Strafzinsen für zu viel digitales Geld
Analyse. Der digitale Euro könnte dazu führen, dass Banken weniger Kredite vergeben. Daher denkt die EZB über Strafzinsen für den E-Euro nach. Aber wer will ihn dann noch?
Wien/Frankfurt. Die chinesische Stadt Hong Bao verloste 50.000mal 200 E-Yuan (rund 25 Euro). Wer die digitale Währung gewonnen hatte, musste sie innerhalb von einer Woche ausgeben. Mit Feldversuchen wie diesem treibt die zweitgrößte Volksrepublik der Welt die Entwicklung des Zahlungsmittels auf Blockchain-Basis bereits seit 2014 voran. China will als erstes großes Land weltweit eine staatliche Digitalwährung flächendeckend einführen. Ein kleines Land kam ihm schon zuvor. Auf den Bahamas wurde der „Sand Dollar“schon 2020 eingeführt. Immer mehr Zentralbanken entwickeln digitale Währung.
Und in der EU? Getestet wird noch nicht. Aber die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hatte zuletzt versichert: „Wir werden einen digitalen Euro haben.“Doch die jüngsten Äußerungen des Notenbankdirektors Fabio Panetta wecken Zweifel daran, ob er tatsächlich benutzt werden soll – zumindest nicht zu viel.
Denn ab 3000 Euro könnten Strafzinsen anfallen, so die Erwägungen der EZB. Große Mengen E-Euro würde man damit nicht halten wollen. Soll der E-Euro etwa nur der Portokassa dienen?
Dahinter steckt ein Dilemma mit den Banken, die selbst Konten bei der EZB haben. Derzeit denkt man über eine Einführung des digitalen Euro direkt über Konten bei der EZB nach. (Eine andere Möglichkeit wäre, die BlockchainWährung auf privaten Speichermedien wie etwa einer App am Handy zu parken.)
Das sorgt für Unmut bei den Geschäftsbanken. Sie könnten Probleme bekommen, sich zu finanzieren und Kredite zu vergeben. Wenn ihre Kunden Geld von ihren Bankkonten auf die neuen EZB-Konten überweisen, sinken die Guthaben der Geschäftsbanken auf ihren eigenen EZB-Konten. Somit entsteht eine Finanzierungslücke, die die Banken veranlassen könnte, der Wirtschaft weniger Kredite zur Verfügung zu stellen. Will die EZB das verhindern, muss sie den Banken das fehlende Geld leihen. „Die Rolle der staatlichen Zentralbank als Finanzier der Wirtschaft würde noch wichtiger“, sagt Jörg Krämer, Analyst der Commerzbank. „Dagegen sänke der disziplinierende Einfluss privater Geldgeber – mit all den negativen Folgen für Produktivität und Wohlstand.“
Strafzinsen sollen dieses Problem eindämmen. Für Bürger wäre es unattraktiver, Geld von ihren Bankkonten zur EZB zu überweisen, und den Banken blieben größere Finanzierungsklemmen erspart.
Während einer Finanzkrise müsste Lagarde allerdings ein schärferes Instrument einsetzen, um ein plötzliches massenhaftes Überweisen von Bankguthaben auf EZB-Konten zu vermeiden, warnt Krämer. „Denkbar wären in der Ausnahmesituation eines solchen digitalen Bankansturms Obergrenzen für die auf EZB-Konten gehaltenen digitalen Euro.“
EZB bekommt mehr Macht
Aber Obergrenzen schaffen ein neues Problem. Verdrängt der Krypto-Euro irgendwann das Bargeld, können Anleger negativen Zinsen kaum noch ausweichen. Letztendlich bekommt die EZB mehr Macht, noch tiefere Zinsen für Finanzanlagen durchzusetzen. Mit dem Entdecken neuer Technologien hat das wenig zu tun. Insgesamt wird dem Bürger Spielraum genommen und jener der EZB erweitert, den sie für ihre expansive Geldpolitik nutzen kann. Die Risken liegen auf der Hand, wenn man an das Anfachen der Preise an den Aktien- und Immobilienmärkten denkt. Die Folgen solcher Blasen führte die Finanzkrise von 2008 desaströs vor Augen.