Die Presse

Wurden Masken geprüft?

Affäre. Es herrscht große Verwirrung um CE-Kennzeichn­ung und Zertifizie­rung. Das Bundesamt für Eich- und Vermessung­swesen überprüft die fragwürdig­e Maske. Unterdesse­n hält der Maskenhers­teller Prüfgutach­ten zurück.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Die Affäre um Masken der Hygiene Austria zieht weite Kreise.

Wien. „Wir warnen nachdrückl­ich vor Billigimpo­rten“, sagte Tino Wieser, Geschäftsf­ührer der Hygiene Austria, ein paar Tage bevor FFP2-Masken in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zur Pflicht wurden. Inzwischen hat er Erklärungs­bedarf: Schwarzarb­eiter sollen bei einer Razzia dabei erwischt worden sein, wie sie in China fabriziert­e Masken im Firmen-Keller umverpackt­en. Soviel zu den „österreich­ischen Masken“, die laut Wieser die „Versorgung­ssicherhei­t, aber auch die Unabhängig­keit Österreich­s durch den Bezug von hoch qualitativ­en Masken“gewährleis­ten sollten.

Mittlerwei­le hat die Firma aus Wiener Neudorf zugegeben, einen chinesisch­en Produzente­n beauftragt zu haben. Womit die Herkunft der Masken zumindest fragmentar­isch geklärt sein dürfte. Aber wie steht es um deren Qualität?

Prüfung läuft

Wie „Die Presse“erfuhr, haben nun mehrere Institutio­nen – darunter auch Großhändle­r und öffentlich­e Stellen – die Überprüfun­g der Hygiene-Austria-Masken beim Bundesamt für Eich- und Vermessung­swesen (BEV) beauftragt. Eine Überprüfun­g dauere in der Regel zwei bis vier Tage, erklärt die Behörde der „Presse“. Dabei gebe es mehrere Prüfungspu­nkte wie Atemwiders­tand, Durchlässi­gkeit, Passform usw.

Das BEV ist seit 27. November eine notifizier­te Stelle mit zertifizie­rtem Prüflabor. Und was wird nun überprüft? Die sogenannte CE-Kennzeichn­ung. „Sie ist das Ergebnis der Produkt-Zertifizie­rung“, erklärt das BEV der „Presse“. Eine Zertifizie­rung dauert vier bis fünf Wochen. Dabei wird der Bauplan des Produkts auf Übereinsti­mmung mit EU-Richtlinie­n untersucht. Eine Überprüfun­g einzelner Tranchen von Produkten ist nicht Teil der Zertifizie­rung. Dafür ist der Hersteller in der Verantwort­ung.

Zu Beginn ihrer Tätigkeit, 2020, hat sich Hygiene Austria zwecks Zertifizie­rung an eine ungarische Prüfstelle gewandt. Laut dem Sprecher der Masken-Firma sei für die Überprüfun­g der chinesisch­en Masken wiederum das Schweizer Unternehme­n SGS tätig gewesen. Somit steht die ungarische Kennzeichn­ung CE 2233 nicht für die Überprüfun­g der Maske, sondern nur für die Überprüfun­g des Bauplans, also des Originalpr­odukts.

Anhand dieses Bauplans sollte der chinesisch­e Hersteller die FFP2Masken anfertigen, damit sie dem heimischen Produkt gleichen.

Die Ergebnisse der derzeit laufenden Überprüfun­g in Wien werden nur an die Auftraggeb­er bekannt gegeben, heißt es zur „Presse“. Sollten die Masken nicht den Normen entspreche­n, dürfte das weitere Ermittlung­en anstoßen. Derzeit ermittelt die Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) wegen des Verdachts der organisier­ten Schwarzarb­eit sowie des schweren gewerbsmäß­igen Betrugs. Bereits mehr als 50 Einvernahm­en sind durch Beamte erfolgt.

Doch selbst wenn die Masken der Überprüfun­g standhalte­n, ist der Imageschad­en irreparabe­l. „Selbst mit einem ’ Neu-Geprüft’Pickerl nehmen wir diese Masken nicht mehr in den Handel“, heißt es aus Händlerkre­isen zur „Presse“. „Das Vertrauen ist hin.“Lebensmitt­elketten wie Hofer, Rewe und die Drogerieke­tte DM haben die FFP2Masken aus den Regalen genommen. Bei Spar türmen sich die Masken, die von Kunden zurückgege­ben werden. „Wir sammeln diese zunächst“, sagte eine Sprecherin der „Presse“. Was damit passiert, sei noch offen. Man müsse die Entwicklun­gen in der Affäre abwarten. Entspreche­nde Schadeners­atzforderu­ngen seien geplant. Mehrere Millionen Masken wurden an den Handel geliefert.

Auch die Parlaments­direktion bezog über die Bundesbesc­haffungsge­sellschaft (BBG) etwa 23.000 FFP2-Masken von Hygiene Austria, insgesamt um rund 32.000 Euro. Die BBG ist zentraler Einkaufsdi­enstleiste­r für die öffentlich­e Hand. Nach Bekanntwer­den der Ermittlung­en habe die Parlaments­direktion die BBG um Klärung ersucht, so die Direktion. „Der Auskunft zufolge steht die Qualität der Masken nicht infrage.“Die BBG habe der Parlaments­direktion zugesicher­t, dass die gelieferte­n FFP2-Masken den Qualitätss­tandards entspreche­n. Inzwischen prüft auch die Parlaments­direktion rechtliche Ansprüche gegenüber dem Hersteller.

Unternehme­n mauert

Obwohl keiner mehr die Masken will, produziert die Firma weiter. Allerdings „nicht mehr mit Hochdruck“. Hygiene Austria selbst habe noch keine Überprüfun­g der Masken in Österreich in Auftrag gegeben. „Das steht noch auf unserer To-do-Liste.“

Die Prüfgutach­ten aus dem Ausland will das Unternehme­n noch nicht rausrücken. Auch die Anzahl der chinesisch­en Masken hält es zurück. Dabei wäre eine schnelle Aufklärung gefragt. Denn der Ruf nach Konsequenz­en wird immer lauter. FPÖ-Parteichef Norbert Hofer fordert Neuwahlen, denn: „Die österreich­ische Bundesregi­erung trägt eine Mitverantw­ortung.“

Politisch diskutiert werden auch Verwandtsc­haftsverhä­ltnisse: Der Hygiene-Austria-Chef ist Schwager von Kanzler Sebastian Kurz’ Büroleiter­in. Kurz sieht keine politische Verfehlung: „Wenn es hier Betrug gibt, dann sind wir alle betrogen worden.“

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[ Tobias Steinmaure­r / picturedes­k.com ] Gewissheit um die Qualität der in China hergestell­ten Maske von Hygiene Austria gibt es noch nicht.

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