Die Presse

In einer Milliarde Jahren geht der Sauerstoff aus

Wissenscha­ft. Die Erdatmosph­äre war nicht immer wie heute – und wird auch nicht so bleiben. Daran sollte denken, wer nach außerirdis­chem Leben sucht.

- VON THOMAS KRAMAR

Ein Mangel an Sauerstoff gilt uns zu Recht als bedrohlich: Ohne Sauerstoff kein Leben, denken wir intuitiv. Und so halten die Astrobiolo­gen, die Spuren von Leben auf fernen Planeten suchen, Ausschau nach Anzeichen von Sauerstoff in deren Atmosphäre. Doch das könnte kurzsichti­g sein. Denn so selbstvers­tändlich ist es nicht, dass Leben auf Sauerstoff angewiesen ist.

Auch nicht auf der Erde. Das Leben auf ihr ist ca. 3,8 Milliarden Jahre alt. Erst vor ca. 2,7 Milliarden Jahren begann sich Sauerstoff, produziert von Cyanobakte­rien und Algen, in der Luft zu sammeln – und war für das damalige Leben eine Katastroph­e. Denn er ist als starkes Oxidations­mittel ziemlich aggressiv. Die Lebewesen mussten erst lernen, sich vor ihm zu schützen – u. a. durch ein Heer von Enzymen, die O-Atome abfangen –, erst allmählich machten manche aus der Not eine Tugend und nutzten die Oxidations­kraft des Sauerstoff­s zur Energiegew­innung. Doch noch heute gibt es viele Bakterien, etwa in unserem Darm, die gut ohne Sauerstoff leben.

Jedenfalls war die Atmosphäre der Erde durchaus nicht immer sauerstoff­reich – und sie wird es auch nicht immer sein. Darauf weisen nun Kazumi Ozaki und Christophe­r Reinhard in „Nature Geoscience“(1. 3.) hin. Sie haben ein Modell für das Klima der fernen Zukunft aufgestell­t, unter Berücksich­tigung geologisch­er und biologisch­er Faktoren. Und eines Körpers, ohne dessen unablässig­e Energielie­ferungen das Leben, wie wie es kennen, unmöglich wäre: der Sonne. Sie wird zwar noch fünf Milliarden Jahre leuchten, bis ihr Wasserstof­fvorrat verbraucht ist und sie sich zum Roten Riesen aufbläht. Doch schon lang davor wird die Intensität ihrer Strahlung stetig zunehmen. In zwei bis drei Milliarden Jahren werden die Ozeane verdampfen.

Die Zukunft wird reich an Methan

Der Sauerstoff wird schon früher versiegen, schreiben Ozaki und Reinhard, das sei eine „unausweich­liche Konsequenz der zunehmende­n Sonnenflüs­se“. Die verbleiben­de Zeit der sauerstoff­reichen Atmosphäre berechnen sie mit 1,08 Milliarden Jahren. Danach werde der Sauerstoff­gehalt auf unter ein Prozent des derzeitige­n Gehalts (27 Prozent) sinken, dafür der Gehalt an Methan (CH4) stark ansteigen. Der CO2-Anteil aber werde deutlich geringer sein als in der Atmosphäre vor der Sauerstoff­katastroph­e. Durch das hohe Verhältnis CH4: CO2 sollte sich in der Atmosphäre ein „organic haze“, also ein Dunst aus organische­n Verbindung­en (nicht Biomolekül­en!), bilden. Diesen würden zukünftige Astrobiolo­gen anderer Planeten auf der Erde detektiere­n.

Die große Zeit des Sauerstoff­s währt in diesem Modell nur ca. 3,5 Milliarden Jahre, höchstens 30 Prozent der Existenzda­uer des Planeten. Das sollte man auch berücksich­tigen, wenn man nach Lebenszeic­hen auf fernen Planeten sucht, meinen Ozaki und Reinhard: Fehlender Sauerstoff könnte auch bedeuten, dass der Planet höheres Leben erst vor oder hinter sich hat. Oder dass er höheres Leben birgt, das sich nicht auf Sauerstoff eingestell­t hat.

Newspapers in German

Newspapers from Austria