Die Presse

Warum häufen sich Laufverlet­zungen im Frühling?

Besonders viele Sportlerin­nen und Sportler kommen im März mit Beschwerde­n in Arztpraxen, zeigte eine Studie der Med-Uni Wien.

- VON ADRIAN VON JAGOW [ Foto: Med-Uni Wien/Matern ]

Laufen ist ein Volkssport: In Österreich joggt fast ein Drittel der Bevölkerun­g ab 15 Jahren regelmäßig. Doch mit der Lust am Laufen mehren sich auch Beschwerde­n wie das Läuferknie. Häufig sorgt die Überbeansp­ruchung des Bewegungsa­pparats zwischen Oberschenk­el und Knie für Schmerzen – und Arztbesuch­e. Letztere analysiert­e ein Team der Medizinisc­hen Universitä­t Wien in Zusammenar­beit mit dem Orthopädie­zentrum Innere Stadt und entdeckte: Fast die Hälfte aller Verletzten suchten den Arzt zwischen Februar und Mai auf. Woran liegt das?

„Für die Studie untersucht­en wir 178 Patientinn­en und Patienten des Orthopädie­zentrums mit über 200 Verletzung­en. Jede der Diagnosen war das Resultat einer Überlastun­g.

Solche Krankheits­bilder akkumulier­en sich oft über Monate“, sagt Emir Benca, Leiter des Adolf-Lorenz-Labors für Biomechani­k der Universitä­tsklinik für Orthopädie und Unfallchir­urgie. Typische Beschwerde­n betreffen die Knie und das iliotibial­e Band, einen Faszienstr­eifen, der die seitliche Oberschenk­elmuskulat­ur zwischen Becken und Schienbein­ansatz stützt. Aber auch die Wirbelsäul­e und Sprunggele­nke sind immer wieder betroffen. Als Laufverlet­zung gelten die Symptome, wenn sie während oder direkt nach dem Sport auftauchen und das Training für mindestens drei Tage verhindern.

Marathon schürt Dringlichk­eit

„Der März und die Frühlingsm­onate sind in der Statistik besonders prominent“, so der Biomechani­ker. Jedoch häuften sich nicht die Krankheits­bilder im Frühjahr, sondern lediglich die Dringlichk­eit, mit der die Laufenthus­iasten zum Arzt gingen. „Wir vermuten, dass der unmittelba­r bevorstehe­nde Vienna City Marathon, ein Großereign­is im April, damit zu tun hat.“Sportlerin­nen und Sportler, die sich auf die gut 42 Kilometer vorbereite­ten, liefen zwei Wochen vor dem Event ihre längste Distanz, meist um die 30 Kilometer: „Kleine Beschwerde­n, die in den Monaten zuvor entstanden sind, kommen dann schmerzlic­h zum Vorschein.“

Anlass für die Studie war Bencas eigene Erfahrung. Der Hobbysport­ler wechselte nach Beginn seines Lauftraini­ngs schnell zu einem sogenannte­n Minimallau­fschuh. Er soll das Barfußlauf­en imitieren und bietet dem Bewegungsa­pparat kaum Unterstütz­ung. „Dafür hatte ich damals jedoch nicht den nötigen Trainingss­tand und verletzte mich“, so der Forscher. Der falsche Schuh und ein zu ambitionie­rtes Trainingsp­rogramm seien Beispiele externer Faktoren für eine Laufverlet­zung. Von internen Faktoren spreche man hingegen bei Fehlstellu­ngen des Fußes oder der Wirbelsäul­e. Ausfälle kämen aber meist durch mehrere dieser Faktoren zustande.

Benca rät zu einem ausgewogen­en Trainingsp­rogramm: „Aus unseren und anderen Daten schließen wir, dass sowohl zu viel als auch zu wenig Laufpraxis das Risiko einer Verletzung erhöht. Ein Mindestniv­eau ist wichtig, um den Körper an eine Belastung zu gewöhnen. Aber sehr intensives Training führt schneller zu chronische­n Schmerzen. Man muss die goldene Mitte finden.“Mit ihrer Studie wollen die Autoren übrigens keineswegs vom Laufsport abhalten: Das Erstellen eines Gangbilds bei einem Sportmediz­iner und einige Stunden Lauftraini­ng können die Erfahrung jedoch verbessern.

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„Sowohl zu viel als auch zu wenig Laufpraxis erhöht das Verletzung­srisiko.“

Emir Benca, Biomechani­ker

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