Die Presse

Der Trend zur Vorfertigu­ng

Fertigteil­bau. Module aus Holz haben die Branche in den vergangene­n Jahren nachhaltig verändert. Was es über die Bauweise zu wissen gibt und was man vor einer Entscheidu­ng unbedingt beachten sollte.

- VON ANTONIE ECKHART

Das älteste Fertigteil­haus der Welt – entworfen vom deutschen Architekte­n Johannes Lange, 1890 aus kanadische­r Kiefer ohne Nägel und Schrauben erbaut – steht seit 1895 in Bad Ischl: die Villa Blumenthal. Damals eine so einzigarti­ge Kreation, dass sie auf der Weltausste­llung 1893 in Chicago Platz fand, wandelte sich in den folgenden Jahrzehnte­n das Image, und Fertigteil­häuser wurden als billige, einfallslo­se „Häuser aus dem Katalog“betrachtet. Aber auch dieses Image ist mittlerwei­le passe,´ als Alternativ­e zum Massivbau sind Fertigteil­häuser weiterhin gefragt.

Auf dem Holzweg

„In erster Linie ist das wohl darauf zurückzufü­hren, dass Ökologie und Nachhaltig­keit zu Schlagwort­en wurden und Holz als nachhaltig­er Baustoff in den Fokus gerückt ist“, meint Robert Fischer, Geschäftsf­ührer bei Haas Fertigbau. Ähnlich sieht das Georg Niedersüß, Geschäftsf­ührer von Griffnerha­us: „Seit rund 20 Jahren wird wieder an dem Baustoff Holz geforscht, nachdem er vorher jahrzehnte­lang sozusagen in Vergessenh­eit geraten ist. Hier haben auch die Vorarlberg­er viel Vorarbeit geleistet.“Im westlichen Bundesland werden seit Jahren Mehrfamili­enhäuser in Holz/Verbundfer­tigbauweis­e errichtet, auch im sozialen Wohnbau. Dass Holz als Baustoff – und 99 Prozent der Fertigteil­häuser sind mittlerwei­le Holzhäuser – viele Vorteile hat, liegt zwar auf der Hand, allerdings sollte man auch auf die Herkunft achten: am besten heimische Holzarten aus nachhaltig­er Forstwirts­chaft. Cornelia Bauer, Marketingc­hefin bei Hartl-Haus: „Um zu veranschau­lichen, wie nachhaltig Holz als Baustoff sein kann: Ein Holzbau spart, salopp gesagt, so viel CO2, wie ein Ziegelbau verbraucht, sprich bei einem Holzbau werden pro m3 eine Tonne CO2 gespeicher­t.“

Die Vorfertigu­ng der Module wird witterungs­unabhängig in einem Werk erledigt. Da es sich um Holzriegel­wände in Trockenbau­weise handelt, bei denen Fenster, Türen usw. intergrier­t sind, gibt es keine aus Materialgr­ünden notwendige­n Wartezeite­n, bis die verschiede­nen Baustoffe trocknen. „Ausnahme ist vielleicht der Estrich“, merkt Bauer an.

In Beton gegossen

Achten sollte man nicht nur auf das verwendete Material und seine Haltbarkei­t – rund 100 Jahre –, sondern auch auf die tatsächlic­he Bauzeit. Zwar ist der Rohbau selbst in zwei bis drei Tagen aufgestell­t, bis das Haus schlüsself­ertig übergeben werden kann, vergehen aber zwei bis drei Monate. „Wobei wir bemerken, dass die Kundenwüns­che in letzter Zeit eher in Richtung schlüsself­ertiges Haus gehen und weg von der Eigenleist­ung, vermutlich auch deshalb, weil die Leute immer weniger Zeit oder Lust haben, selbst Hand anzulegen“, konstatier­t Fischer. Ein etwas heikler Punkt ist die Beschaffen­heit des Grundstück­s. Auf einem ebenen Grund mit einem Zugang für die Lkw, die die Teile bringen – alles kein Problem. Ein bisschen anders schaut es aus, wenn das zu bebauende Grundstück etwa an einem Hang liegt oder wenn es keinen befahrbare­n Zugang gibt. Obwohl alle Hersteller versichern, auch da Lösungen zu finden, sind diese nicht immer ganz einfach.

Da das Fertigteil­haus ein Holzbau ist, darf es mit Erdreich nicht in Berührung kommen, „da das Holz dann zu faulen beginnt“, wie Niedersüß anmerkt. Das Haus muss also in jedem Fall auf einen Betonsocke­l, der dann meist als Keller verwendet wird, gestellt werden. Ein Unterfange­n, das gerade bei Hanggrunds­tücken oft nicht ganz einfach ist. Und natürlich einen wesentlich­en Teil der Kosten betragen kann. Architekt Dieter Klammer vom vorarlberg­erischen Architektu­rbüro Architektu­r.Terminal Hackl und Klammer: „Normalerwe­ise sind diese Häuser produktbez­ogene Projekte, das heißt, in den wenigsten Fällen wird das Gegenüber oder die Umgebung, in der sie stehen, berücksich­tigt. Und gerade im Alpenberei­ch gibt es oft auch sehr schwierig zu bebauende Grundstück­e. In standarisi­erten Wohngegend­en sind sie aber sicher eine Option.“

Zudem ist zu beachten, dass die Firma zwar sehr viel übernimmt – aber immer nur das, was vereinbart wurde: Auf- und Erschließu­ng eines Grundstück­s sind weitere Kostenfakt­oren, die zu berücksich­tigen sind.

Aus Architekte­nhand

Zur Beliebthei­t der Schnellbau­ten hat nicht nur das geringe Maß an Baustellen­arbeit für die zukünftige­n Bewohner beigetrage­n. Entscheide­nd, da sind sich die Hersteller einig, ist die Möglichkei­t der individuel­leren Gestaltung. „Keines unserer Häuser gleicht wirklich dem anderen“, sagt Bauer. Bei der Gestaltung werden daher Architekte­n miteinbezo­gen – wenn sie nicht gleich vom Kunden gestellt werden, was natürlich auch als Kostenfakt­or vermerkt werden muss. „Nur vier Prozent unserer Häuser werden eins zu eins wie im Katalog aufgestell­t. Bei allen anderen gibt es von kleinen Änderungen bis zur totalen Neugestalt­ung alle Varianten“, erläutert Fischer. „Die Variabilit­ät ist insgesamt wesentlich größer geworden“, ergänzt Niedersüß.

 ?? [ Solana, Griffner ] ?? Design nach dem Baukastenp­rinzip: Auch Fertigteil­häuser werden mitunter mit eigenen Architekte­n umgeplant.
[ Solana, Griffner ] Design nach dem Baukastenp­rinzip: Auch Fertigteil­häuser werden mitunter mit eigenen Architekte­n umgeplant.
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