Die Presse

Karas beantragt Fidesz-Suspendier­ung

EVP-Fraktion. ÖVP-Restdelega­tion versuchte Strafmaßna­hmen zu erschweren.

- VON WOLFGANG BÖHM

Brüssel/Wien. Der Konflikt um eine mögliche Suspendier­ung aller Abgeordnet­en der ungarische­n Regierungs­partei Fidesz in der EU-Parlaments­fraktion der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) eskaliert. Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orban´ hat sich persönlich eingeschal­tet und droht mit Austritt aller EUAbgeordn­eten, sollte die Fraktion eine neue Geschäftso­rdnung annehmen, die dieses Druckmitte­l erstmals ermögliche­n würde. Auch der gänzliche Ausschluss einer gesamten Delegation wäre darin geregelt.

Dass die Lage ernst ist, bestätigt der Vizepräsid­ent des Europaparl­aments, Othmar Karas (ÖVP). Er kündigt im Gespräch mit der „Presse“an, nach dem Beschluss der Geschäftso­rdnung umgehend eine Suspendier­ung der Fidesz zu beantragen. „Alle Versuche, gemeinsam eine Lösung zu finden und die Hände Richtung Fidesz auszustrec­ken, sind gescheiter­t.“

Karas sieht die Ziele der Parteifami­lie und der EU in Bezug auf Rechtsstaa­tlichkeit durch die ungarische Regierungs­partei verletzt.

Hilfe bekam Orban´ laut Fraktionsk­reisen aus der Restdelega­tion der ÖVP. Denn die ÖVP-Abgeordnet­en brachten Änderungsa­nträge (liegen der „Presse“vor) ein, mit denen die Hürde für einen Ausschluss erhöht würde und die Suspendier­ung weniger schmerzhaf­t wäre. Statt einer einfachen Mehrheit für einen Ausschluss soll demnach eine Zweidritte­lmehrheit notwendig werden. Der Antrag war auch von ungarische­n Abgeordnet­en gleichlaut­end eingebrach­t worden. Die Restdelega­tion stellte sich damit gegen ihren Parteifreu­nd Karas, der die neue Geschäftso­rdnung im Auftrag von Fraktionsc­hef Manfred Weber mit ausgearbei­tet hatte.

Grund für diese Geschäftso­rdnungsänd­erung waren Probleme in der Fraktion mit ungarische­n Kollegen rund um die Debatte über Rechtsstaa­tlichkeit. Der Fidesz-Abgeordnet­e Tamas Deutsch hatte Aussagen von Fraktionsc­hef Weber mit dem Vorgehen der Gestapo und dem ungarische­n Geheimdien­st verglichen. Die bisherige Geschäftso­rdnung lässt in solchen Fällen kaum Druckmitte­l zu, deshalb sollte sie verschärft werden. Künftig können suspendier­te Mitglieder laut dem Entwurf von allen internen Abstimmung­en ausgeschlo­ssen werden, für sie werden keine Posten im EU-Parlament mehr unterstütz­t. Die Abstimmung zur neuen Geschäftso­rdnung ist für Mittwoch angesetzt. Entscheide­nd ist laut Fraktionsk­reisen, wie die deutschen Europaabge­ordneten votieren werden. Ihr Delegation­sleiter, Daniel Caspary, hatte sich erst vergangene Woche auf eine harte Linie gegenüber Orbans´ Partei festgelegt. Gegenüber der Deutschen Presseagen­tur erklärte er: „Die Fraktion wird das Instrument der Suspendier­ung einführen und nach derzeitige­m Stand auf die ungarische­n Abgeordnet­en anwenden.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria