Österreich bleibt Mitglied im Abdullah-Zentrum
Amtssitz. Das Dialogzentrum gab bekannt, dass es Wien verlässt. Die Reise geht wohl nach Genf oder Lissabon – mit Österreich als Passagier. Die Organisation reformiert sich.
Wien. Der Abschiedsbrief kam in Form einer Aussendung. Am Freitag gab das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog offiziell bekannt, dass es umziehen und Wien verlassen wird. Der Beschluss steht schon seit Monaten fest, am Donnerstag hat ihn der Rat der Vertragsparteien (Österreich, Saudiarabien, Spanien und als Beobachter der Heilige Stuhl) auch formell einstimmig gefasst.
Für Faisal bin Abdulrahman bin Muaammar, seit der Gründung 2012 Generalsekretär der internationalen Organisation, ist es auch ein persönlicher Abschied. Wie „Die Presse“erfuhr, wird der ehemalige saudiarabische Vize-Bildungsminister der neuen Führung des Abdullah-Zentrums ab 31.Oktober nicht mehr angehören. Auch der stellvertretende Generalsekretär, der Spanier Alvaro Albacete, soll abgelöst werden. Die Organisation erneuert sich, aber ihr Amtssitz wird nicht mehr in Österreich sein. Das ist eine der Ironien dieser langjährigen diplomatischen Groteske.
Weiterhin Außenstelle in Wien?
Wohin die Reise geht, ist noch nicht klar. Es ist auch noch ungewiss, wann der Umzug erfolgen soll. In seiner Aussendung ließ Faisal bin Muaammar lediglich wissen, dass Verhandlungen mit neuen potenziellen Gastgeberländern im Gang seien. Das Zentrum hat schon vor längerer Zeit die Fühler nach Genf ausgestreckt. Doch auf Anfrage der „Presse“erklärte ein Sprecher des Eidgenössischen Departments für Auswärtige Angelegenheiten, dass die Schweiz zurzeit keine Verhandlungen führe. Verstärkt ins Spiel als neuer Amtssitz kam zuletzt Lissabon. Noch hat sich der Nebel nicht gelichtet. Und das ist auch für die 70 Mitarbeiter des Dialogzentrums enervierend, von denen einige hoffen, dass wenigstens eine Außenstelle in Wien erhalten bleibt.
Vor zehn Jahren hatte die Republik alles unternommen, um das Dialogzentrum nach Wien zu holen. Der damalige Außenminister, Michael Spindelegger, schlug den Initiatoren und edlen Spendern aus Saudiarabien sogar vor, die internationale Organisation nach König Abdullah zu benennen. Die Saudis übernahmen einen Großteil der Kosten, kauften das Palais Sturany am Schottenring, um es großzügig als Amtssitz zu renovieren. Im Laufe der Zeit geriet das Zentrum jedoch immer tiefer in den Sog innenpolitischer Diskussionen in Österreich.
Die Wende brachte der Fall Raif Badawi. Ein saudisches Gericht verurteilte den Blogger 2013 wegen „Beleidigung des Islam“zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben, während das wahabitische Königshaus gleichzeitig in Wien ein Zentrum für interreligiösen Dialog sponserte. Fortan färbte jeder Menschenrechtsverstoß im Land der Heiligen Stätten des Islam auf das Forum am Schottenring ab. Fachleute des Zentrums leisteten weltweit angesehene Arbeit, um Brücken zwischen den Religionen zu bauen. Doch eine Partei nach der anderen folgte den Grünen und wendete sich ab.
Am Ende beschloss der Nationalrat während des Interregnums der Expertenregierung Bierlein im Juni 2019 mit breiter Mehrheit, das Außenamt möge das Amtssitzabkommen kündigen. Alexander Schallenberg, damals schon Außenminister, versprach, den Entschließungsantrag umzusetzen.
Ab diesem Moment ging es nur noch um gesichtswahrende Bemühungen, Wiens Image als Amtssitz von mehr als 50 internationalen Organisationen nicht vollends zu ramponieren. Heraus kam eine typisch österreichische Lösung. Bereits im Juni des Vorjahres ließ Schallenberg nach Informationen der „Presse“dem saudiarabischen Botschafter mitteilen, dass an einem Umzug des Dialogzentrums nicht zu rütteln sei. Wichtig war ihm, im Rat der Vertragsparteien diese Woche eine Konsensentscheidung herbeizuführen, um den Eindruck abzumildern, dass die Republik eine internationale Organisation aus dem Land geworfen hat.
Die Pointe der Posse
Die Posse hat noch eine Pointe: Österreich beherbergt das Dialogzentrum zwar bald nicht mehr und verzichtet auf Umwegrentabilität, bleibt aber Mitglied. Türkis-Grün hatte im Koalitionsvertrag zwei Bedingungen formuliert, die innerhalb eines Jahres erfüllt sein müssten, um einen Ausstieg aus der Organisation abzuwenden: Eine Anbindung an die UNO und eine Verbreiterung der Mitgliederbasis. Beides sieht die Regierung nun als erfüllt an. Tatsächlich spricht das Dialogzentrum mit Ländern wie Marokko, Nigeria oder Japan über einen Beitritt. Seit Jahren schon. Bisher ohne Erfolg.