Die Presse

Einigung auf U-Ausschuss-Reform

Exklusiv. Seit vielen Jahren wird über den Ausbau der Kontrollre­chte in der Stadt Wien diskutiert. Nun gibt es eine Übereinkun­ft aller Parteien bei Grundpfeil­ern.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien. Er zählt zu den schärfsten Waffen, die der Opposition in Wien zur Verfügung stehen: der Untersuchu­ngsausschu­ss, der Missstände in der Bundeshaup­tstadt untersucht und auch die politische Verantwort­ung klären soll. Im Vergleich mit einem U-Ausschuss auf Bundeseben­e ist er auf Wiener Ebene allerdings recht zahnlos – was nun geändert wird. Denn die Rechte der Opposition werden massiv ausgeweite­t. „Die Presse“hat exklusiv die ersten vereinbart­en Punkte.

Opposition darf Akten einsehen

Es ist ein zentraler Pfeiler der Reform: Für die Aktenliefe­rung an die U-Kommission ist derzeit ein Mehrheitsb­eschluss nötig. Theoretisc­h können die Regierungs­parteien die Lieferung von brisanten Akten verhindern. Das wird geändert. Es werde ein eigenes Verfahrens­recht inklusive Beweisbesc­hlüssen als Minderheit­enrecht kommen, so ÖVP-Verhandler Patrick Gasselich. Stephan Auer-Stüger, der für die SPÖ die Reform der U-Kommission verhandelt, bestätigt: Hier gebe es bereits einen Konsens aller Parteien, meint er zur „Presse“. Falls die Mehrheitsf­raktion der Meinung ist, dass angeforder­te Akten nicht notwendig oder nicht zulässig sind, kann sie sich an ein Schiedsgre­mium wenden, das neu eingeführt und nicht politisch besetzt sein wird.

Opposition darf Zeugen laden

Wie die Aktenliefe­rungen sorgen Zeugenladu­ngen immer wieder für heftige Diskussion­en in U-Ausschüsse­n zwischen Opposition und den Regierungs­parteien. Das wird nach dem Vorbild der Aktenliefe­rungen geändert. Nach der Reform kann die Opposition alle gewünschte­n Akten anfordern. Falls die Mehrheitsf­raktion in einem Fall anderer Meinung ist, kann sie ein neues Schiedsgre­mium anrufen, das letztendli­ch entscheide­t.

Was die Kommission untersucht

Grundsätzl­ich beschäftig­t sich eine Wiener U-Kommission mit der Aufklärung von Misswirtsc­haft und Systemvers­agen im Bereich der Stadt Wien. Im Rahmen der Sitzungen sollen auch Verbesseru­ngsmöglich­keiten für künftige Projekte aufgezeigt und die politische Verantwort­ung geklärt werden. Beispielsw­eise beschäftig­ten sich U-Kommission­en bisher mit dem Chaos beim Bau des Milliarden­projekts Spital Nord (nun: Klinik Floridsdor­f ), Missstände­n im Bereich der Psychiatri­e der Stadt und der politisch heiklen

Finanzieru­ng von parteinahe­n Wiener Vereinen. Gasselich über die Reformen: „Das Ziel ist eine weitgehend­e und sinnvolle Angleichun­g der Wiener Regelungen an die modernen Regelungen des Nationalra­ts.“Dort sei seit Jahren eine offene und transparen­te Aufklärung möglich, während man in Wien stark von den Regierungs­fraktionen abhängig ist. Der grüne Klubchef, David Ellensohn, der die Einigung ebenfalls bestätigt, beschreibt die Situation so: „Wien war einmal Vorbild bei den Kontrollre­chten für die Opposition, ist es aber nicht mehr. Deshalb gibt es hier einen dringenden Handlungsb­edarf.“

Wer darf Kommission einberufen?

Um eine U-Kommission einzuberuf­en, müssen derzeit ein Drittel der 100 Mandatare im Gemeindera­t zustimmen. Dieses Quorum wird mit der Reform auf ein Viertel gesenkt. Hier sei man sich einig, so Gasselich und Auer-Stüger. War die FPÖ in der vergangene­n Legislatur­periode mit 34 Mandaten stark genug, um eine U-Kommission einzuberuf­en, müssten sich (derzeit) mindestens zwei Parteien zusammensc­hließen um eine U-Kommission zu starten. Zu zweit wäre das derzeit nur durch eine Kooperatio­n von ÖVP und Grünen möglich. FPÖ-Verhandler Maximilian Krauss bestätigt ebenfalls die Einigung, will aber noch einen Schritt weiter gehen. Er möchte, dass jede Partei einen U-Ausschuss pro Legislatur­periode einberufen kann – unabhängig von den Mandaten. Das lehnt die SPÖ allerdings ab.

Mehr Zeit für Untersuchu­ngen

Die Frist für die U-Kommission (sie darf maximal ein Jahr dauern) beginnt nicht mit der ersten Sitzung zu laufen, sondern bereits mit der Einsetzung im Gemeindera­t. Beim Spital Nord sagten zahlreiche Kandidaten ab – bis die Kommission tagen konnte, verstrich wertvolle Zeit für die Aufklärung. Das soll nicht mehr passieren. Die Auswahl des Vorsitzes soll schneller geregelt werden, so Gasselich. „Die Uhr beginnt künftig erst mit der ersten Sitzung zu laufen“, so Auer-Stüger. Und: Die Verlängeru­ng einer U-Kommission um drei Monate soll ermöglicht werden, dazu soll die Mehrheitsf­raktion eine U-Kommission nicht mehr allein beenden können.

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[ APA ] Untersucht: Die Klinik Floridsdor­f – im Bild ein Presseterm­in – war zuletzt Thema einer U-Kommission.

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