Die Presse

Dreifacher Kindesmord: Lebenslang

Gericht. Eine Mutter, die ihre drei Kinder, ein neun-, ein dreijährig­es Mädchen und einen acht Monate alten Buben erstickte, bekam die einzig „denkbare Strafe, die Höchststra­fe“.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Eine beklemmend­e Stimmung macht sich an diesem Montagmorg­en im Gerichtssa­al breit. Das Auditorium ist gut gefüllt, soweit dies die Corona-Abstandsre­geln zulassen. Die Tat macht sprachlos. Die Bestürzung erreicht ihren Höhepunkt, als der Leiter der Wiener Gerichtsme­dizin, Daniele Risser, den minutenlan­gen Todeskampf der Neunjährig­en schildert – soweit sich dies aufgrund der Obduktion sagen lässt.

Bei diesem Opfer, so der Mediziner, habe das Sterben länger gedauert als bei der Dreijährig­en und dem acht Monate alten Buben. Dies würden Spuren eines Abwehrkamp­fs bestätigen. Das älteste der drei Kinder sei an diesem 17. Oktober des Vorjahrs sogar noch ins Donauspita­l eingeliefe­rt worden, wo Ärzte eine Wiederbele­bung versuchten. Leider erfolglos. Es blieb bei drei toten Kindern.

Angesichts dieser Opferbilan­z gibt es für den Vorsitzend­en des Schwurgeri­chts, für Richter Georg

Olschak vom Wiener Straflande­sgericht, „nur eine denkbare Strafe, die Höchststra­fe“, also lebenslang­en Freiheitse­ntzug.

Zusätzlich wird über Chandra A. (31), die Mutter, die ihre drei Kinder mit einem Kopfpolste­r erstickt hat, eine Einweisung in eine geschlosse­ne psychiatri­sche Anstalt verhängt.

Zurechnung­sfähig? Ja

Anwältin Astrid Wagner appelliert noch an die Geschworen­en: Diese sollten Chandra A. zwar einweisen, nicht aber bestrafen. Denn es bestehe ja keine Pflicht für das Gericht, den Ergebnisse­n des psychiatri­schen Gutachters Peter Hofmann zu folgen. Doch davon lassen sich die acht Laienricht­er nicht beeindruck­en. Sie machen buchstäbli­ch kurzen Prozess und kommen einstimmig zum Ergebnis, dass die Mutter sowohl bestraft als auch eingewiese­n werden müsse. Dagegen meldet die Anwältin sofort Nichtigkei­tsbeschwer­de an.

Kann eine Mutter, die „so etwas“tut, zurechnung­sfähig sein?

Durchaus, meint Psychiater Hofman sinngemäß. Und nein, die Frau sei seelisch nicht gesund. Handlungsb­estimmend für den – laut Urteil – dreifachen Mord sei (Achtung, komplizier­t:) „eine grenzwerti­ge, psychotisc­he Entgleisun­g mit entspreche­nder Fehlinterp­retation der tatsächlic­hen Realsituat­ion bei depressive­r Grundsympt­omatik“.

Anders gesagt: Eine schwere Psychose, die die „Steuerungs­fähigkeit“der Frau aufgehoben habe, lag nicht vor. „Der Unrechtsge­halt ihrer Tat war ihr bewusst. Sie hätte sich auch anders entscheide­n können.“

Chandra A., eine gebürtige Nepalesin, kam 2010 mit einem Studentenv­isum von ihrem Heimatland nach Österreich. In Katmandu hatte sie Mathematik, Physik und Chemie studiert. In Österreich ging sie eine arrangiert­e Ehe mit einem um 13 Jahr älteren Landsmann ein. Die Verteidige­rin: „Sie hat ihn vom Fleck weg geheiratet.“Das Paar bekam drei Kinder. Eheliche Probleme stellten sich ein.

Die Frau vermutete, ihr Mann sei auch an ihrer Schwester interessie­rt. Die Abneigung gegen ihren Mann habe sich immer mehr gesteigert, erzählt die Angeklagte nun, wobei sie durchgehen­d FFP2-Maske trägt, was ihre Worte schwer verständli­ch macht. Das Misstrauen und die Aversionen gegen den Mann seien so weit gegangen: „Ich wollte nicht die Kinder töten. Sondern meinen Mann.“Aufgrund arger Streitigke­iten wurde der Mann zwischenze­itig mit einem 14-tägigen Wohnungs-Betretungs­verbot belegt.

In der Tatnacht gab es erneut Zwist. Der Mann verließ abermals die Wohnung. Chandra A.: „Er ist weggelaufe­n.“

Sie habe gedacht, wenn er zurückkomm­t, „dann nimmt er die Kinder mit und lässt mich allein“. – „Deshalb habe ich das gemacht.“Frage des Gerichts: „Wollen Sie Ihren Mann immer noch töten?“Antwort: „Nein.“

Dass sie die Kinder letztlich bewusst erstickt habe, gibt die Frau zu. Hier setzt noch einmal Gerichtsps­ychiater Hofmann an: „Eine Willensbil­dung war ihr möglich. Sie sagt selbst, dass es ihr Ziel war, die drei Kinder zu töten.“Auch ordnet Hofmann die Frau als suizidal ein.

Bei der Strafbemes­sung wertet das Gericht die Unbescholt­enheit sowie das Geständnis der Angeklagte­n als mildernd. Erschweren­d fallen die Umstände der Tat ins Gewicht. Der Richter: „Es sind drei minderjähr­ige Kinder ums Leben gekommen. Unter Ausnützung ihrer Hilflosigk­eit. Sie wurden im Schlaf erstickt.“

Während diese Worte gesprochen werden, sitzt der Mann der Angeklagte­n im Publikum. Und kämpft mit den Tränen. Man hat noch seine Zeugenauss­age im Ohr. Da hat er gesagt: „Ich weine jeden Tag um meine Kinder.“

Sie wusste sehr wohl, was sie tut und handelte nach ihren Vorstellun­gen.“

Gerichtsps­ychiater Peter Hofmann

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[ APA/Neubauer ] Montag im Gerichtssa­al: Anwältin Astrid Wagner redet der des dreifachen Mordes angeklagte­n Mutter zu.

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