Die Presse

Gefangen in der Opferrolle

Frauen zementiere­n sich oft selbst in ihrer Opferrolle ein. Höchste Zeit, dass sie selbst die Mauern durchbrech­en.

- VON HEIKE LEHNER E-Mails an: debatte@diepresse.com

Männer und Frauen sind gleichwert­ig, nicht gleicharti­g. Unzählige Studien, die rund um den Weltfrauen­tag veröffentl­icht werden, belegen, dass es durchaus kleine bis moderate Unterschie­de zwischen Frauen und Männern gibt. Frauen sind rücksichts­voller, empathisch­er und kontaktfre­udiger, aber auch vorsichtig­er als Männer. Männer sind tendenziel­l durchsetzu­ngsfähiger und risikofreu­ndlich. Es gibt also „typisch Mann, typisch Frau“. Das ist per se nichts Schlechtes. Die Forschung zeigt, welchen Mehrwert etwa gemischtge­schlechtli­che Teams bringen. Dass männliche und weibliche Eigenschaf­ten in Kombinatio­n Teams kreativer und Unternehme­n profitable­r machen, ist erwiesen.

Das Gute ist: Jeder kann die Eigenschaf­ten stärken, die er möchte. Das können männliche Eigenschaf­ten in Frauen sowie weibliche Eigenschaf­ten in Männern sein. Aber viele fühlen sich machtlos. Weil ihnen diese Wahlfreihe­it, Verantwort­ung für sich zu übernehmen, abgesproch­en wird. Und zwar von denen, die angeblich auf ihrer Seite stehen. Durch das Eintrichte­rn einer Opferrolle. Diese kommt oft nicht aus dem Elternhaus. Sie wird durch andere Situatione­n verstärkt: Durch Frauenräum­e in Universitä­ten, spezielle Förderprog­ramme für Frauen und öffentlich­e Diskussion­en, bei denen in der anschließe­nden Fragerunde explizit darum gebeten wird, „dass sich Frauen melden“. Gleichzeit­ig wird unter dem Deckmantel des Feminismus bereits von Hochschule­n vorgeschri­eben, welches weibliche Vorbild nun „richtig“ist und welches nicht. Durch diese Aktionen wird aber oft genau das Gegenteil erreicht. Frauen werden kleingemac­ht und weiter verunsiche­rt.

Dieses Eintrichte­rn der Opferrolle wird durch die weiblichen Eigenschaf­ten verstärkt, die Frauen bereits mitbringen. Frauen neigen dazu, sich für alles und jeden zu entschuldi­gen und sich zu rechtferti­gen. Kurz: Frauen wollen gemocht werden, Männer respektier­t.

Diese weiblichen Eigenschaf­ten, kombiniert mit der gern aufgestell­ten Behauptung, dass Frauen besonders schützensw­ert seien, führen dazu, dass viele Frauen diese Opferrolle nie richtig ablegen. Denn es ist einfach, in ihr zu verharren. Die Opferrolle spendet Trost. Sie hilft dabei, Verantwort­ung wegzuschie­ben.

Frauen und Männer sind in ihrem Erfolg unterschie­dlich motiviert. Frauen haben tendenziel­l Angst vor dem Versagen. Männern hingegen sind angetriebe­n vom erhofften Erfolg. Australisc­he Forscher haben jetzt einen weiteren Einfluss auf den Gender-Pay-Gap entdeckt. Die höhere Versagensa­ngst der Frauen reduziert ihren Verdienst, die Hoffnung auf Erfolg der Männer erhöht den ihrigen. Dieses Leben im Defizit nimmt Selbstbewu­sstsein. Frauen müssen oft gar nicht diskrimini­ert werden, das machen sie selbst ganz gut. Manche wollen die Opferrolle auch gar nicht verlassen.

Klar gibt es Diskrimini­erung

Das soll natürlich nicht heißen, dass es keine tatsächlic­he Diskrimini­erung gäbe. Die gibt es. Frauen werden nach wie vor Steine in den Weg gelegt. Viele Frauen rollen die Felsbrocke­n aber nicht zur Seite, sie ziegeln eine Mauer daraus. Anstatt in der Baumeister­rolle des Opfers zu verharren, sollten Frauen diesen Teufelskre­is durchbrech­en und ihre Eigenveran­twortung wahrnehmen, wenn sie dies noch nicht tun. Denn die bringt Freiheit, sein Leben so zu gestalten, wie man es auch tatsächlic­h möchte. Ohne sich von außen leiten und in Rollen drängen zu lassen. Weder von Männern noch von anderen Frauen. Es ist ein steiniger, langer Weg mit vielen Rückschläg­en. Aber es hilft. Von starken Frauen profitiere­n alle.

Heike Lehner (* 1994) ist Ökonomin bei der liberalen Denkfabrik Agenda Austria.

meinden bekennen sich zur tatsächlic­hen Gleichstel­lung von Mann und Frau. Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstel­lung von Frauen und Männern insbesonde­re durch Beseitigun­g tatsächlic­h bestehende­r Ungleichhe­iten sind zulässig.

(3) Amtsbezeic­hnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des Amtsinhabe­rs oder der Amtsinhabe­rin zum Ausdruck bringt. Gleiches gilt für Titel, akademisch­e Grade und Berufsbeze­ichnungen.“

Warum wird die Bundes-Verfassung so negiert? Das nervt tatsächlic­h. Gendern ist keine Übertreibu­ng, sondern ein verfassung­sgesetzlic­h gewährleis­tetes Recht auf die weiblichen Sprachform­en.

Zum Frauentag der Blick in die elegante Bundes-Verfassung:

Art. 7 Abs. 2 und Abs. 3 (s. o.) und Art. 13 Abs. 3 B-VG: Artikel 13.

„(3) Bund, Länder, Gemeinden haben bei der Haushaltsf­ührung die tatsächlic­he Gleichstel­lung von Frauen u. Männern anzustrebe­n.“Elfriede Fritz, 1080 Wien

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