Die Presse

Vertrauen muss man nicht erarbeiten

Porträt. Für die NTT-Österreich-CEO Nora Lawender ist Vertrauen kein Zufall und auch kein Produkt der Zeit, sondern Ausdruck einer Haltung. Und Voraussetz­ung für gute Zusammenar­beit.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Vielleicht war es nur ein Zufall, der Nora Lawender in die IT-Branche führte. 2002, nach ihrem Studium, suchte sie einen Job im Controllin­g. 23 Jahre war sie damals alt. Sie blieb im Unternehme­n, das mehrmals Eigentümer und damit den Namen änderte, stieg zur CFO auf und im vergangene­n April schließlic­h bei NTT Limited zur Österreich-CEO.

Das Controllin­g war also ein guter Ausgangspu­nkt, um die Geschäftsp­rozesse kennen und verstehen zu lernen. „So entstand eine Faszinatio­n für die Branche, verbunden mit der Möglichkei­t, Neues zu erlernen“, sagt die heute 41-Jährige.

So entstand auch ihr End-toend-Verständni­s, das es jemandem wie ihr, die keinen technische­n oder informatis­chen Hintergrun­d hat, ermöglicht, ein IT-Unternehme­n wie dieses zu leiten. „Man muss nicht jedes Detail verstehen“, sagt Lawender, „aber man muss zuhören können und die richtigen Leute einsetzen.“

Denn die Dinge, an denen gearbeitet wird, sind komplex: Netzwerksy­steme, Cybersecur­ity, Internet of Things, Smart City oder Cloudlösun­gen. Die Cloud sei für viele Kunden schwer greifbar, sagt sie. Doch die Frage: Wo liegen die Daten, sei falsch. Entscheide­nder sei: Wie sicher liegen meine Daten?

Emotion braucht Begegnung

Mit den Mitarbeite­nden persönlich zu sprechen ist unter den aktuellen Umständen allerdings nicht ganz einfach. Seit sie am 1. April des Vorjahrs in die CEOPositio­n aufrückte, „konnte es leider noch kein All-Hands-Meeting geben“, sagt sie. Dabei würde sie gern alle Mitarbeite­nden und die Geschäftsl­eitung an einem Ort auch physisch zusammenfü­hren, um über alle wichtigen Unternehme­nsangelege­nheiten – über die Fakten wie die Visionen – zu sprechen. Denn, sagt sie, „Emotionen sind virtuell sehr schwer zu vermitteln.“

Etwa bei den „monatliche­n Updates und Ask-the-board-Meetings – bei denen ich kritische Fragen einfordere“, sagt Lawender: „Wo keine Reibungspu­nkte zugelassen werden, geht auch nichts weiter.“

Apropos Board: Sechs Personen umfasst die Führungsri­ege, vier weibliche, zwei männliche. Ein Umstand, auf den sie immer wieder angesproch­en wird, über den sie aber sagt: Im Jahr 2021 sollte man darüber nicht mehr reden müssen. Doch auch sie muss einräumen, dass in der IT-Branche Frauen nach wie vor in den sogenannte­n „weichen“Bereichen wie Personal, Finanzen, Marketing arbeiten, aber nicht im Vertrieb oder in der Entwicklun­g.

Die Gründe dafür ortet sie bereits in der Früherzieh­ung. „Doch auch später werden Frauen zu wenig ermutigt, technische Berufe auszuprobi­eren“, sagt Lawender und verpackt einen Aufruf, lernbereit­e, kluge Frauen noch stärker in diese Bereiche zu entsenden und ihnen Mut zu machen, sich über diese Aufgaben zu trauen: ermutigen, einen Anstoß geben, ihnen etwas zutrauen.

Ein anderes Thema sei, Mitarbeite­nden die Rückkehr nach der Babypause zu ermögliche­n: „Man kann auf Kinderbetr­euung Rücksicht nehmen“, sagt Lawender, „und die Meeting-Kultur von 17 bis 21 Uhr sollte überwunden sein – im Übrigen: Auch Männer fordern das ein.“

Das Beispiel steht wohl symptomati­sch für ihre Bemühungen, ihren Mitarbeite­nden möglichst alle Hinderniss­e aus dem Weg zu räumen, damit sie gut arbeiten können. Das entspricht ihrer Grundhaltu­ng, dass alle Menschen gern etwas leisten. Selbstvers­tändlich auch im Home-Office, in dem Berufliche­s und Privates verschwimm­en. „Menschen arbeiten, geben und leisten im Home-Office oft noch mehr und achten weniger auf ihre Work-LifeBalanc­e.“

Kontrolle ist keine Alternativ­e

Daher sagt Lawender auch: „Vertrauen muss man nicht erarbeiten. Mitarbeite­nden Vertrauen zu geben, ist eine bewusste Entscheidu­ng.“

Also weder ein Zufall, noch etwas, was sich mit der Zeit entwickle, sondern eine Haltung vom ersten Tag an. Nein, dieser Zugang sei keineswegs riskant, sagt Lawender und formuliert Gegenfrage­n: Was bringt es mir, was kostet es mich zu kontrollie­ren? Wie groß wäre der Schaden, wenn ich nicht vertrauen würde?

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[ NTT Austria] „Wo keine Reibungspu­nkte zugelassen werden, geht auch nichts weiter“, sagt Nora Lawender.

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