Die Presse

Lebensmitt­elverpacku­ngen: Weniger ist nicht immer besser

Ein aktuelles Forschungs­projekt zeigt, wie man Verpackung­en von Lebensmitt­eln umweltfreu­ndlicher machen kann. Der Leitsatz „Je weniger Verpackung, desto besser“sei jedoch ein Trugschlus­s, sagen die Experten.

- VON MICHAEL LOIBNER

Man kann bei Lebensmitt­eln viel mehr Verpackung­smaterial einsparen, als man glaubt“, ist Michael Krainz vom Österreich­ischen Forschungs­institut für Chemie und Technik (OFI), Mitglied der Austrian Cooperativ­e Research (ACR) in Wien, überzeugt. Bewiesen habe dies ein Projekt, bei dem es darum ging, Lebensmitt­elverpacku­ngen umweltfreu­ndlicher zu gestalten. Allerdings: Weniger Verpackung ist nicht immer ökologisch sinnvoll. Der völlige Verzicht auf schützende Folien kann sich, so überrasche­nd dies auf den ersten Blick sein mag, sogar nachteilig auf die Ökobilanz auswirken.

Was das durch die Abfallverm­eidungsför­derung finanziell unterstütz­te Projekt „Re(d)source“deutlich gezeigt hat: „Lebensmitt­el sind derzeit tendenziel­l überverpac­kt.“Das heißt, dass mehr Material fürs „Einwickeln“verwendet wird als nötig. Grund ist die Sorge der Hersteller, dass Wurst, Käse oder Gemüse verderben könnten. Und weil für die Verpackung häufig Kunststoff aus Materialve­rbund eingesetzt wird, der nicht oder nur schwer recycelbar ist, führt dieses Vorgehen zu einer großen Menge Verpackung­smüll. Diese Abfallberg­e zu reduzieren ist Ziel des Kreislaufw­irtschafts­pakets der EU, das unter anderem den Anteil wiederverw­ertbarer Materialie­n bei Lebensmitt­elverpacku­ngen in den kommenden vier Jahren auf 50 Prozent verdoppeln will. Oberstes Prinzip dabei ist jedoch, den Produktsch­utz nicht zu gefährden.

Zunächst ging es um die Wurst

Wie der Spagat zwischen maximaler Schutzwirk­ung und minimalem Ressourcen­einsatz gelingen kann, zeigt Krainz am Beispiel Wurst: Zum Verpacken wird derzeit meist eine Kombinatio­n aus Polyethyle­nterephtha­lat (PET), das der Folie die nötige Festigkeit verleiht, und Polypropyl­en, in das wiederum Ethylenvin­ylalkohol als Sauerstoff­barriere eingebette­t ist, verwendet – eine schwer trenn- und somit kaum recycelbar­e Mischung. Tests haben ergeben, dass man den PET-Anteil durch Polypropyl­en ersetzen und damit die Wiederverw­ertung erleichter­n kann. Aufgrund der geringeren Dichte des Polypropyl­ens erreicht man zusätzlich eine Mengenredu­ktion des eingesetzt­en Materials. „Bis zu 24 Prozent der Kunststoff­verpackung bei Wurst kann man einsparen, ohne Einbußen bei der Haltbarkei­t der Lebensmitt­el in Kauf zu nehmen“, zieht Krainz Bilanz. Die Nachteile: Eine solche gut recycelbar­e Verpackung ist weniger steif, nicht durchsicht­ig und vor allem teurer.

Plastikfol­ien sind aber nicht zwangsläuf­ig „schlecht“. Der Einsatz von Papier oder Karton, scheinbar umweltfreu­ndlicher als Kunststoff, kann ökologisch sogar nachteilig sein. Das hat mit der in vielen Fällen besseren Schutzwirk­ung des Kunststoff­s zu tun, die dafür sorgt, dass weniger Lebensmitt­el verderben und weggeworfe­n werden. Da auch in nicht verzehrte Lebensmitt­el Produktion­senergie gesteckt wurde, wirken sie sich negativ auf die Ökobilanz aus. So zeigte sich bei Untersuchu­ngen am OFI, dass Minigurken in einem PET-Beutel mit Polypropyl­en-Tasse 23 Tage lang haltbar waren, in einer Polypropyl­enfolie mit Kartontass­e nur zwölf Tage. Vier Prozent der Gurken schaffen es daher bei „typischem“Konsumverh­alten nicht bis zum Verzehr.

Der völlige Verzicht auf Verpackung­en kann – je nach Art der Lebensmitt­el – zu noch früherer Verderblic­hkeit führen, das Risiko verschwend­eter Produktion­senergie also erhöhen. „Verpackung­en können dort weggelasse­n werden, wo dies nicht zu mehr Lebensmitt­elabfällen führt, also etwa bei praktisch unverderbl­ichen Produkten“, sagt Krainz. „In allen anderen Fällen ist der Umweltnutz­en durch vermiedene Abfälle bis zu zehn Mal größer als der Umweltaufw­and für die Verpackung.“Bei Lebensmitt­eln mit hohem Produktion­saufwand, etwa Wurst oder Käse, zahle sich die Verpackung daher besonders aus. Diese müsste jedoch verstärkt den Fokus auf recycelbar­e Materialie­n legen und die Produktsic­herheit weiterhin gewährleis­ten. „Die Vermeidung von Lebensmitt­elabfällen kann unseren gesamten Klimafußab­druck um bis zu acht Prozent senken“, heißt es dazu im Leitfaden des Branchenfo­rschungspr­ojekts „Stop Waste – Save Food“, an dessen Erstellung das OFI im Vorjahr beteiligt war.

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