In einer Milliarde Jahren geht der Sauerstoff aus
Wissenschaft. Die Erdatmosphäre war nicht immer wie heute – und wird auch nicht so bleiben. Daran sollte denken, wer nach außerirdischem Leben sucht.
Ein Mangel an Sauerstoff gilt uns zu Recht als bedrohlich: Ohne Sauerstoff kein Leben, denken wir intuitiv. Und so halten die Astrobiologen, die Spuren von Leben auf fernen Planeten suchen, Ausschau nach Anzeichen von Sauerstoff in deren Atmosphäre. Doch das könnte kurzsichtig sein. Denn so selbstverständlich ist es nicht, dass Leben auf Sauerstoff angewiesen ist.
Auch nicht auf der Erde. Das Leben auf ihr ist ca. 3,8 Milliarden Jahre alt. Erst vor ca. 2,7 Milliarden Jahren begann sich Sauerstoff, produziert von Cyanobakterien und Algen, in der Luft zu sammeln – und war für das damalige Leben eine Katastrophe. Denn er ist als starkes Oxidationsmittel ziemlich aggressiv. Die Lebewesen mussten erst lernen, sich vor ihm zu schützen – u. a. durch ein Heer von Enzymen, die O-Atome abfangen –, erst allmählich machten manche aus der Not eine Tugend und nutzten die Oxidationskraft des Sauerstoffs zur Energiegewinnung. Doch noch heute gibt es viele Bakterien, etwa in unserem Darm, die gut ohne Sauerstoff leben.
Jedenfalls war die Atmosphäre der Erde durchaus nicht immer sauerstoffreich – und sie wird es auch nicht immer sein. Darauf weisen nun Kazumi Ozaki und Christopher Reinhard in „Nature Geoscience“(1. 3.) hin. Sie haben ein Modell für das Klima der fernen Zukunft aufgestellt, unter Berücksichtigung geologischer und biologischer Faktoren. Und eines Körpers, ohne dessen unablässige Energielieferungen das Leben, wie wie es kennen, unmöglich wäre: der Sonne. Sie wird zwar noch fünf Milliarden Jahre leuchten, bis ihr Wasserstoffvorrat verbraucht ist und sie sich zum Roten Riesen aufbläht. Doch schon lang davor wird die Intensität ihrer Strahlung stetig zunehmen. In zwei bis drei Milliarden Jahren werden die Ozeane verdampfen.
Die Zukunft wird reich an Methan
Der Sauerstoff wird schon früher versiegen, schreiben Ozaki und Reinhard, das sei eine „unausweichliche Konsequenz der zunehmenden Sonnenflüsse“. Die verbleibende Zeit der sauerstoffreichen Atmosphäre berechnen sie mit 1,08 Milliarden Jahren. Danach werde der Sauerstoffgehalt auf unter ein Prozent des derzeitigen Gehalts (27 Prozent) sinken, dafür der Gehalt an Methan (CH4) stark ansteigen. Der CO2-Anteil aber werde deutlich geringer sein als in der Atmosphäre vor der Sauerstoffkatastrophe. Durch das hohe Verhältnis CH4: CO2 sollte sich in der Atmosphäre ein „organic haze“, also ein Dunst aus organischen Verbindungen (nicht Biomolekülen!), bilden. Diesen würden zukünftige Astrobiologen anderer Planeten auf der Erde detektieren.
Die große Zeit des Sauerstoffs währt in diesem Modell nur ca. 3,5 Milliarden Jahre, höchstens 30 Prozent der Existenzdauer des Planeten. Das sollte man auch berücksichtigen, wenn man nach Lebenszeichen auf fernen Planeten sucht, meinen Ozaki und Reinhard: Fehlender Sauerstoff könnte auch bedeuten, dass der Planet höheres Leben erst vor oder hinter sich hat. Oder dass er höheres Leben birgt, das sich nicht auf Sauerstoff eingestellt hat.