Der Papst als „Pilger des Friedens“im Irak
Nahost. An einer der Wiegen des Christentums will Franziskus bei seiner heiklen Reise die „Märtyrerkirche“würdigen und den Dialog mit den Muslimen führen.
Wien/Bagdad. Ein Jahr war Papst Franziskus mehr oder weniger hinter den Mauern des Vatikans eingesperrt. So sah der freiheitsliebende Jesuit das selbst. Als er dann am Freitag zu seiner ersten, lang ersehnten Auslandsreise während der Coronapandemie aufbrach, war so ziemlich alles anders als bei den päpstlichen Visiten der jüngeren Geschichte. Denn im Irak flackern nach wie vor die Nachwehen der Golf-Kriege auf, die das Land seit mehr als vier Jahrzehnten auszehren – und die Zeugnisse sind omnipräsent, nicht zuletzt in den Kirchen der arg geschrumpften christlichen Minderheit.
Am Flughafen in Bagdad fand sich neben den staatlichen und kirchlichen Honoratioren nur eine auserlesene Schar von Zaungästen ein, die den hohen Besuch mit den gelb-weißen Fähnchen des Vatikanstaats empfing. Eine Corona-Erkrankung zwang selbst den Nuntius in Bagdad, den slowenischen Erzbischof Mitja Leskovar, in häusliche Quarantäne.
Geisterstadt Bagdad
Wegen einer coronabedingten mehrtägigen Ausgangssperre nach einer neuen Infektionswelle und mehr noch wegen maximaler Sicherheitsvorkehrungen glich die Hauptstadt einer – wenngleich notdürftig aufpolierten – Geisterstadt. Auf Plakaten und an den Wänden der von Kriegsnarben übersäten Stadt prangt das Konterfei von Franziskus, oftmals neben Friedenstauben. Er komme als „Pilger des Friedens“und „Büßer“, betonte er. An die „Menschheitsfamilie“richtete er den Appell, die Rivalitäten zu überwinden. „Die Waffen sollen schweigen.“
Der 84-Jährige, seit Jänner gegen das Coronavirus geimpft, ließ sich weder von den erschwerten Pandemie-Bedingungen noch von der weiterhin prekären Sicherheitslage im Irak von seiner historischen Mission im Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris, einer der Wiegen des Christentums, abhalten. Noch am Mittwoch waren als Fanal Raketen pro-iranischer Milizen auf einem Militärstützpunkt der US-Truppen im Westen des Irak eingeschlagen. Szenarien für gesteuerte Aufstände und Anschläge hatten die Mission bis zuletzt infrage gestellt.
Doch Franziskus ist beseelt von seiner Botschaft der Versöhnung und Hoffnung: „Das ist eine symbolträchtige Reise und eine Verpflichtung gegenüber einem Land, das so lang gepeinigt worden ist.“Und in Anspielung auf die fortgeschrittenen Pläne für einen Irak-Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000, die schließlich doch noch an einem Sinneswandel des Diktators Saddam Hussein scheiterten, sagte er: „Das irakische Volk wartet auf uns. Wir dürfen es nicht ein zweites Mal enttäuschen.“
Die Signale der offiziellen Stellen aus dem Irak waren rundum positiv – vom katholisch-chaldäischen Kardinal Louis Raphael Sako, der sich ein starkes Lebenszeichen seiner kleinen Gemeinde erhofft, bis hin zu Moqtada al-Sadr, dem militanten Schiitenführer, der vor dem Besuch des „Freundes des Friedens“die Anhänger zu Ruhe aufrief. Freilich prangerte Sako in einem Interview die Vernachlässigung durch den Westen an.
Vom Besuch der Kathedrale in Bagdad, 2010 Ort eines Attentats der IS-Milizen mit mehr als 50 Toten, über das Treffen mit dem 90-jährigen schiitischen Großayatollah Ali al-Sistani in Najaf und einem interreligiösen Gebet in Ur, der Heimat Abrahams, reiht sich ein Höhepunkt an den anderen. Als einzige Großveranstaltung ist am Sonntag im Fußballstadion von Erbil, der Hauptstadt der autonomen Kurdenregion, eine Messe mit rund 10.000 Teilnehmern angesetzt.
Größere Aufmerksamkeit wird wohl eine Stippvisite des Papstes in Mossul auf sich ziehen, wo die radikalen IS-Milizen gewütet, ein „Kalifat“errichtet und die letzten verbliebenen Christen unterjocht hatten. Als im Oktober 2016 die Glocken der geplünderten und gebrandschatzten Kirchen auf dem Vierkirchenplatz läuteten, trugen sie den Sieg über den IS hinaus in die Welt. Am Exodus der irakischen Christen hat sich seither wenig geändert. Der Papst will sie zur Rückkehr animieren und die Widerstandskraft der „Märtyrerkirche“würdigen.