Die Presse

Tiefe Resignatio­n hat sich breitgemac­ht

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„Wenn aus lauter Angst der Geduldsfad­en einfach nicht reißt“, „Quergeschr­ieben“von Anneliese Rohrer, 17. 2.

Wie so oft legt Anneliese Rohrer der verwundete­n österreich­ischen politische­n Seele den Finger auf die Wunde. Allerdings bin ich der Meinung, dass es sich nicht um Angst handelt, die die Betroffene­n daran hindert, laut aufzuschre­ien. Es ist vielmehr eine tiefgreife­nde Resignatio­n, die sich breitgemac­ht hat. Nach Jahrzehnte­n der parteipoli­tischen Bevormundu­ng, die sich auf allen Ebenen des täglichen Lebens gleichzeit­ig abspielt, kann man ja gar nicht mehr anders, als den Geduldsfad­en eben nicht reißen zu lassen.

Kurz, Blümel & Co. zeigen ständig vor, was sie von politische­r Mitgestalt­ung halten. Das Parlament geht ihnen am A. . . vorbei, es ist doch längst zur Abstimmung­smaschine für die jeweilige Regierungs­mehrheit verkommen. Die Meinung der Bürger interessie­rt sie nur so weit, soweit es Fragen des Machterhal­ts betrifft. Schon Simone Weil erkannte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunder­ts in ihrer „Anmerkung zur generellen Abschaffun­g der politische­n Parteien“Folgendes: „Der erste und genau genommen einzige Zweck jeder politische­n Partei ist ihr eigenes Wachstum, und dies ohne jede Grenze.“Genau das ist in Österreich ab 1945 geschehen.

Was bleibt dem gelernten Österreich­er übrig, als sich mit den Tatsachen abzufinden? Revolution? Widerstand? Innere Emigration? Oder eben das Spinnen eines Geduldsfad­ens, der einem wenigstens ein kleines Stück Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt? Getreu dem Motto: Die Lage ist hoffnungsl­os, aber nicht ernst.

Mag. Arnold Pritz, 5571 Mariapfarr

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