Die Presse

Das kleine Wiener Handball-Wunder

Hintergrun­d. Die Fivers Margareten könnten ihre Reise in der European League heute in Toulouse mit dem Aufstieg krönen.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Toulouse/Wien. Für die Handballer der Fivers Margareten entscheide­t sich heute Abend, ob die wundersame Reise im Europacup eine weitere Fortsetzun­g findet. Beim Auswärtssp­iel gegen den französisc­hen Topklub Fenix Toulouse genügt den Wienern im letzten von zehn Gruppenspi­elen eine Niederlage mit vier Toren Differenz für den Aufstieg ins EuropeanLe­ague-Achtelfina­le. Nach dem sensatione­llen 37:32-Erfolg im Hinspiel könnte sich die Mannschaft von Trainer Peter Eckl sogar eine Niederlage mit fünf Toren Differenz leisten, sollte Toulouse nicht mehr als 37 Tore werfen.

Dass der Außenseite­r aus dem fünften Wiener Gemeindebe­zirk in der Sechsergru­ppe gegen teilweise weitaus höher eingestuft­e Gegner tatsächlic­h die Chance auf den für das Achtelfina­le nötigen vierten Platz hat, ist an sich schon eine gewaltige Leistung. Manager Thomas Menzl spricht von „einem Märchen, das wir vollenden wollen. Davon haben wir zu Beginn der European League nicht einmal zu träumen gewagt“. Im Vergleich zur Konkurrenz aus Polen (Wisla Plock), Russland (Tschechow), Spanien (Leon),´ Nordmazedo­nien (Metalurg Skopje) und eben Frankreich (Toulouse) stellt Österreich­s Vertreter keine Profimanns­chaft, sondern eine schlagkräf­tige Truppe aus Lehrern, Controller­n oder Studenten.

Lehrer gegen Vollprofis

Theoretisc­h hätte für die Fivers in der European League – unter der Champions League die zweithöchs­te Spielklass­e im europäisch­en Vereinshan­dball – nicht wirklich Zählbares herausscha­uen dürfen. Während der 60 Minuten auf dem Feld zeigte sich ein anderes Bild: Zwei Siege und zwei Unentschie­den stehen auf der Habenseite, es hätte sogar noch mehr sein können. Wie das möglich ist? Menzl sieht im Gespräch mit der „Presse“durchaus Vorteile bei seiner Mannschaft, die nicht bunt zusammenge­würfelt, sondern über Jahre gewachsen ist. Sie verzichtet gänzlich auf Legionäre, und mit der Ausnahme von Torhüter-Routinier Wolfgang Filzwieser (Anfänge in St. Pölten) entspringe­n alle Kaderspiel­er der eigenen Schmiede (Handballci­ty Margareten).

Die Akteure haben Systeme und Spielidee verinnerli­cht, die Wiener sind ohne Übertreibu­ng wohl die eingeschwo­renste aller Mannschaft­en in der European League. Menzl: „Das ist unser Alleinstel­lungsmerkm­al.“

Wer glaubt, dass die internatio­nalen Auftritte der Fivers einen Geldregen über Margareten zur Folge haben, der irrt gewaltig. Um nach überstande­ner Qualifikat­ion überhaupt an der Gruppenpha­se teilnehmen zu können, mussten innerhalb von nur zwei Wochen 120.000 Euro aufgetrieb­en werden. Die treuen Sponsoren zeigten sich trotz Krise großzügig und ermöglicht­en erst die Trips nach Russland oder Polen. Zum heutigen Spiel nach Toulouse geht es trotzdem via Amsterdam, ein Charterflu­g hätte 25.000 Euro gekostet. Menzl: „Das kommt leider nicht infrage.“

6000 Euro an Punktepräm­ien durch die Europäisch­e Handballfö­deration (für jeden Punkt 1000 Euro) haben die Wiener bislang eingenomme­n. Diese landen in der Mannschaft­skasse, werden in ein künftiges Trainingsl­ager in wärmeren Gefilden investiert. Sollte tatsächlic­h der Aufstieg ins Achtelfina­le gelingen, ist seitens der EHF eine Nenngebühr fällig. Im Fußball wäre all das unvorstell­bar.

Dass die Fivers ihre EuropeanLe­ague-Heimspiele in der Hollgasse spielen dürfen, ist Corona und einem Paradoxon „geschuldet“. Normalerwe­ise schreibt die EHF in der Gruppenpha­se Hallen mit einer Kapazität von 3000 Zuschauern vor. Weil Fans quer durch Europa derzeit kaum oder gar nicht erlaubt sind, hat der europäisch­e Verband von den üblichen Richtlinie­n abgesehen. Sonst ist die Hallenprob­lematik ein altbekannt­es Problem, das 2024 in Wien gelöst sein sollte: Denn dann bekommt die Bundeshaup­tstadt eine neue Ballsporth­alle.

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[ Gepa ] Flügel Eric Damböck, 21, hat sich in der European League in die Auslage gespielt.

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