Effektive Tunnelsanierung ohne Tunnelsperre
Im Untertagbau ist die Ableitung des anfallenden Grundwassers unerlässlich. An der Montanuni Leoben wurde ein Verfahren entwickelt, wie Drainageleitungen ohne Ausbau der Rohre saniert werden können.
Von Wien über die Westautobahn bis Hallein – diese Distanz gibt jene Strecke an, die (aneinandergereiht) alle österreichischen Tunnel ergeben. Und alle diese unterirdischen Verbindungen müssen natürlich regelmäßig gewartet und auf ihre Sicherheit hin überprüft werden können.
„Forschung für längere Lebensdauer von Tunneln“, so beschreibt die Montanuniversität Leoben ein im September 2020 angelaufenes und mit einer Laufzeit von drei Jahren festgelegtes Forschungsprojekt. Die Kooperation „DrainRepair“verbindet das Department für Kunststofftechnik der Montanuni mit den unterstützenden Partnern ÖBB, Asfinag, dem Umwelt- und Verkehrsministerium sowie den Industriepartnern NordiTube SE und RTI GmbH. „Im Idealfall sollte man die im Tunnelbau bestehende Abwassersituation nie sanieren müssen“, sagt Kunststofftechniker Florian Arbeiter, der die Leobner Forschungsgruppe leitet.
Aber zu diesem Idealfall kommt es nicht: Die wasserführenden geologischen Schichten erfordern beim Tunnelbau unterschiedliche Drainagesysteme für die ständige konzentrierte Ableitung des anfallenden Grundwassers. Und in diesen Drainagen bilden sich Sinter-Ablagerungen, die von Zeit zu Zeit beseitigt werden müssen.
Schäden durch Gebirgsdruck
„Zumeist wird das anfallende Wasser durch einen Ringspalt zwischen Außen- und Innenschale des Tunnels in Drainagerohre geleitet“, erläutert Arbeiter. Diese Rohrleitungen weisen einen 200 bis 250 mm großen Durchmesser auf, Sammelleitungen einen von bis zu einem halben Meter. In der Regel sind in Abständen von circa 75 Metern Putzschächte eingebaut. In den aus Kunststoff gefertigten und mit Löchern oder Schlitzen versehenen Drainagesystemen bildet sich eine bis zu mehrere Zentimeter dicke Kalkschicht, die alle paar Monate mit einer Hochdruckspülung herausgeschwemmt wird.
Gebirgsdruck und tektonische Verschiebungen verursachen aber immer wieder Schadstellen an den oft viele Kilometer langen Rohren. Bei der Reparatur der Drainagesysteme bzw. Weiterentwicklung bestehender Sanierungsverfahren setzt das Leobener Forschungsprojekt an: In die Rohre werden hauchdünne Gewebeschläuche verlegt, die zuvor unter Wasserdampf mit Epoxidharz getränkt wurden. Mittels eines Roboterverfahrens werden dann in den neu verkleideten Rohrleitungen für den Abwasserfluss Löcher gebohrt. Das erspart die Sperre eines Tunnels und den Ausbau defekter Rohrabschnitte. Die neue Innenschicht der Drainagen sollte dauerhaft haltbar sein, sagt Florian Arbeiter. Andernfalls könnte man nach Jahren einen weiteren Gewebeschlauch einziehen.
Die weiteren Arbeitsschritte der Leobener Forschungsgruppe werden die Haltbarkeit des Gewebeschlauches und seine zu erwartende Lebensdauer sowie spezifische Einflüsse hinsichtlich mechanischer und chemischer Belastungen in Tunnel betreffen. Dazu konnte die von der Montanuniversität im Vorjahr vollendete Versuchsanlage „Zentrum am Berg“genutzt werden. Diese von Robert Galler (Lehrstuhl für Subsurface Engineering an der Montanuni) geleitete Untertageanlage am Erzberg in Eisenerz umfasst drei 400 Meter lange Tunnel. Somit kann das „DrainRepair“-Projekt in der Modellanlage am Erzberg im Maßstab 1:1 erprobt werden.