Die Presse

Die Publikumsf­rage

- VON KÖKSAL BALTACI E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

Als

Filmmusikk­omponist James Newton Howard 2015 wegen der „Hollywood in Vienna“-Gala in Wien war, erzählte er während einer Konzertpau­se die Geschichte seines musikalisc­hen Durchbruch­s. In den früheren Jahren seiner Karriere brachte er ein Album heraus, das kolossal floppte.

Von Selbstzwei­feln geplagt, dachte er über eine Neuorienti­erung nach, als aus dem Nichts ein gewisser Elton John anrief. Er war auf die Platte aufmerksam geworden, erkannte sein Potenzial und bot ihm an, als Keyboarder mit ihm auf Tour zu gehen. Der Rest ist Geschichte. Man muss nicht immer die Masse erreichen, manchmal genügt nur eine einzige Person, damit sich dein Leben ändert, sagte Howard sinngemäß.

Was er da ansprach, beschäftig­t alle Menschen, die sich kreativ betätigen. Und sich dabei immer wieder fragen: Für wen mache ich das eigentlich? Für so viele wie möglich oder für einige wenige, die das, was ich schreibe, zeichne, inszeniere oder komponiere, umso mehr zu schätzen wissen und wie einen Schatz pflegen? Natürlich schließt das eine das andere nicht aus, aber beides zu erreichen, ist dann doch eher die Ausnahme denn die Regel. Lars-von-Trier-Filme etwa werden niemals zu Blockbuste­rn. Die Handvoll Fans, die sie sehen, lernen sie aber auswendig und sezieren jede Einstellun­g, jeden Dialog, jede versteckte Botschaft.

Journalism­us ist zwar keine Kunst, sondern schnödes Handwerk, die Frage nach Publikum und Reichweite stellt sich aber auch hier. Will ich, dass meine Beiträge von 500.000 Menschen gelesen oder von 50.000 inhaliert, zerlegt, analysiert und hinterfrag­t werden? Auch hier gilt: Beides ist zwar möglich, aber nicht die Regel. Wahrschein­lich sehnt sich die erste Gruppe von Zeit zu Zeit nach der zweiten und umgekehrt. Schließlic­h ist das Gras auf der anderen Seite immer etwas grüner.

Vergeudete Energie, würde James Newton Howard sagen. Denn um seiner Arbeit einen Sinn zu geben und seine Karriere in Bewegung zu halten, muss man weder 50.000 noch 500.000 Menschen beeindruck­en. Manchmal genügt dafür ein einziger.

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