Sperren aufgehoben: Box-Streit geht in die nächste Runde
Boxen. Deshire Kurtaj kämpft mit dem A-Kader weiter für eine Reform des Verbands. Der ÖBV hält an umstrittenem Nationaltrainer Daniel Nader fest.
Wien. Einen Kampf außerhalb des gewohnten Boxringes führen Deshire Kurtaj, Umar Dzambekov und Marcel Rumpler. Ende Jänner belegte der Österreichische Boxverband (ÖBV) die drei Mitglieder des A-Kaders wegen öffentlicher Kritik an Nationaltrainer Daniel Nader mit einer lebenslangen Sperre. Die Härte der ausgesprochenen Strafe sorgte für Aufsehen, inzwischen ist sie wieder aufgehoben, wie „Die Presse“erfuhr. Ein Teilerfolg für die Sportler, die jedoch an ihrem Ziel festhalten, „dass Daniel Nader nicht mehr Nationaltrainer ist. Ein Verband sollte auf seine Sportler und nicht auf seinen Trainer fokussiert sein“, sagt Kurtaj.
Schon seit November war der gesamte A-Kader suspendiert, ging schließlich im Jänner mit den schweren Vorwürfen gegen Nader – unter anderem wegen Mobbings, Manipulation, Diskriminierung und Sexismus – an die Öffentlichkeit. Der ÖBV erklärt in einer Stellungnahme gegenüber der „Presse“, dass trotz Aufhebung der Sperre der „Beschluss sachlich richtig“bleibe und ein formelles Disziplinarverfahren gegen das Trio eingeleitet wurde. Damit trägt der ÖBV primär den eigenen Statuten Rechnung. Denn die in einer OnlineVorstandssitzung beschlossene Strafe hätte, wie zwei Juristen in einer Diskussionsrunde des Vereins „Wir Frauen im Sport“attestierten, „unter keinen Umständen“vor Gericht gehalten. Zudem hält der ÖBV, dem der Jurist Daniel Fleissner vorsteht, an Daniel Nader fest: „Eine Änderung im Trainingsbetrieb ist in der derzeitigen Situation nicht angedacht.“
Es geht um mehr als Tokio
Zusätzlich zum juristischen Streit kümmern sich Kurtaj, Dzambekov und Rumpler in Eigenregie um ihr Training. „Alles zusammen ein Aufwand, den man in Geld eigentlich gar nicht aufwiegen kann“, erzählt die 23-jährige Kurtaj, die zweimal Staatsmeisterin (bis 57 kg) und wie Dzambekov zum Zeitpunkt der Sperre noch im Olympia-Rennen war. Nach der Absage des Welt-Qualifikationsturniers bleibt Rumpler der einzige Kandidat für Tokio. Zwei Siege fehlen ihm auf die Olympia-Teilnahme – die erste eines Österreichers seit Biko Botowamungu 1988 in Seoul (1. Runde, K. o. gegen Riddick Bowe, USA). „Eigentlich sollte ich unterstützt oder zumindest in Ruhe gelassen werden und nicht gegen den Verband vorgehen müssen“, kritisiert Rumpler, der neunmal Staatsmeister (bis 69 kg) war.
Die Kommunikation erfolgt längst nur noch über Anwälte. Der ÖBV verweist seinerseits auf die Sorgfaltspflicht, der er ohne Informationen über Fitness und Trainingsstand der Athleten nicht nachkommen könne.
Kurtaj geht es mit ihren Kollegen um eine Neuaufstellung des Boxsports. „Es braucht Reformen und Richtlinien, damit Sportler eine Anlaufstelle haben“, sagt die Wienerin. Denn ÖOC und BSO erklärten, sich nicht in verbandsinterne Angelegenheiten einzumischen. „Das ist Österreichs Sportpolitik. Keiner fühlt sich für verantwortlich oder zuständig. Es scheint allen egal, dass du zehn Jahre deines Lebens für Sport und Land geopfert hast“, hadert Rumpler. Trotz des jetzigen Wissens um die Schlammschlacht würden sie diesen Weg noch einmal gehen. Kurtaj: „Vielleicht etwas durchdachter und weniger gutgläubig. Ich habe bis zuletzt geglaubt, der Verband meint es gut mit uns.“
Die Leidenschaft fürs Boxen ist ungebrochen groß, treibt Kurtaj weiter an. „Ich sehe mich immer noch in Paris 2024“, erklärt sie ihre Motivation. „Ich trainiere jetzt zweimal am Tag eigentlich für nichts. Aber ich liebe diesen Sport und möchte bereit sein, wenn der Wettkampf wieder startet. Das lasse ich mir nicht wegnehmen.“