Die Presse

Schnecken mit Cadmium-Salat

Die Zoologin Veronika Pedrini-Martha untersucht die Stressresi­stenz von Schnecken: Die Reaktionen auf Schwermeta­lle, Hitze und Sauerstoff­mangel bringen wichtige Einblicke.

- VON VERONIKA SCHMIDT

ein, Schnecken essen, das kommt ihr nicht in den Sinn! Veronika Pedrini-Martha forscht seit Jahren an Schnecken, aber gekostet hat sie nur einmal. „Und das nur mit Überwindun­g“, lacht sie. Für ihre Arbeit ist es praktisch, dass die Weichtiere als Nahrungsmi­ttel geschätzt werden, denn sie kann bei den Züchtern ihre Forschungs­objekte bestellen. „Schnecken essen boomt. Das hat vielleicht damit zu tun, dass immer mehr Menschen auf herkömmlic­hes Fleisch verzichten“, sagt Pedrini-Martha. Ihr Interesse gilt nicht dem Geschmack der Schnecken, sondern ihrer Physiologi­e und der Fähigkeit, mit Stress gut umgehen zu können. Seit ihrer Diplomarbe­it 2007 erforscht Pedrini-Martha Proteine im Stoffwechs­elsystem der Schnecken, die Metalle binden können.

Metallothi­oneine (MT) heißt die Gruppe dieser Eiweiße, die in allen Tiergruppe­n vorkommen und Schwermeta­lle abfangen können. „Bei vielen Schnecken sind die MT-Proteine besonders effizient und vielfältig­er als in anderen Tieren“, sagt Pedrini-Martha. So können sie in der Natur Schwermeta­lle wie Cadmium (Cd) in großen Mengen anreichern, ohne Schaden zu nehmen. „Ein möglicher Grund, warum sich eine so effiziente Entgiftung entwickelt hat, könnte darin liegen, dass Cadmium im Körper leicht mit Kalzium verwechsel­t wird und wichtige Stoffwechs­elwege stören kann.“Dies wurde bereits in anderen Tieren nachgewies­en, ist aber bei Schnecken noch kaum erforscht.

Innsbruck mit diversen Schneckena­rten, um die Vielfalt und Funktion dieser Eiweiße zu verstehen. Ein Beispiel ist die in Österreich heimische Weinbergsc­hnecke, Helix pomatia. „Es geht auch um die Rolle dieser Eiwei

in der Bewältigun­g von Stress im Körper der Schnecken“, sagt die Tirolerin. Für manche Versuche bekommen die Tiere im Innsbrucke­r Labor entweder normale Salatblätt­er (Kontrollgr­uppe) oder solche, die mit

Cadmium behandelt wurden. Dann untersucht Pedrini-Martha mit verschiede­nen Methoden wie der quantitati­ven EchtzeitPC­R, ob diese Proteine und Gene in Cadmium-gestresste­n Schnecken aktiviert oder vermehrt produziert werden.

Eine entscheide­nde Frage ist, welche Regulatore­n für die Aktivierun­g der MTs in der Schnecke wichtig sind. „Für Mäuse und andere Modellorga­nismen ist vieles bekannt. Es gibt gute Tools und Methoden, die aber bei Schnecken nicht oder nur teilweise angewendet werden können.“Pedrini-Martha hat weltweit erstmals einen möglichen Regulator der MT-Gene in der Weinbergsc­hnecke, den sogenannte­n MTF1-like, entdeckt: „Das L’Oreal-Stipendium hat es mir ermöglicht, den MTF1-like weiter zu erforschen. Vor Kurzem haben wir auch ungewöhnli­ch lange MTs entdeckt, die aus mehreren Einheiten bestehen.“Die Frage ist hier: Können diese langkettig­en MTs genauso gut Schwermeta­lle binden? Welche Rolle spielen sie bei der Stressantw­ort in den Schneckena­rten?

Pedrini-Martha findet diese Tiergruppe spannend, weil es so viele ökologisch­e Anpassunge­n gibt. Immerhin haben Schnecken fast alle Habitate der Welt erobert, sich sogar an die Wüste angepasst. Mit dieser Grundlagen­forschung baut das Team der Uni Innsbruck Wissen über wichtige Stoffwechs­elvorgänge auf: Wie konnte sich diese artenreich­e Tiergruppe im Laufe der Erdgeschic­hte wiederholt an verschiede­ne Lebensräum­e anpassen? Aktuell testet PedriniMar­tha neben der Schwermeta­llbelastun­g auch Umweltstre­ss durch Hitze oder Sauerstoff­mangel und schaut, welche Reaktionen die MTs verschiede­ner Schnecken zeigen.

Dass ihre Forscherka­rriere bisher durchgehen­d in Innsbruck stattgefun­den hat, im selben Institut seit 14 Jahren, freut die junge Mutter. „Nur für Hobbys bleibt keine Zeit mehr: Früher war ich gern wandern oder habe Querflöte gespielt. Aber 30 Wochenstun­den im Labor sind ein absolutes Minimum, um als PostDoc eine gute Leistung zu bringen.“

Für Modellorga­nismen wie Mäuse ist vieles bekannt. Die Methoden können aber bei Schnecken nicht immer angewendet werden.

 ?? [ Martin Gamper ] ?? Veronika Pedrini-Martha forscht seit 14 Jahren am Institut für Zoologie an der Uni Innsbruck – mit zwei Unterbrech­ungen für Karenzzeit­en.
[ Martin Gamper ] Veronika Pedrini-Martha forscht seit 14 Jahren am Institut für Zoologie an der Uni Innsbruck – mit zwei Unterbrech­ungen für Karenzzeit­en.

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