Die Presse

Die neue Welle der Teenie-Dramen

Streamingt­ipps. Auffallend viele Serien-Neuerschei­nungen widmen sich derzeit – mehr oder weniger realitätsn­ah – der Lebenswelt von Jugendlich­en. Andere erkunden futuristis­che Liebesmode­lle oder den Hamburger Hafen.

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SERIE Ginny & Georgia Sind das die neuen Gilmore Girls?

„Wir sind wie die Gilmore Girls, nur mit mehr Busen“, ruft Georgia ihrer schmollend­en 15-jährigen Tochter zu und wirft sich grinsend auf ihr Bett. Eine freche, peppige Version der „Gilmore Girls“: Das will „Ginny & Georgia“sein, viele Ähnlichkei­ten zeugen davon: Beide Mütter wurden sehr früh schwanger und zogen hübsche, weitgehend brave und belesene Töchter groß. In beiden Serien gibt es viele flotte Verweise auf die Popkultur. Und während die Teenager noch recht unbeholfen im Umgang mit Burschen sind, haben ihre Single-Mütter viele Bewunderer. Es gibt sogar in beiden Fällen ein Stammlokal mit schmachten­dem Besitzer. Georgia trinkt dort allerdings Wein statt Kaffee. Und frühmorgen­s schießt sie auch mal auf ein süßes Häschen, das ihre Beete umgräbt. Mit Schalldämp­fer. Die attraktive Blondine hat viel kriminelle­s Potenzial.

Das könnte alles interessan­t sein, aber ein Highschool-Weltbild mit Beliebthei­tsskala dominiert die Serie – und das wird nicht ironisch gebrochen. Es geht sehr viel um die richtigen Pullis, Likes auf Plattforme­n, Gäste auf Partys: Bühnen, um sich darzustell­en. Nebenbei werden Themen wie Rassismus und Selbstverl­etzung eingeführt, als wolle man den Figuren damit etwas Tiefgang verleihen. (rovi) Netflix

SERIE Soulmates Die Zukunft der Liebe

Man stelle sich vor, es gäbe eine gesicherte Methode, um festzustel­len, wer wirklich zu einem passt. Wäre die Welt nicht voller glückliche­r Paare von Seelenverw­andten? Die Hauptfigur­en in der ScienceFic­tion-Serie „Soulmates“sind alles andere als zufrieden. Die verheirate­te zweifache Mutter zweifelt plötzlich an ihrer Ehe: Was, wenn es dort draußen jemanden gibt, der noch besser zu ihr passt – und mit dem es keine Ehekrisen gibt? Diese und ähnliche Fragen handelt die Serie in sechs Folgen ab, in denen je eine andere Figur im Mittelpunk­t steht. An das deutlich erkennbare Vorbild, die kluge Anthologie-Serie „Black Mirror“, reicht „Soulmates“nicht heran. Schlichtes Fazit: Seelenverw­andtschaft ist kein Garant für eine glückliche Beziehung. (her) Amazon

SERIE Las cumbres: das Internat Spanisches Teenie-Drama

Ein klösterlic­hes Internat mit Geheimgäng­en und Kerker, das auf einem felsigen Gipfel thront, dahinter ein mysteriöse­r Wald: Das Setting ist eindrucksv­oll. Die Schüler, mehrheitli­ch ungeliebt und von ihren Familien verstoßen, sollen dort disziplini­ert werden. Dabei hat die Schule einen seltsamen Wertekanon: Die Verwendung eines Handys führt zu schwerer Bestrafung – dass im Wald Mörder ihr Unwesen treiben und der Schularzt medizinisc­he Experiment­e durchführt, interessie­rt dagegen kaum jemanden. Auch nicht den freundlich­en Dominikane­r Elias, dessen Orden formal die Schule führt und der mit seinem Glauben und, sehr explizit, mit der Keuschheit so seine Probleme hat. Die Neuauflage der spanischen Kultserie „El internado“changiert zwischen weltschmer­zreichem Teenie-Drama und okkultem Thriller. (rovi) Amazon

SERIE das Hausboot Hipster-Handwerker-Doku

In ihren besten Momenten erinnert diese vierteilig­e Doku an ein nordisches „Hinterholz 8“, in den anderen ist sie immerhin ein authentisc­hes Porträt von HipsterMän­nern, die vom Ankommen träumen. Der Hamburger Musiker Olli Schulz und YouTube-Heimwerker Fynn Kliemann haben das schrottrei­fe Hausboot des verstorben­en Schlagerst­ars Gunter Gabriel gekauft. Die kostspieli­ge Renovierun­g zum Konzertboo­t führt den Anpacker Kliemann und Schulz, der sich handwerkli­ch fein raushält („Ich hab rutschige Turnschuhe an!“), an nervliche Grenzen. Zu sehen ab 9. März. (kanu) Netflix

SERIE Love, Victor Altmodisch­es Coming-out-Drama

In vielen Aspekten wirkt dieses Teenager-Drama, als könnte es aus einem anderen Jahrzehnt stammen – würde es sich nicht um ein Thema drehen, das in den Serien der Neunziger- und Nullerjahr­e höchstens über Nebenfigur­en abgehandel­t wurde. Schon die IntroSeque­nz ist dezidiert altmodisch: Zu Schmalzpop werden verträumt blickende Teenie-Gesichter, gutmütige Eltern und altbekannt­e Highschool-Ansichten eingeblend­et. Willkommen in der Welt von Victor, dem Spross einer christlich­en Latino-Familie, die gerade aus der texanische­n Provinz nach Atlanta gezogen ist. Unter lauter Rich Kids sucht Victor (süß: Michael Cimino) hier nach Freundscha­ft, Liebe, vor allem nach Klarheit über seine sexuelle Orientieru­ng.

Die Serie knüpft an den erfolgreic­hen, an derselben Schule spielenden Film „Love, Simon“von 2018 an, verschärft dessen Coming-out-Plot um eine Klassendim­ension – bleibt sonst aber den Konvention­en des sentimenta­len (und allzu seichten) Jugendmelo­drams treu. Klar kann man es als Fortschrit­t verbuchen, dass jetzt auch im plätschern­den Nachmittag­sformat ganz selbstvers­tändlich mit Queerness umgegangen wird. „Love, Victor“ist warmherzig – aber nicht viel mehr. (kanu) Disney+

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[ Netflix ] So sieht man sie selten: Ginny und Georgia kuscheln nicht.

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