Anschober will strenger durchgreifen
Ausgangsbeschränkungen sollen bereits ohne drohende Überlastung der Spitäler möglich sein. Das Treffen von Gruppen will man auch in Privaträumen unterbinden können.
Wien. Nach wie vor gibt es Ausgangsbeschränkungen, wenn auch nur nachts. Die Verordnung dazu ist umstritten, schließlich sind Ausgehregeln laut Gesetz nur erlaubt, wenn sonst die Versorgung der Spitäler zusammenbrechen könnte. Ein neuer Gesetzesplan aus dem Gesundheitsministerium sieht nun aber weitere Ermächtigungen für Ressortchef Rudolf Anschober vor. So soll er Ausgehbeschränkungen leichter verordnen und auch kleinere Zusammenkünfte in Privatwohnungen verbieten können. Aber was steht dahinter, und inwieweit sind die geplanten Gesetze verfassungskonform?
1 Ausgehregeln bereits dann, wenn das Contact Tracing nicht greift.
Dieser Teil des nun in Begutachtung geschickten Gesetzesplans ist der juristisch heikelste. Bisher durfte es Ausgehbeschränkungen laut dem Covid-19-Maßnahmengesetz nur geben, „um einen drohenden Zusammenbruch der medizinischen Versorgung oder ähnlich gelagerte Notsituationen zu verhindern“. Künftig soll es reichen, wenn es sonst zu einer „nicht mehr kontrollierbaren Verbreitung“des Virus käme. Das liegt laut den Gesetzesmaterialien vor, „wenn Maßnahmen des Contact Tracing nicht mehr greifen“. Für das Gesundheitsministerium ist diese Maßnahme nötig, um künftig „rascher und zielgerichteter vorgehen zu können“.
Die Opposition (SPÖ, FPÖ Neos) lehnt die Idee ab. Dieser Plan sei nicht mehr verhältnismäßig, meint Neos-Mandatar Gerald Loacker. Man denke nur an ein Szenario, in dem fast alle über 65-Jähren geimpft seien, aber das Virus unter Studenten unkontrollierbar grassiere. In so einem Fall könnte Anschober nach der Gesetzesänderung schon Ausgangsbeschränkungen anordnen, kritisiert Loacker. „Wenn der Minister mit seiner Aufgabe des Contact Tracing scheitert, bestraft er dafür die Menschen mit Ausgangssperren“, rügt der Abgeordnete.
Ganz so einfach sei die Sache nicht, entgegnet Verfassungsjurist Karl Stöger von der Universität Wien. So stehe in den Erläuternden Bemerkungen zum Gesetzesplan, dass es wegen „organisatorischer Versäumnisse“keine Ausgangsbeschränkungen geben dürfe (sondern nur z. B. wegen exponentiellen Wachstums der Fälle). Ob die Ausweitung der Regeln vor dem Verfassungsgerichtshof halte, könne man aber trotzdem noch nicht prognostizieren, sagt Stöger.
Die Frage sei auch, was das Ministerium beabsichtige. Denn gebe es bundesweit Probleme beim Contact Tracing, sei dies ohnedies ein Fall, in dem die jetzige Regel reichen würde. Dann drohe eine Überlastung der Spitalsbetten. Wenn die neue Regel Sinn ergebe, dann, um in Gegenden mit starker lokaler Virusverbreitung Ausgangsregeln aufzustellen, meint Stöger. Denn bei Problemen in einem kleinen Ort würde die bisherige Spitalsklausel (ein Ort allein überlastet ja noch kein Spital) nicht greifen.
2 Vier Personen sind eine Versammlung – auch schon zu Hause.
Bisher konnte man gestützt auf das Epidemiegesetz Maßnahmen für Veranstaltungen setzen, bei denen es zum „Zusammenströmen größerer Menschenmengen“kommt. Künftig sollen bereits „Zusammenkünfte von zumindest vier Personen aus zumindest zwei Haushalten“als Veranstaltung gelten. Damit wolle man die Rechtslage konkretisieren, sagt das Ministerium. Tatsächlich findet sich bereits in Anschobers aktueller Covid-Verordnung ein Passus, laut dem nur noch Zusammenkünfte von nicht mehr als vier Personen aus maximal zwei Haushalten keine Veranstaltung darstellen. Das gilt aber nur für Treffen im Freien. Wohnungen sind laut der Verordnung zumindest tagsüber ganz unreglementiert (nachts soll man in seinem eigenen Zuhause sein).
Jurist Stöger begrüßt die „höchst überfällige“Klarstellung im Gesetz. Dadurch könne man nun per Verordnung auch für Privaträume leichter Vorgaben machen. Das Ministerium bestätigt diesen Plan. Kontrollen in Privatwohnungen will die Regierung nicht einführen. „Wenn aber dann plötzlich zehn Leute aus einer Wohnung herauskommen, könnte ein Polizist künftig eine Anzeige machen“, erklärt Stöger. Privatpartys zu unterbinden sei während einer Pandemie sinnvoll, meint der Medizinrechtsexperte. Und im Gegenzug könnte man dafür die Ausgehbeschränkungen fallen lassen.
FPÖ-Chef Norbert Hofer hat gegen die Regel hingegen Bedenken, die Neos fürchten eine Reglementierung von Familientreffen.
3 Eine Absicherung für Anschober – und ein Warnruf des Ministers.
Die neuen Versammlungs- und Ausgangsgesetze hätten für Anschober eine großen Vorteil: Sollte der VfGH gegen die bisher strittigen Verordnungen des Ministers Bedenken haben, könnte er unter Berufung auf die neuen Gesetze diese wieder rechtfertigen. So, wie eine weitere Neuerung im Epidemiegesetz nun klarstellen soll, dass die Abriegelung größerer Gebiete (zuletzt fast ganz Tirol) erlaubt ist.
Anschober selbst warnte am Donnerstag vor einer „alarmierenden Situation“. Man sei bezüglich der Coronazahlen in einer ähnlichen Situation wie im Oktober. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner gab den „verfrühten Öffnungen der Bundesregierung“eine Mitschuld. Spannend wird, wie die Opposition sich bei Anschobers Novelle verhält: Man könnte sie im Bundesrat wochenlang blockieren.