Demos verlieren Schwung
Corona. Am Samstag dürfte Wien wieder zum „Demo-Hotspot“werden. Der Höhepunkt der Bewegung könnte aber überschritten sein.
Wien. Und wieder einmal sollen es die größten Demos sein, die es gegen die Corona-Politik jemals gab. Die Organisatoren überschlagen sich in ihren Aufrufen, 100.000 Teilnehmer sollen es – diesmal aber wirklich – an diesem Wochenende sein. Auch die Polizei erwartet, dass Wien am Samstag ein Demo-Hotspot wird.
Was passiert am Wochenende? Womit muss man rechnen?
Demonstriert wird am Wochenende österreichweit, Höhepunkt dürfte der Samstag in Wien werden: 36 Demos sind zu diversen Themen angemeldet. Bis Freitag wurden 12 davon untersagt. Darunter die Großdemonstration, die um 13 Uhr mit 10.000 Teilnehmern im Bereich Burgring/MariaTheresien-Platz starten sollte. In einschlägigen Kanälen wird weiter zu einer Großdemo aufgerufen – aber ohne einen konkreten Ort. Diese Verwirr-Taktik, um den Polizeieinsatz zu erschweren, ist bekannt. Von linker Seite sind Gegendemos angemeldet. Und die FPÖ will eine eigene Kundgebung im Prater abhalten.
Wer demonstriert am Samstag? Und hält der Zustrom an?
Die Dimension der Demonstration dürfte ähnlich sein wie bei Kundgebungen im Jänner, da waren es um die 10.000 Teilnehmer. Tatsächlich sei das aber schwer vorherzusagen, so Reinhard Schnakl, der stellvertretende Generaldirektor für öffentliche Sicherheit. Die Polizei erwartet Teilnehmer aus ganz Österreich und aus Deutschland, so hat etwa die AfD zur Teilnahme aufgerufen.
Überhaupt warnte Schnakl vor dem Umfeld der Bewegung; Unter den Organisatoren seien Vertreter der rechtsextremen Szene, etwa Identitäre, Staatsverweigerer, Verschwörungstheoretiker. „Aber, wir sehen einen Trend, dass die Bewegung einen geringeren Zulauf hat.“Er sieht als einen Grund dafür das härtere Durchgreifen der Polizei. Und vielleicht wollen sich manche, die zwar demonstrieren, die Existenz des Virus aber anerkennen, der Infektionsgefahr nicht aussetzen: So zeigt eine Studie der Humboldt Uni Berlin, dass „Querdenker“Demos vorigen November signifikant zur Verbreitung des Virus in Deutschland beigetragen haben.
Wie sieht die Bilanz über die Demonstrationen bisher aus?
In Österreich hat die Bewegung vor allem seit Ende 2020 an Dynamik gewonnen: Seit 26. Dezember hat das Innenministerium 673 Kundgebungen im Zusammenhang mit Corona registriert, davon waren 113 nicht angemeldet, 75 untersagt. Dabei wurden 7175 Anzeigen nach dem Verwaltungsrecht erstattet, 171 Personen wurden festgenommen. In Summe wurden bei den Veranstaltungen rund 85.000 Teilnehmer gezählt.
Rechtsradikale, Infektionsgefahr: Warum greift man nicht durch?
Die Demos sorgten zuletzt für viel Aufregung – und für den Ruf nach einem Durchgreifen. Die Polizei steht vor einem Dilemma. „Wir sind da, um Grund- und Freiheitsrechte zu schützen“, sagt Schnakl. Es gelte der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: „Das Auflösen der Versammlung darf nicht mehr Schaden anrichten als die Versammlung selbst.“Hier mache der Polizei auch das „inhomogene Teilnehmerfeld“ein Einschreiten schwierig: Bei den Corona-Demos waren auch kleine Kinder, gebrechliche Alte oder Hunde.
Wie sieht die Taktik der Polizei an diesem Wochenende aus?
Am Samstag werden 1500 Polizisten im Einsatz sein, wobei kurzfristig aufgestockt werden kann. Gegen die Taktik der Demonstranten, in kleineren Gruppen durch die Stadt zu ziehen, sammelt ein Team Infos aus OnlineNetzwerken, um rasch reagieren zu können. Die Polizei will „deeskalierend“auftreten, wirke das nicht, „sind wir angehalten einzuschreiten und durchzugreifen“.
Erschwerend dazu kommt die Infektionsgefahr: Nach großen Einsätzen habe es Cluster innerhalb der Polizei gegeben. Längerfristig hofft Schnakl auf die Impfung: Wenn die Pandemie abebbt, Öffnungen möglich sind, „hoffen wir auf ein sukzessives Abebben dieser Bewegung“, so Schnakl.