Vertrauen muss man nicht erarbeiten
Porträt. Für die NTT-Österreich-CEO Nora Lawender ist Vertrauen kein Zufall und auch kein Produkt der Zeit, sondern Ausdruck einer Haltung. Und Voraussetzung für gute Zusammenarbeit.
Vielleicht war es nur ein Zufall, der Nora Lawender in die IT-Branche führte. 2002, nach ihrem Studium, suchte sie einen Job im Controlling. 23 Jahre war sie damals alt. Sie blieb im Unternehmen, das mehrmals Eigentümer und damit den Namen änderte, stieg zur CFO auf und im vergangenen April schließlich bei NTT Limited zur Österreich-CEO.
Das Controlling war also ein guter Ausgangspunkt, um die Geschäftsprozesse kennen und verstehen zu lernen. „So entstand eine Faszination für die Branche, verbunden mit der Möglichkeit, Neues zu erlernen“, sagt die heute 41-Jährige.
So entstand auch ihr End-toend-Verständnis, das es jemandem wie ihr, die keinen technischen oder informatischen Hintergrund hat, ermöglicht, ein IT-Unternehmen wie dieses zu leiten. „Man muss nicht jedes Detail verstehen“, sagt Lawender, „aber man muss zuhören können und die richtigen Leute einsetzen.“
Denn die Dinge, an denen gearbeitet wird, sind komplex: Netzwerksysteme, Cybersecurity, Internet of Things, Smart City oder Cloudlösungen. Die Cloud sei für viele Kunden schwer greifbar, sagt sie. Doch die Frage: Wo liegen die Daten, sei falsch. Entscheidender sei: Wie sicher liegen meine Daten?
Emotion braucht Begegnung
Mit den Mitarbeitenden persönlich zu sprechen ist unter den aktuellen Umständen allerdings nicht ganz einfach. Seit sie am 1. April des Vorjahrs in die CEOPosition aufrückte, „konnte es leider noch kein All-Hands-Meeting geben“, sagt sie. Dabei würde sie gern alle Mitarbeitenden und die Geschäftsleitung an einem Ort auch physisch zusammenführen, um über alle wichtigen Unternehmensangelegenheiten – über die Fakten wie die Visionen – zu sprechen. Denn, sagt sie, „Emotionen sind virtuell sehr schwer zu vermitteln.“
Etwa bei den „monatlichen Updates und Ask-the-board-Meetings – bei denen ich kritische Fragen einfordere“, sagt Lawender: „Wo keine Reibungspunkte zugelassen werden, geht auch nichts weiter.“
Apropos Board: Sechs Personen umfasst die Führungsriege, vier weibliche, zwei männliche. Ein Umstand, auf den sie immer wieder angesprochen wird, über den sie aber sagt: Im Jahr 2021 sollte man darüber nicht mehr reden müssen. Doch auch sie muss einräumen, dass in der IT-Branche Frauen nach wie vor in den sogenannten „weichen“Bereichen wie Personal, Finanzen, Marketing arbeiten, aber nicht im Vertrieb oder in der Entwicklung.
Die Gründe dafür ortet sie bereits in der Früherziehung. „Doch auch später werden Frauen zu wenig ermutigt, technische Berufe auszuprobieren“, sagt Lawender und verpackt einen Aufruf, lernbereite, kluge Frauen noch stärker in diese Bereiche zu entsenden und ihnen Mut zu machen, sich über diese Aufgaben zu trauen: ermutigen, einen Anstoß geben, ihnen etwas zutrauen.
Ein anderes Thema sei, Mitarbeitenden die Rückkehr nach der Babypause zu ermöglichen: „Man kann auf Kinderbetreuung Rücksicht nehmen“, sagt Lawender, „und die Meeting-Kultur von 17 bis 21 Uhr sollte überwunden sein – im Übrigen: Auch Männer fordern das ein.“
Das Beispiel steht wohl symptomatisch für ihre Bemühungen, ihren Mitarbeitenden möglichst alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, damit sie gut arbeiten können. Das entspricht ihrer Grundhaltung, dass alle Menschen gern etwas leisten. Selbstverständlich auch im Home-Office, in dem Berufliches und Privates verschwimmen. „Menschen arbeiten, geben und leisten im Home-Office oft noch mehr und achten weniger auf ihre Work-LifeBalance.“
Kontrolle ist keine Alternative
Daher sagt Lawender auch: „Vertrauen muss man nicht erarbeiten. Mitarbeitenden Vertrauen zu geben, ist eine bewusste Entscheidung.“
Also weder ein Zufall, noch etwas, was sich mit der Zeit entwickle, sondern eine Haltung vom ersten Tag an. Nein, dieser Zugang sei keineswegs riskant, sagt Lawender und formuliert Gegenfragen: Was bringt es mir, was kostet es mich zu kontrollieren? Wie groß wäre der Schaden, wenn ich nicht vertrauen würde?