Karas beantragt Fidesz-Suspendierung
EVP-Fraktion. ÖVP-Restdelegation versuchte Strafmaßnahmen zu erschweren.
Brüssel/Wien. Der Konflikt um eine mögliche Suspendierung aller Abgeordneten der ungarischen Regierungspartei Fidesz in der EU-Parlamentsfraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) eskaliert. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban´ hat sich persönlich eingeschaltet und droht mit Austritt aller EUAbgeordneten, sollte die Fraktion eine neue Geschäftsordnung annehmen, die dieses Druckmittel erstmals ermöglichen würde. Auch der gänzliche Ausschluss einer gesamten Delegation wäre darin geregelt.
Dass die Lage ernst ist, bestätigt der Vizepräsident des Europaparlaments, Othmar Karas (ÖVP). Er kündigt im Gespräch mit der „Presse“an, nach dem Beschluss der Geschäftsordnung umgehend eine Suspendierung der Fidesz zu beantragen. „Alle Versuche, gemeinsam eine Lösung zu finden und die Hände Richtung Fidesz auszustrecken, sind gescheitert.“
Karas sieht die Ziele der Parteifamilie und der EU in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit durch die ungarische Regierungspartei verletzt.
Hilfe bekam Orban´ laut Fraktionskreisen aus der Restdelegation der ÖVP. Denn die ÖVP-Abgeordneten brachten Änderungsanträge (liegen der „Presse“vor) ein, mit denen die Hürde für einen Ausschluss erhöht würde und die Suspendierung weniger schmerzhaft wäre. Statt einer einfachen Mehrheit für einen Ausschluss soll demnach eine Zweidrittelmehrheit notwendig werden. Der Antrag war auch von ungarischen Abgeordneten gleichlautend eingebracht worden. Die Restdelegation stellte sich damit gegen ihren Parteifreund Karas, der die neue Geschäftsordnung im Auftrag von Fraktionschef Manfred Weber mit ausgearbeitet hatte.
Grund für diese Geschäftsordnungsänderung waren Probleme in der Fraktion mit ungarischen Kollegen rund um die Debatte über Rechtsstaatlichkeit. Der Fidesz-Abgeordnete Tamas Deutsch hatte Aussagen von Fraktionschef Weber mit dem Vorgehen der Gestapo und dem ungarischen Geheimdienst verglichen. Die bisherige Geschäftsordnung lässt in solchen Fällen kaum Druckmittel zu, deshalb sollte sie verschärft werden. Künftig können suspendierte Mitglieder laut dem Entwurf von allen internen Abstimmungen ausgeschlossen werden, für sie werden keine Posten im EU-Parlament mehr unterstützt. Die Abstimmung zur neuen Geschäftsordnung ist für Mittwoch angesetzt. Entscheidend ist laut Fraktionskreisen, wie die deutschen Europaabgeordneten votieren werden. Ihr Delegationsleiter, Daniel Caspary, hatte sich erst vergangene Woche auf eine harte Linie gegenüber Orbans´ Partei festgelegt. Gegenüber der Deutschen Presseagentur erklärte er: „Die Fraktion wird das Instrument der Suspendierung einführen und nach derzeitigem Stand auf die ungarischen Abgeordneten anwenden.“