Wer ausgelassen bei Disco-Wirten abtanzt, wird rasch geimpft
Beim Arzt verkürzt man die Wartezeit mit der gebotenen Lektüre, Servicenummern setzen auf Musik. Wie taucht man bei Corona durch? Herr Hacker, warum haben Sie Wien Landstraße nicht präventiv zur Quarantänezone erklärt?
Dies ist eine Kolumne über die Kunst des Wartens, die außerdem exklusiv ein Staatsgeheimnis enthüllen wird – aber dazu später. Erst wollen wir noch verraten, dass es in den geräumigen Hallen des Gegengiftes eine kleine Versuchsstation gibt, die sich dem Weltuntergang (VSWUG) widmet. Ihre Forscher haben sich seit vergangenem Jahr vermehrt Statistiken sowie Wahrscheinlichkeitsrechnungen zugewandt. Wie ein Mantra beten sie nun täglich diverse Kennzahlen herunter.
Von Lockerungskoeffizienten und Wachstumsfaktoren ist die Rede, von der Mystik der Zahl 50. Daten-Apokalyptiker beglücken diese Kurven, die positiv gesehen himmelwärts, negativ gesehen in den Abgrund führen. Oder auch umgekehrt. Ein Mitarbeiter der VSWUG hat nun just zu Beginn des zweiten Covid-19-Jahres entdeckt, dass irgendetwas mit der Prioritätenliste der staatlichen Wächter über die Gesundheit nicht stimmen kann. Da sollen exotische Orte, ja ganze Bezirke weit hinten in den Alpen, beim Impfplan vorgezogen werden, bloß weil die indigenen Völker dort samt ihren Gästen den weisen Rat des ORF-Kaisers nicht befolgt haben: „Er muss aber auch einmal ein bisserl brav sein!“
Wir hier in Erdberg haben uns strikt an Hygieneregeln gehalten; nur eine Person pro Großraum, die Silikon-Handschuhe und getönte Skibrille trägt, stündlich eine neue ChinaMaske aufsetzt. Vor dem Nachhauseweg heißt es: „Rein in den Schutzanzug!“Virenfreiheit war uns stets eine heilige Pflicht. Nun aber fragt man sich: War es ein Fehler, nicht mindestens einmal pro Woche bei Szene-Disco-Wirten abzutanzen? Liegt es am Mangel an Skiliften in Ost-Wien, dass wir noch immer ungeimpft sind?
Schuld ist natürlich wieder der örtliche Gesundheitsstadtrat, ein Sozialist, was sonst? Herr Hacker, warum haben Sie den dritten Hieb nicht präventiv zur Quarantänezone erklärt, wie das jeder progressive Provinzpolitiker inzwischen anstellt? Dann wären wir längst dran am kostbaren Pharma-Stoff. So aber heißt es warten. Nach Auswertung der verfügbaren Tabellen rechnen die Durchschnittsbürger der VSWUG damit, nicht im September 2021, sondern im Oktober 2022 tot oder an der Reihe zu sein.
Wie verkürzt man bis dahin die Zeit? Abzulehnen sind die grausamen Taktiken von Servicediensten, die telefonisch um Rat bittende Kunden stundenlang in den Leitungen halten. Den Sadismus verstärken sie, indem die Zwischenzeit mit sanfter Musik unterlegt wird. (Schlimmer wären nur noch weitere Corona-Pressekonferenzen.) Liebe Kommunikatoren, machen sie keinen Vivaldi-Terror! Lieber ist uns selbst Stockhausen-Brausen in Warteschleifen, damit Bittsteller auch noch nach 50 Minuten spüren, dass sie leben. Oder ein klassischer Trauermarsch. Da wird wenigstens klar, was kommt. Würdevolles Ausharren kennt jeder vom Arzt oder Zahnarzt. Wo, wenn nicht in den Vorraum-Vorhöllen der Ordinationen, liest man zur Ablenkung von Urängsten sogar Gesundheitsmagazine, Apotheker-Zeitungen oder gar ein Amtsblatt?
Wie die Zeit vergeht! Schon ist sie für diese Kolumne wieder abgelaufen. Sie fragen nach dem Staatsgeheimnis, liebe LeserInnen? Oje, die Festplatte des Laptops ist perdu, das Handy wurde konfisziert. Eines können wir kurz anschobern: Die nächsten 14 Monate werden entscheidend sein.