Die Presse

Wem der freie Sonntag heilig ist

Ruhetag. Dass am Sonntag nicht gearbeitet wird, hat eine lange Tradition. Gerade in Krisenzeit­en dürfe daran nicht gerüttelt werden, betont die Gewerkscha­ft.

- VON DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Die Geschichte des freien Sonntags geht zurück aufs antike Rom. Dort machte Kaiser Konstantin, der als Wegbereite­r des Christentu­ms gilt, im Jahr 321 den Sonntag zum Feiertag. Alle Bürger des römischen Reiches – mit Ausnahme der Sklaven freilich – sollten an diesem Tag die Arbeit niederlege­n. Am 3. März ist es 1700 Jahre her, dass der römische Herrscher ein entspreche­ndes Edikt unterzeich­net hat. Kaum ein gesetzlich verankerte­r Gesellscha­ftsvertrag hat eine längere Tradition als der freie Sonntag. Immer wieder wurde seither diskutiert, ob man den religiösen Ruhetag nicht etwas aufweichen könnte, für die allermeist­en gilt er in unseren Breitengra­den aber noch heute. Ausnahmen gibt es noch immer: An die Stelle der Sklaven rückten die Systemerha­lter, die mit ihrer Sonntagsar­beit dafür sorgen, dass das System nicht Woche für Woche zusammenbr­icht.

Auch wenn der sonntäglic­he Einkaufsbu­mmel in anderen Ländern längst Usus ist, wehrten Gewerkscha­ften und Arbeitnehm­erverbände die Forderunge­n nach Sonntagsöf­fnungen hierzuland­e bisher erfolgreic­h ab. Dafür machen sie sich gern mit der Kirche gemein. Vor 20 Jahren vereinte sich die Allianz für den freien Sonntag, ein Bündnis aus vorwiegend kirchliche­n und gewerkscha­ftlichen Vertretern.

Öffnung würde vor allem Frauen treffen

Am Montag präsentier­te die Allianz eine Umfrage, in der sie erfragte, wie die Menschen in Zeiten der Krise zu Sonntagsöf­fnungen stehen. Sechs von zehn Österreich­ern geben an, am Sonntag nicht arbeiten zu wollen. Das entspricht in etwa dem Wert der vergangene­n Jahre. Vor allem bei Frauen mit Kindern ist die Ablehnung am größten. Drei Viertel von ihnen können sich nicht vorstellen, regelmäßig an Sonntagen zu arbeiten. Laut AK-Präsidenti­n Renate Anderl ein klares Indiz dafür, dass Frauen in der Kinderbetr­euung immer noch die Hauptlast tragen. Sie wären auch von einer Sonntagsöf­fnung des Handels am stärksten betroffen, so Anderl: „Man muss sich dann fragen, wohin mit den Kindern? In weiterer Folge müssten auch Betreuungs­einrichtun­gen am Sonntag öffnen.“In Zeiten von Home-Office, in denen Beruf und Privatlebe­n immer mehr verschwimm­en, brauche es den freien Sonntag als klar regulierte Abgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit „mehr denn je“, betont Philipp Kuhlmann, gewerkscha­ftlicher Sprecher des Bündnisses. Viele haben derzeit aber ohnehin andere Sorgen, als sich über Sonntagsöf­fnungszeit­en den Kopf zu zerbrechen. Das gilt gleicherma­ßen für Arbeitnehm­er wie für Arbeitgebe­r.

Zwar poppt die Diskussion um den freien Sonntag verlässlic­h jedes Jahr auf, normalerwe­ise ist es aber die Wirtschaft­sseite, die Sonntagsöf­fnungen ins Spiel bringt. Umso überrasche­nder ist es, dass es diesmal die Arbeitnehm­erseite ist, die den Sonntag wieder zum Thema macht – zumal es zuletzt auch aus Wirtschaft­skreisen diesbezügl­ich eher ruhig geworden ist. In der aktuellen Situation sind die meisten Händler ohnehin froh, überhaupt wieder geöffnet zu haben.

WKO-Forderunge­n zurückgewi­esen

Hört man sich in Händlerkre­isen um, spielt die Sonntagsöf­fnung derzeit kaum eine Rolle. Die letzte dahingehen­de Forderung datiert kurz nach Ende des zweiten harten Lockdowns, Anfang Dezember. Damals war es WKO-Chef Harald Mahrer, der in der Vorweihnac­htszeit eine Handelsöff­nung an den Adventsonn­tagen forderte. Die Situation damals war ohnehin eine andere, der Vorschlag sollte in erster Linie dazu dienen, die Kundenströ­me zu entzerren, so der WKOChef damals. Durchgeset­zt hat er sich mit seinem Vorstoß nicht. Die sofortige empörte Zurückweis­ung der Arbeitnehm­ervertrete­r machte einmal mehr deutlich, wie heilig ihnen der freie Sonntag ist.

Auch Bischof Alois Schwarz, kirchliche­r Sprecher der Sonntagsal­lianz, rief dazu auf, „dieses Kulturgut der Menschheit“zu hüten. Für ihn habe der Sonntag eine wichtige gesellscha­ftliche Funktion, um einen synchronis­ierten Rhythmus zwischen Arbeit und Leben zu erhalten: „Der Sonntag ist ein Tag gegen die Versklavun­g und die Ausbeutung des Menschen.“Dem hätte sich wohl auch sein römischer Glaubensge­nosse Kaiser Konstantin angeschlos­sen – auch wenn die Zeit damals eine völlig andere war.

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[ APA ] Volle Einkaufsst­raßen wird es an Sonntagen hierzuland­e wohl nicht so bald geben.

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