Wien, im Leben der anderen
Kunsthistoriker Rainer Metzger erzählt in seinem Buch anhand von 25 Persönlichkeiten die Kulturgeschichte Wiens nach.
m in Wien unvergessen zu sein, reicht es manchmal schon, wenn man nur eine Nacht da war. Wie im Fall von Yoko Ono und John Lennon, die Ende März 1969 im Zuge ihrer Hochzeitsreise nur eine Nacht blieben. Unvergessen die Bilder aus dem Roten Salon des Hotel Sacher, wo das Paar unter einem Leintuch versteckt eine Pressekonferenz gab. Für den ORF war ein gewisser Andre´ Heller dabei, dessen Fragen den verhüllten Stars so gefielen, dass Heller am nächsten Tag mit ihnen in der Suite 101 frühstücken durfte.
Diesem einprägsamen Kurzbesuch widmet der Kunsthistoriker Rainer Metzger eines der 25 Kapitel seines neuen Buchs „Willkommen in Wien“, in dem er die Kulturgeschichte der Stadt anhand von 25 „Gewährspersonen“, wie er sie nennt, nacherzählt. Von Marc Aurel vor rund 2000 Jahren bis in die Gegenwart „heftet man sich an die Fersen einer historischen Persönlichkeit und lernt so die Stadt in ihrer historischen Situation kennen“, formuliert es Metzger, der viele Jahre in Wien als Journalist und
Kurator tätig war.
Ausgewählt hat er für sein Buch dabei bewusst Personen, die – mit wenigen Ausnahmen – nicht unbedingt bekannt sind, „bisher nicht so im Fokus standen“oder aber auch, wie etwa Walther von der Vogelweide („Zu Oesterrˆıche lernde ich singen unde sagen“), eher selten mit Wien assoziiert werden. Auf viele der üblichen Verdächtigen, die man in einem solchen Wien-Buch erwarten würde (Mozart, Freud, ...) verzichtet Metzger. „Ich wollte Menschen haben“, sagt er, „die nicht durchgewinkt werden können, die etwas Kontroverses verkörpern.“Wie Abraham a Santa Clara, den Prediger und Sprachvirtuosen, den man durch das von der Pest geplagte Wien im späten 17. Jahrhundert begleitet.
Der Autor wollte aber auch Frauen in den Vordergrund rücken. So wird die Zeit um 1900 anhand von Lina Loos erzählt, „Cafetierstochter, Schauspielerin, Stadtschönheit und Wiener Figur“, und ja, auch Ehefrau von Adolf Loos. Oder Maria Theresia Paradis, eine blinde Pianistin, die nur wenige Jahre jünger als Mozart war, ebenso als Wunderkind durch Europa reiste und „wie nebenbei an der Emanzipation der Blinden wie der Frauen“arbeitete. Später gründete sie in Wien eine Musikschule für blinde Kinder.
Metzger selbst ist Wien seit Langem verbunden, und auch wenn er nun hauptsächlich in Karlsruhe lebt, „komme ich nie aus Wien weg“, wie er sagt. „Meine allerersten Eindrücke als Dreijähriger“stammen aus Wien – von der Gartenausstellung 1964 und dem frisch errichteten Donauturm.
Viele Jahre später, 1994, kehrte er als Journalist in die Stadt zurück. „Ich bin sehr freundlich aufgenommen worden“, sagt er. „Vielleicht fast übertrieben freundlich, was durchaus wienerisch ist. Hintenrum gab es dann auch Beschwerden.“Prinzipiell könne er aber „mit der Wiener Ironie sehr gut umgehen“.
Das letzte Kapitel ist dem Architektenduo Anna Popelka und Georg Poduschka (PPAG) gewidmet, die die heute ikonischen Stadtmöbel im MQ, die Enzis, entworfen haben. Eigentlich wollte er das Buch ja mit Wanda beenden, sagt er, „dann aber entschied er sich für PPAG, auch weil er mit seiner Tochter vor Jahren am Weg zum Kindergarten immer am Büro der Architekten vorbeispaziert ist“. „Da saß immer eine wunderschöne Katze im Büro.“Popelka und er kannte einander „ vom Zuwinken“. Am Ende jeden Kapitels gibt es Tipps, wo man in der Stadt Spuren der Porträtierten finden kann. Wie das Cafe´ Bräunerhof als Lieblingskaffeehaus vom Thomas Bernhard, die Reste der Babenbergerresidenz, in der auch Walther von der Vogelweide lebte, im Kellergeschoß des Collalto-Palais (Am Hof ).
Die vorgestellten Personen haben aber nicht in Wien einen Eindruck hinterlassen –, sondern durchaus auch umgekehrt: „Made a lightning trip to Vienna/Eating chocolate cake in a bag“heißt es in der „Ballad of John & Yoko“.
Buchpräsentation: 18. 3., 18 Uhr im Thalia Wien Mitte. Begrenzte Teilnehmerzahl. www.styriabooks.at