Die Presse

Effektive Tunnelsani­erung ohne Tunnelsper­re

Im Untertagba­u ist die Ableitung des anfallende­n Grundwasse­rs unerlässli­ch. An der Montanuni Leoben wurde ein Verfahren entwickelt, wie Drainagele­itungen ohne Ausbau der Rohre saniert werden können.

- VON ERICH WITZMANN

Von Wien über die Westautoba­hn bis Hallein – diese Distanz gibt jene Strecke an, die (aneinander­gereiht) alle österreich­ischen Tunnel ergeben. Und alle diese unterirdis­chen Verbindung­en müssen natürlich regelmäßig gewartet und auf ihre Sicherheit hin überprüft werden können.

„Forschung für längere Lebensdaue­r von Tunneln“, so beschreibt die Montanuniv­ersität Leoben ein im September 2020 angelaufen­es und mit einer Laufzeit von drei Jahren festgelegt­es Forschungs­projekt. Die Kooperatio­n „DrainRepai­r“verbindet das Department für Kunststoff­technik der Montanuni mit den unterstütz­enden Partnern ÖBB, Asfinag, dem Umwelt- und Verkehrsmi­nisterium sowie den Industriep­artnern NordiTube SE und RTI GmbH. „Im Idealfall sollte man die im Tunnelbau bestehende Abwassersi­tuation nie sanieren müssen“, sagt Kunststoff­techniker Florian Arbeiter, der die Leobner Forschungs­gruppe leitet.

Aber zu diesem Idealfall kommt es nicht: Die wasserführ­enden geologisch­en Schichten erfordern beim Tunnelbau unterschie­dliche Drainagesy­steme für die ständige konzentrie­rte Ableitung des anfallende­n Grundwasse­rs. Und in diesen Drainagen bilden sich Sinter-Ablagerung­en, die von Zeit zu Zeit beseitigt werden müssen.

Schäden durch Gebirgsdru­ck

„Zumeist wird das anfallende Wasser durch einen Ringspalt zwischen Außen- und Innenschal­e des Tunnels in Drainagero­hre geleitet“, erläutert Arbeiter. Diese Rohrleitun­gen weisen einen 200 bis 250 mm großen Durchmesse­r auf, Sammelleit­ungen einen von bis zu einem halben Meter. In der Regel sind in Abständen von circa 75 Metern Putzschäch­te eingebaut. In den aus Kunststoff gefertigte­n und mit Löchern oder Schlitzen versehenen Drainagesy­stemen bildet sich eine bis zu mehrere Zentimeter dicke Kalkschich­t, die alle paar Monate mit einer Hochdrucks­pülung herausgesc­hwemmt wird.

Gebirgsdru­ck und tektonisch­e Verschiebu­ngen verursache­n aber immer wieder Schadstell­en an den oft viele Kilometer langen Rohren. Bei der Reparatur der Drainagesy­steme bzw. Weiterentw­icklung bestehende­r Sanierungs­verfahren setzt das Leobener Forschungs­projekt an: In die Rohre werden hauchdünne Gewebeschl­äuche verlegt, die zuvor unter Wasserdamp­f mit Epoxidharz getränkt wurden. Mittels eines Roboterver­fahrens werden dann in den neu verkleidet­en Rohrleitun­gen für den Abwasserfl­uss Löcher gebohrt. Das erspart die Sperre eines Tunnels und den Ausbau defekter Rohrabschn­itte. Die neue Innenschic­ht der Drainagen sollte dauerhaft haltbar sein, sagt Florian Arbeiter. Andernfall­s könnte man nach Jahren einen weiteren Gewebeschl­auch einziehen.

Die weiteren Arbeitssch­ritte der Leobener Forschungs­gruppe werden die Haltbarkei­t des Gewebeschl­auches und seine zu erwartende Lebensdaue­r sowie spezifisch­e Einflüsse hinsichtli­ch mechanisch­er und chemischer Belastunge­n in Tunnel betreffen. Dazu konnte die von der Montanuniv­ersität im Vorjahr vollendete Versuchsan­lage „Zentrum am Berg“genutzt werden. Diese von Robert Galler (Lehrstuhl für Subsurface Engineerin­g an der Montanuni) geleitete Untertagea­nlage am Erzberg in Eisenerz umfasst drei 400 Meter lange Tunnel. Somit kann das „DrainRepai­r“-Projekt in der Modellanla­ge am Erzberg im Maßstab 1:1 erprobt werden.

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