Der Wiener Wohnungsmarkt kennt keine Krise
Sandra Bauernfeind, Geschäftsführende Gesellschafterin der EHL Wohnen GmbH, über die Entwicklung des Wiener Wohnungsmarktes in Zeiten der Covid-19-Pandemie.
Frau Bauernfeind, wie hat sich der Wiener Wohnungsmarkt seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie geschlagen?
Wie auch in vergangenen Krisen hat sich der Wiener Wohnungsmarkt im Vorjahr im Vergleich zu anderen Immobiliensegmenten sehr stabil entwickelt. Das hat man auch an den guten Abschlusszahlen von Eigentumswohnungen und Vorsorgewohnungen gesehen. Einmal mehr bestätigt sich, dass Wohnen ein menschliches Grundbedürfnis ist, das weitgehend unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung ist. Dazu kommt, dass gerade die Coronakrise, in der man bekanntlich viel Zeit zu Hause verbringt, aufzeigt, wie wichtig schön zu wohnen für die persönliche Lebensqualität ist.
Wie haben sich die Abschlusszahlen im Vorjahr konkret entwickelt?
Die Rekordzahl von 19.000 neuen Wohnungen, die 2020 fertiggestellt wurden, wurde vom Markt gut absorbiert. Dasselbe gilt für Wohnungen, die von Privatanlegern für die Vermietung gekauft wurden. Allein im ersten Halbjahr wurde in 400 Vorsorgewohnungen investiert. Für das Gesamtjahr 2020 liegen die endgültigen Zahlen noch nicht vor. Wir erwarten aber einen Anstieg auf bis zu 900 Einheiten, was einem Plus von 30 Prozent gegenüber 2019 entsprechen würde. Weitgehend unverändert ist hingegen der durchschnittliche Kaufpreis von 200.000 Euro pro Wohnung geblieben.
Rechnen Sie damit, dass die Nachfrage nach Wohnungen weiter steigen wird?
Ja, das sollte weiterhin der Fall sein. Nicht zuletzt, weil das niedrige Zinsniveau weiterhin für günstige Finanzierungsbedingungen sorgt. Auch ein Trend der letzten Jahre sollte sich fortsetzen: Dass institutionelle Investoren ihr Engagement am Wohnungsmarkt weiter verstärken. Viele Projekte werden daher auch weiterhin im Vorfeld von institutionellen Anlegern gekauft und kommen gar nicht in den Vertrieb. Das engt einerseits das Angebot für Privatpersonen ein. Andererseits sorgt die verstärkte institutionelle Investitionstätigkeit für weiterhin – zumindest leicht – steigende Preise. Die Mietpreise haben sich aufgrund der erhöhten Verfügbarkeit von Mietwohnungen hingegen stabil entwickelt.
Gibt es überhaupt ein ausreichendes Angebot an Eigentums- und Vorsorgewohnungen für Privatpersonen?
Institutionelle Anleger werden sich zwar auch weiterhin nicht zurückhalten und Druck auf das Angebot machen. Dennoch gibt es auch für Eigennutzer und Privatanleger ein gutes Angebot an Wohnungen. Interessante Projekte finden sich beispielsweise im 10., 12. und 16. Bezirk sowie in den großen Flächenbezirken Floridsdorf und Donaustadt, wo noch ausreichend Grundstücksreserven für neue Wohnprojekte zu finden sind. Insgesamt sollte sich die Neubauleistung in Wien heuer auf rund 17.000 Wohnungen belaufen.
Worauf sollte man beim Kauf einer Vorsorgewohnung achten?
Für eine gute Vermietbarkeit ist natürlich eine gute Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz ganz besonders wichtig. Gerade in den Flächenbezirken, die von den UBahnlinien U1 und U2 angefahren werden, ist das gegeben. Wichtig ist es aber auch, die eigenen Vorlieben und Vorstellungen hintanzustellen. Man sollte also weniger auf Luxus, dafür aber auf hochwertige Materialien, ansprechende Oberflächen und neutrale Farben achten. Auch die Wohnungsgröße spielt eine wichtige Rolle. Ein- bis Zweizimmerwohnungen lassen sich am besten vermieten – auch weil man damit die größte Zielgruppe anspricht: Schließlich leben 75 Prozent der Wiener in Ein- und ZweiPersonen-Haushalten. Kleinere Wohnungen können sich die Menschen auch besser leisten. Man darf nicht vergessen, dass die von der Corona-Pandemie ausgelöste wirtschaftliche Krise die Menschen weiter einschränkt.