Die roten Seuchenjah­re

Der SPD stecken Seuchenjah­re in den Knochen. Auch im übertragen­en Sinn. Zweimal in dieser Legislatur­periode tauschte die Partei ihre Chefs aus: zuerst Martin Schulz, dann Andrea Nahles. In den Umfragen zogen die Grünen an der SPD vorbei. Und die Kür von Scholz zum Kanzlerkan­didaten verpuffte wirkungslo­s.

Es gab keinen Scholz-Effekt in den Umfragen, die die Partei bei 15 bis 17 Prozent ausweisen. Der sachlich-nüchterne Vizekanzle­r ist zwar populär. Aber bisher färbt seine Beliebthei­t nicht auf die von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans geführte Partei ab. Zuletzt schaltete die SPD auf Angriff. Scholz schimpfte deftig über den schleppend­en Impfstart: Das sei „richtig scheiße gelaufen“. Und er legte der CDU einen Fragenkata­log zur Causa vor. Fast wirkte es, als säße die SPD in der Opposition. Die Angriffe auf CDU und EU fallen in eine Zeit, in der die Zufriedenh­eit mit dem Corona-Krisenmana­gement merklich sinkt.

Scholz träumt von Merkels Erbe. Noch fehlen der SPD die Machtoptio­nen. Rot-Rot-Grün etwa geht sich in Umfragen rechnerisc­h nicht aus und vielleicht auch nicht inhaltlich: Die Linksparte­i wählte nun ein neues Führungsdu­o. Neben der eher pragmatisc­hen Susanne Hennig-Wellsow steht Janine Wissler an der Spitze. Sie war bis 2020 Mitglied der vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Gruppe Marx 21.

Zukunft und Respekt, Europa – das sind die Schwerpunk­te dieses Programms.“SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz.

Newspapers in German

Newspapers from Austria